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Der Mann gegen Fluglärm soll Anwohner ruhig stimmen

Der neue sächsische Landesbeauftragte für Fluglärmschutz Jörg Puchmüller ist unabhängig. Aber ist er auch neutral?

Von Michael Rothe
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Frachtmaschinen lassen Anwohner an Leipzigs Airport nachts nicht schlafen.
Frachtmaschinen lassen Anwohner an Leipzigs Airport nachts nicht schlafen. © dpa/Jan Woitas

Jörg Puchmüller, eigentlich Anzugträger, hat eine neue Dienstkleidung: eine neongelbe Weste mit Leuchtstreifen, darauf in großen Lettern FLSB, Kürzel für Fluglärmschutzbeauftragter, dazu sein Namensschild und ein Gehörschutz. Das Set wurde ihm am Mittwoch zum Start in Sachsens Staatskanzlei übergeben.

Mit dem neuen Posten gebe der Freistaat dem Lärm- und Umweltschutz an seinen Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden mehr Gewicht, sagt Ines Fröhlich (SPD), Staatssekretärin für Mobilität im Wirtschaftsministerium, zur Amtseinführung. Auch werde ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen umgesetzt. Puchmüller sei unbefristet zentraler Ansprechpartner für Flughafenanrainer, Bürgerinitiativen, Wirtschaft und Behörden. Der 54-Jährige unterstehe der Aufsicht des Ministeriums, arbeite fachlich weisungsunabhängig und neutral, heißt es.

Jörg Puchmüller will Anwohnern am Leipziger Flughafen helfen, ohne den Ausbau zu gefährden.
Jörg Puchmüller will Anwohnern am Leipziger Flughafen helfen, ohne den Ausbau zu gefährden. © SMWA

Puchmüller war zuvor in der Landesverwaltung und in mehreren Eisenbahnunternehmen tätig. Er betreute auch die strategische Kommunikation beim lange umstrittenen City-Tunnel in Leipzig. Der gelernte Koch und studierte Verwaltungswirt versteht seine Funktion als „Moderationsangebot zwischen verschiedenen Interessen“. Er wolle u. a. „sauberer kommunizieren“, die Koordination zwischen den Behörden verbessern und Abläufe beschleunigen, sagt Puchmüller. Er soll ein Büro am Flughafen Leipzig/Halle bekommen. In Dresden, „wo das Thema eher marginal ist“, sei das Ministerium Anlaufpunkt.

Höhere Gebühren für laute Flieger

Fröhlich betont die Bedeutung des Leipziger Airports als Jobmotor. Am viertgrößten Frachtflughafen Europas betreibt DHL seit 2008 und mit mittlerweile gut 6.000 Beschäftigten sein stetig wachsendes Drehkreuz. 2020 wurden dort 1,38 Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen. Der Rekord hat seinen Preis: Die Maschinen von rund 60 Airlines landen und starten vor allem nachts – zum Leidwesen der Anwohner.

Fröhlich verweist auf 140 Millionen Euro, die in den Lärmschutz investiert worden seien. Ihr Ministerium habe nächtliche Triebwerksprobeläufe untersagt, und künftig müssten laute Flieger höhere Start- und Landegebühren zahlen als leise. Auch die CO2-Emmissionen würden berücksichtigt.

Der Landesbeauftragte warnt schon bei Dienstantritt vor übertriebenen Erwartungen: „Die Funktion wird sicher nicht dazu führen, dass der Flugbetrieb in Leipzig eingestellt wird“, sagt er. Ob der Ausbau gestoppt wird, sei Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens, ergänzt die Staatssekretärin. 6.350 Einwände und eine zigtausendfache Online-Petition zeigten, „dass das Thema virulent ist“, sagt Ines Fröhlich.

Zweifel an seiner Durchsetzungskraft

Warum hat es dann so lange gedauert? „Die Frage habe ich mir auch gestellt“, sagt Fröhlich. Solche Beauftragte gebe es in anderen Ländern schon lange. Als Grund nennt sie die Pandemie, „eine Kapazitätsfrage und die genaue Ausgestaltung“. Die Ansiedlung des Postens im Wirtschafts- und nicht im naheliegenderen Umweltministerium lässt Kritiker an der Durchsetzungskraft des Beauftragten zweifeln.

Dessen Stellenbeschreibung liest sich ähnlich der von Hermann Winkler, seit Januar Regionalbeauftragter für Flughafenentwicklung am Airport Leipzig/Halle. Der Chef der Staatskanzlei unter Ex-Premier Georg Milbradt (beide CDU) ist im Auftrag der Mitteldeutschen Flughafen AG „Ansprechpartner für alle Fragen der Bürgerinnen und Bürger der Umlandgemeinden, der Interessenvertretungen und der Verantwortlichen in den Kommunen“. Fröhlich verneint eine Doppelbesetzung, sieht „in der finanzierenden Quelle das hauptausschlaggebende Argument“. Sie hoffe, „dass sich beide Funktionen ergänzen“.

Beobachter wittern Versorgungsposten für Beamte und aussortierte Politiker. Sachsens CDU hatte ihren Europaparlamentarier Winkler bei der Wahl 2019 überraschend nicht mehr als Spitzenkandidat nominiert. Brisant auch: Just derselbe Politiker hatte 2011 die Schließung des Dresdner Flughafens angeregt, weil sich Sachsen keine zwei Airports leisten könne.

Lärm ist allgegenwärtig: auch auf der Straße und auf der Schiene, etwa im Elbtal. Hätte man nicht gleich jemanden branchenübergreifend beauftragen können? „Damit wäre eine Stelle überfordert“, sagt Fröhlich auf die Frage der SZ. Die Idee sei aber „an Bord“ und eine spätere Adaption von Puchmüllers Erfahrungen möglich.