Die Sächsische Schweiz ist ein beliebtes Wandergebiet. Das ist nicht erst seit dem Supersommer 2020 klar. Unzählige Wege - große bekannte oder kleine idyllische, markierte und nicht markierte - führen die Wanderer ans Ziel. Doch damit könnte bald Schluss sein. Eine neue Rechtsverordnung sieht vor, dass Wege, die bis Ende 2022 nicht im Straßenbestandsverzeichnis eingetragen und damit öffentlich gewidmet sind, als Privatwege behandelt werden. Mit weitreichenden Konsequenzen. Kartograph Rolf Böhm aus Bad Schandau hat für Sebnitz, Hohnstein, Bad Schandau und Lohmen Listen mit den in Frage kommenden Wegen aufbereitet. Die Städte sollen nun prüfen, welche Wege bereits in ihrem Bestand, also öffentlich gewidmet sind und welche nicht. Dann sollen sie überlegen, welche noch aufgenommen werden sollen. So seine Empfehlung.
Beispiel Brandstraße in Hohnstein. Diese führt zur bei Touristen beliebten Brand-Aussicht mitten durch den Nationalpark. Schlimmstenfalls könnte sie, weil nicht als Wanderweg ausgewiesen, gesperrt werden.
Kommunen sollen ihr Wegenetz prüfen
Der Bad Schandauer Kartograf Rolf Böhm, dem Wege eine Herzensangelegenheit sind, ahnt Schlimmes vor allem für Wege im Nationalpark. Seit Jahren befürchtet er Einschnitte in das Wanderwegenetz im Nationalpark. "Diese Rechtsklarstellung ist an sich zu begrüßen, im Nationalpark aber Anlass zur Sorge. Wege in dem Gebiet können dann schnell einmal gesperrt werden, auch ohne jetzt noch erforderliche Abstimmungen", sagt er.
Aus diesem Grund ist er auch der Bitte des Hohnsteiner Ortschaftsrates nachgekommen und hat sich speziell das Wanderwegenetz im Nationalparkgebiet Sächsische Schweiz genauer angeschaut und geprüft, welche Wege öffentlich sind, welche Bedeutung sie haben und ob sie markiert sind. Herausgekommen ist eine Wegeliste extra für jede Kommune. "Ich möchte anregen, dass die betreffenden Städte und Gemeinden diese Wege in ihrem Straßenbestandsverzeichnis nachschlagen, und sofern diese dort noch nicht verzeichnet sind, als bedingt öffentliche Wege laut Sächsischem Straßengesetz einzutragen", sagt Rolf Böhm. Sonst könnten sie vom jeweiligen Eigentümer - das ist oft der Nationalpark - leichter als heute gesperrt werden.

Wie viele Wege wo betroffen sind
Um nachzuweisen, dass die Wege bereits am Stichtag 22. Januar 1993, so will es die neue Verordnung, öffentliche Wege waren, hat er aus den Erstauflagen seiner Karten und anderen Unterlagen Wegelisten zusammengestellt. Insgesamt 308 wichtige Wege im Nationalparkgebiet Sächsische Schweiz hat Rolf Böhm erfasst. 114 Wege befinden sich im Gemeindegebiet von Bad Schandau, 54 in Hohnstein, 25 in Lohmen und 115 auf Sebnitzer Gemeindegebiet. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass von den 308 Wegen 95 markiert sind, etwa 30 Prozent. 213 Wege tragen nach seiner Prüfung keine Markierung. Das sind 70 Prozent der Wege, welche öffentlich gewidmet werden müssten, um nicht zu Privatwegen zu werden.
Das kommt auf die Kommunen zu
Die Stadt Hohnstein hat als erste Stadt einer Debatte darüber zugestimmt. Rolf Böhm hat für das Gemeindegebiet 54 Wege erfasst. Davon sind 14 markierte Wege, allesamt Hauptwanderwege wie eben auch die Brandstraße. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, in Hohnstein müsste man überlegen, ob die Stadt die restlichen Wege öffentlich widmen will.
Bürgermeister Daniel Brade (SPD) ist skeptisch. "Sobald ein Wanderweg als solcher ausgezeichnet ist, bin ich als Stadt verkehrsrechtlich zuständig. Konkret heißt das, wir wären unter anderem für Mauern und Brücken zuständig. Ist etwas nicht in Ordnung, kann die Nationalparkverwaltung auf uns zeigen", sagt der Bürgermeister.
Ähnliche Bedenken hat auch Hohnsteins Bauamtsleiter Alexander Hentzschel. Wenn man alle aufgeführten Wege in das Straßenbestandsverzeichnis aufnehme, wäre die Stadt der Baulastträger. "Wenn einem Wanderer etwas passiert und der nimmt sich einen pfiffigen Anwalt, sind wir dran. Die Stadt wird dann die Wege sperren müssen, die nicht in Ordnung sind", sagt er. Die Nationalparkverwaltung könne sich entspannt zurücklehnen - und andere wären der Buhmann.
Im Hohnstein Stadtrat wird das Thema unterschiedlich gesehen. Katja Dwaronat (Liste CDU) denkt, dass man differenzierter vorgehen sollte. "Ich denke, wir müssen nicht jeden Weg erhalten", sagt sie. Matthias Harnisch (UWV) empfiehlt dagegen, doch einige Wege zu sichern, vor allem die die als Wirtschaftswege genutzt werden. Und Stadtrat Ralph Lux (UWV) gibt zu Bedenken: "Mich stört, dass das Wegenetz mehr und mehr ausgedünnt wird. Wenn es mehr Wege gibt, verläuft sich auch der Besucherstrom besser." Beschäftigen müssen sich die Kommunen auf jeden Fall mit dem Thema, so sieht es die Rechtsverordnung vor.
Was der Nationalpark dazu sagt
Die Position des Nationalparks ist klar. Es wird auf das mit den Wander- und Kletterverbänden abgestimmte Wegekonzept verwiesen. Darin heißt es zum Beispiel, dass schon jetzt ausgewiesene Wanderwege möglichst wieder freigeschnitten und bei Erfordernis instandgesetzt werden, aber eben nur die ausgewiesenen Wanderwege. Die Nationalparkverwaltung sagt auch, dass sich das Wegenetz den Bedürfnissen von Mensch und Natur anpassen muss.
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