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Naturschützer fordern Boof-Verbot im Nationalpark

Das Draußenschlafen hat in der Sächsischen Schweiz eine lange Tradition. Der BUND sieht die Natur gefährdet - und will den Tourismus generell begrenzen.

Von Dirk Schulze
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Polizisten und Nationalpark-Ranger kontrollierten im Sommer 2020 die zugelassenen Boofen. Es ging vor allem um illegale Feuer.
Polizisten und Nationalpark-Ranger kontrollierten im Sommer 2020 die zugelassenen Boofen. Es ging vor allem um illegale Feuer. © Archivfoto: Daniel Schäfer

Fast wirkte es so, als ob die Wogen sich geglättet hätten. Nach monatelangem Streit um versperrte Wanderwege im Nationalpark Sächsische Schweiz war der Ton fast schon harmonisch. Vom Sächsischen Bergsteigerbund (SBB) wurde die Nationalparkverwaltung zuletzt sogar ausdrücklich gelobt. Neun bedrohte Wege befinden sich derzeit in der naturschutzrechtlichen Prüfung. Wenn nichts dagegen spricht, können dort ab Ende August gefährliche Borkenkäferfichten gefällt werden.

Zumindest verbal grätscht nun der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) dazwischen. Anders als Politiker und Touristiker im Elbsandsteingebirge fordert die Umweltschutzorganisation nicht mehr, sondern weniger Zugang in das geschützte Gebiet. "Der BUND Sachsen warnt vor einer schleichenden Zerstörung des Nationalparks Sächsische Schweiz, wenn Tourismus und Bewirtschaftung keine Grenzen gesetzt werden", erklärt der Verband per Pressemitteilung.

Der BUND verweist auf Biotope mit extrem seltenen Urwaldreliktarten im Nationalpark, von denen einige deutschlandweit nur hier vorkommen sowie auf sinkende Bruterfolge bei Schwarzstorch, Wanderfalke und Uhu. Dem stünden massenhaft falsch geparkte Autos, illegal begangene Pfade und geschätzt 20.000 Übernachtungen im Freien pro Jahr gegenüber.

BUND will weniger Wanderwege

Der Nationalpark stehe am Scheideweg, erklärt Felix Ekardt, der Vorsitzender des BUND in Sachsen: "Soll die Sächsische Schweiz ein Spaßpark oder ein Nationalpark sein?" Für den BUND ist die Antwort klar. Der Verband will stärkeren Schutz für die Natur und macht dafür einen ganzen Katalog an Forderungen auf:

Die beiden räumlich getrennten Teilflächen des Nationalparks sollen durch einen Korridor miteinander verbunden werden. Das Wegenetz soll auf den Prüfstand "mit dem Ziel, es deutlich zu reduzieren, um mehr Ruhezonen zu schaffen".

Baumfällungen sollen "auf das absolut Nötigste begrenzt werden". Für Kletterer sollen größere Abstände zu den Brutplätzen gelten. Und: freie Übernachtungen im Nationalpark - das Boofen - sollen laut dem BUND "deutlich eingeschränkt und langfristig ausgeschlossen werden".

Nun ist das Boofen eine speziell sächsische Angelegenheit. Dass in einem Nationalpark im Freien übernachtet werden darf - erlaubt ist es nur an offiziell dafür ausgewiesenen Stellen - ist deutschlandweit einmalig. Seinen Ursprung hat das Boofen in der sächsischen Kletterkultur. Längst hat sich das Draußenschlafen in der Sächsischen Schweiz aber zu einer eigenen Attraktion entwickelt und ist in seiner Masse zum Problem geworden - mit Begleiterscheinungen wie Müll, Fäkalien und Waldbränden.

Boofen soll seit Jahren neu geregelt werden

Nur ein Bruchteil der Boofer sind heute noch Bergsteiger. Bei der letzten offiziellen Erhebung im Jahr 2017 ging die Nationalparkverwaltung von 21.000 Übernachtungen pro Saison im Schutzgebiet aus, ein Drittel davon an illegalen Stellen. Artenschutzexperten erklären, dass durch das große Begängnis selbst nachts keine Ruhe im Wald einkehrt - zum Leidwesen der Wildtiere.

Nachdem es in der Saison 2018 im Nationalpark zu 19 Waldbränden gekommen war, ging die Polizei im Sommer 2019 gar mit per Hubschrauber auf die Jagd nach illegalen Feuerstellen im Wald. Auch im 2020 gab es gemeinsame abendliche Streifen von Nationalpark-Rangern und Polizisten.

Eine Neuregelung des Freiübernachtens war in den vergangenen Jahren immer wieder im Gespräch. Schon 2019 wurde unter anderem über personalisierte Tickets diskutiert: Jeder, der in einer der 58 zugelassenen Freiübernachtungsstellen schlafen möchte, müsste sich dafür vorab mit Namen und Adresse registrieren. Umgesetzt wurde das bisher aber nicht.

Laut Informationen von Sächsische.de gibt es aktuell eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus dem sächsischen Umweltministerium, der Nationalparkverwaltung und dem Sächsischen Bergsteigerbund (SBB), in der mögliche Lösungen für das Boofen diskutiert werden. Spruchreif ist dem Anschein nach noch nichts.

Angriff auf Wegekonzept im Nationalpark

Zu den Forderungen des BUND möchte sich der Bergsteigerbund offiziell am liebsten gar nicht äußern. Die Antwort würde in fachlicher Hinsicht ungewöhnlich scharf ausfallen, heißt es aus SBB-Kreisen. Die Bergsteigervertreter sind vor allem vergrätzt, weil sie sich selbst auch als Naturschützer verstehen. Zum Schutz des Wanderfalken werden jedes Frühjahr eine ganze Reihe an Klettergipfeln gesperrt (Horstschutzzonen), in Abstimmung mit der Nationalparkverwaltung gibt es Ehrenamtler des SBB, die die Brutplätze der Wanderfalken bewachen.

Zudem greift der BUND mit seiner Forderung das Wegenetz zu reduzieren den sensibelsten Punkt überhaupt im Nationalpark an: das Wegekonzept. Welche Wege begangenen werden dürfen und welche nicht, wird seit über 20 Jahren in der AG Wege geregelt, in der Nationalparkverwaltung, Bergsteiger, Wanderer, Touristiker und Bürgermeister der Sächsischen Schweiz zusammensitzen. Während des Streits um unpassierbare Wanderwege in den vergangenen Monaten hatte Nationalparkleiter Ulf Zimmermann immer wieder betont, dass am generellen Wegekonzept nicht gerüttelt werde.