Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Pirna

Caspar David Friedrich: Was würde der Wanderer über dem Nebelmeer heute sehen?

In der Sächsischen Schweiz fand der Maler einst Inspiration. Doch so wie auf dem Gemälde, existiert der Ausblick gar nicht. Dabei wurde erst kürzlich freigeschnitten.

Von Dirk Schulze
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Wanderin ohne Nebelmeer. Der Fels am Aufgang zur Kaiserkrone ist ein beliebtes Fotomotiv.
Wanderin ohne Nebelmeer. Der Fels am Aufgang zur Kaiserkrone ist ein beliebtes Fotomotiv. © Mike Jäger

Der Fels, auf dem der Wanderer steht, befindet sich am Aufgang zur Kaiserkrone in der Sächsischen Schweiz. Dass Caspar David Friedrich genau diesen Sandsteinblock als Vorbild wählte für die Kuppe, auf der er die Figur für sein heute berühmtestes Gemälde "Der Wanderer über dem Nebelmeer" postierte, ist unstrittig. Es existiert eine Skizze von 1813, auf der Friedrich die markante Felsformation festhielt.

Heute ist die Felsgruppe eine Station auf dem Caspar-David-Friedrich-Weg, der von Krippen über Schöna und Reinhardtsdorf führt und auf dem Wanderer den Inspirationsquellen des Künstlers nachspüren können. Anlässlich des 250. Geburtstags von Friedrich in diesem Jahr wurde der 15 Kilometer lange Rundweg aufgehübscht und mit neuen Infotafeln beschildert. Die Wanderer-Pose auf dem Stein ist ein beliebtes Fotomotiv.

Auf diesem Weg war unlängst auch Götz Döring aus Dresden unterwegs, der sich allerdings über die aus seiner Sicht mangelnde Aussicht an besagter Felsgruppe am Fuße der Kaiserkrone ärgert. Ob denn Landratsamt, Gemeinde und Sachsenforst sich zum Jubiläumsjahr dazu entschließen könnten, den Blick freizuschneiden?, fragt er in einer Mail an Sächsische.de. Rosenberg und Zirkelstein - die beiden Gipfel, auf die der Wanderer in Friedrichs Gemälde wahrscheinlich in der Ferne blickt, sind nach seiner Schilderung von Blättern verdeckt.

Zirkelstein ist zu sehen, Rosenberg nicht

Tatsächlich hat die Gemeinde einiges freigeschnitten, wie Andreas Heine (Wählervereinigung 94), der Bürgermeister von Reinhardtsdorf-Schöna bei einem Ortstermin erklärt. Rings um den Felsblock, der von den Einwohnern auch Affenstein genannt wird, wurden noch vor Saisonbeginn eine ganze Reihe an Sträuchern und Birken weggesägt.

Das passierte nach fachlicher Absprache mit dem Sachsenforst und im Einvernehmen mit den Eigentümern, denn die Flächen an der Kaiserkrone gehören sämtlich verschiedenen privaten Besitzern. Die Gemeinde hat die Arbeiten erledigt und finanziert.

Wer seitlich rechts auf den Fels an der Kaiserkrone klettert, kann den Zirkelstein sehen.
Wer seitlich rechts auf den Fels an der Kaiserkrone klettert, kann den Zirkelstein sehen. © Dirk Schulze

Wer seitlich rechts auf den Felsen klettert, kann den Zirkelstein jetzt sehen. Dies sei vorher nicht möglich gewesen, erklärt Heine. Eine Wand aus Blättern habe ihn verdeckt. Linker Hand hingegen überragen zwei größere Eichen die Felsformation. Der weiter entfernt im Böhmischen liegenden Rosenberg (Růžovský vrch) ist deshalb nicht zu erblicken.

Die Felsgruppe am Aufgang zu Kaiserkrone ist eine Station auf Caspar-David-Friedrich-Weg.
Die Felsgruppe am Aufgang zu Kaiserkrone ist eine Station auf Caspar-David-Friedrich-Weg. © Mike Jäger

Die Eichen stehen auf einem Privatgrundstück unterhalb des Felsens und noch dazu am Hang. Durch die Hanglage und die Nähe zu Wohnhäusern sei es nicht ganz ungefährlich die Bäume umzulegen, erklärt der Bürgermeister, auf jeden Fall wäre größere Technik nötig.

Die Gemeinde hält es allerdings nicht für erforderlich, die Eichen zu fällen. "Wir wollen keinen Kahlschlag an der Kaiserkrone", sagt Andreas Heine. Mit großem Aufwand hat die Reinhardtsdorf-Schöna weiter unten am Elbhang rund 150 abgestorbene Fichten fällen lassen, um einen neuen Teilabschnitt für den Caspar-David-Friedrich-Weg zu realisieren.

Ausblick des Gemäldes ist nicht real

Wer hofft, an der Kaiserkrone exakt den Ausblick zu finden, den Caspar David Friedrich auf seinem Gemälde gezeichnet hat, der unterliegt ohnehin einem Irrtum. Dieser Blick existiert schlicht nicht. "Man kann nicht auf diesen Stein steigen und den Blick eins zu eins nachvollziehen", erklärt der Dresdner Gästeführer und Friedrich-Kenner Albrecht Hoch. Der Maler habe zwar vor Ort einzelne Skizzen angefertigt, diese dann aber später im Atelier frei zusammengefügt. Seine Gemälde sind Kompositionen, keine Abbilder der Realität.

Caspar David Friedrich: "Der Wanderer über dem Nebelmeer". Das Gemälde ist eine Komposition aus verschiedenen Skizzen.
Caspar David Friedrich: "Der Wanderer über dem Nebelmeer". Das Gemälde ist eine Komposition aus verschiedenen Skizzen. © dpa

Oben vom Gipfel der Kaiserkrone sind Rosenberg und Zirkelstein zu sehen, der Zirkelstein ist dann aber im Vergleich zum Gemälde viel zu nah am Betrachter. Ein ähnliches Panorama findet sich am benachbarten Wolfsberg in Reinhardtsdorf, ebenfalls eine Station auf dem Caspar-David-Friedrich-Weg. Dort aber sind die Seiten vertauscht: der Zirkelstein befindet sich aus dieser Perspektive links des Rosenbergs.

Blick vom Wolfsberg in Reinhardtsdorf-Schöna: Links hinten der Kaltenberg, in der Mitte der Zirkelstein, rechts der Rosenberg.
Blick vom Wolfsberg in Reinhardtsdorf-Schöna: Links hinten der Kaltenberg, in der Mitte der Zirkelstein, rechts der Rosenberg. © Mike Jäger

"Wir haben heute unsere Schwierigkeiten damit, dass wir alles genau zuordnen wollen. Dies bei Friedrichs Gemälden zu tun, heißt aber, den Maler gründlich zu verkennen", schreibt Frank Richter in seinem Buch "Caspar David Friedrich: Spurensuche im Dresdner Umland und in der Sächsischen Schweiz". Laut dem Experten und Mitinitiator des Rundwegs entspricht die Darstellung von Rosenberg und Zirkelstein auf dem Gemälde dem Fernblick von der Basteiaussicht. Der Maler hat die Gipfel gewissermaßen herangezoomt.

Die Felsformationen im Mittelgrund des Bildes regen weiterhin den Forscherdrang an. Die Felsgruppe links des Wanderers wurde anhand von Skizzen bisher am Gamrig bei Rathen verortet. Gerd Englick, früher Ortsvorsteher in Krippen und ebenfalls Mitinitiator des Rundwegs, hat jüngst den Vorderen Torstein bei Postelwitz als Alternative ins Spiel gebracht. In der Formation rechts des Wanderers sieht Englick Ähnlichkeiten zum Honigsteinmassiv.

Der Caspar-David-Friedrich-Weg startet am Elbufer in Krippen. Wanderer sollten etwa fünf Stunden einplanen. Der Einstieg ist auch in Reinhardtsdorf-Schöna möglich, dort gibt es einen kostenlosen Wanderparkplatz am Gemeindeamt.