Warum wurde die Hintere Sächsische Schweiz ausradiert?

Heiko Hesse von der Kräuterbaude Am Wald in Saupsdorf ist keiner, der den Kopf in den Sand steckt. Eine Idee hat er immer. Auch dieses Mal. Doch wenn er jetzt in seine Gaststätte schaut, hat er Angst um seine Zukunft und die einer ganzen Branche.
Vor allem in der Hinteren Sächsischen Schweiz fehlen die Gäste. Nach der coronabedingten Einschränkungen ging es eigentlich bergauf. Aber nun hat er an manchen Tagen nur acht Kunden im Lokal. Und damit ist er nicht allein. Auch anderen Gastronomen geht es ähnlich. Einige haben zum Beispiel zusätzliche Ruhetage eingeführt, andere öffnen nur an den Wochenenden bereits mittags, andere schließen schon 20 Uhr. Der Anfang vom Ende?
Die Kirnitzschtalbahn ist zwar vor allem an den Wochenenden proppevoll. An ihrer Endhaltestelle am Lichtenhainer Wasserfall spuckt sie in kurzen Abständen Hunderte Touristen aus. Auch der Parkplatz am Nationalparkbahnhof in Bad Schandau ist schon morgens rappelvoll. In der Hinteren Sächsischen Schweiz kommen die Gäste aber nicht an. Gastwirt Heiko Hesse hat gegrübelt und gegrübelt. Mittlerweile ist er sich sicher. "Es ist eindeutig die Negativwerbung. Das ist absolut geschäftsschädigend. Gerade in der jetzigen Situation spielt Werbung eine große Rolle", sagt er. Und spielt konkret auf einen Werbeflyer an mit den zehn schönsten Wanderempfehlungen im Nationalpark Sächsische Schweiz. Dieser stammt vom Mai 2021 und wurde mit einer Auflage von 30.000 Stück in Umlauf gebracht. Eine Aktualisierung gibt es offenbar nicht.
Hintere Sächsische Schweiz wie ausradiert
Das gesamte Gebiet der Hinteren Sächsischen Schweiz von Hinterhermsdorf bis zum Winterberg ist mit einer schraffierten Fläche versehen. Wanderwege sind in diesem Gebiet nicht erkennbar. Vielmehr heißt es in der Erklärung, dass es sich um ein Gebiet mit erhöhter Baumsturzgefahr handelt. "Durch viele abgestorbene und abbrechende Bäume besteht zurzeit in der Hinteren Sächsischen Schweiz Lebensgefahr. Unsere Wanderempfehlungen enthalten deshalb keine Wege in diesen Bereichen, die ein besonders starkes Gefahrenpotenzial berge", heißt es aus der Nationalparkverwaltung. Für die Vermieter und Gastwirte in diesem Gebiet sei aber genau das der springende Punkt. "Welcher Urlauber kommt in ein gefährliches Gebiet? Keiner. Aber 85 Prozent aller Wege sind wieder begehbar. Also kann dort ja auch gewandert werden", sagt Hesse.

Mit dieser Kampagne allerdings verunsichere man die Gäste. Ein Blick in die aktuellen Wegsperrungen der Nationalparkverwaltung zeigt, dass nur noch einige wenige Bergpfade nicht genutzt werden dürfen und zwei Wanderwege in der Hinteren Sächsischen Schweiz. Eindeutig vergraule man damit die Besucher. "Hat denn einmal jemand an unsere Branche gedacht? Kosten für die Wareneinkäufe, für Strom, für Gas, für - alles steigt. Wenn keine Gäste mehr kommen, beginnt hier in der Hinteren Sächsischen Schweiz bald die Pleitewelle", ist er sicher. Um das zu verhindern, plant er eine eigene Werbeaktion. Seine Frau Janet Hofmann bietet seit Längerem Kräuterwanderungen mit anschließender Verkostung an. Er selbst ist als zertifizierter Nationalparkführer mit Wander- und Radgruppen grenzüberschreitend unterwegs. Außerdem ist die Kräuterbaude auch auf der Grünen Woche in Berlin vertreten. Einfach, um für die Sächsische Schweiz zu werben, sagt er. Denn hier gehe es schließlich nicht nur um sein Haus.
Dehoga-Chef Axel Klein bestätigte unlängst die aktuell schwierige Situation in der Gastronomie. Auch ihm würde die langfristige Perspektive Sorgen bereiten. Die Pandemie habe das Personalproblem verschärft. Nach seinen Schätzungen seien sachsenweit mehr als zehn Prozent der Mitarbeiter gegangen. Manche Unternehmer hätte pandemiebedingt Schulden angehäuft. Dazu komme die unklare Corona-Lage im Herbst und die Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Er kommt zu dem Schluss, dass das Kneipensterben schleichend weitergehe.
Schnelle und kurzfristige Lösungen gefragt
Auch ein Ausblick auf die nächsten Monate macht dem Kräuterbaudenwirt kaum Hoffnung. Im vergangenen Jahr habe man coronabedingt zwar erst im Juni öffnen dürfen. Da seien die Zimmer ausgebucht gewesen. Davon könne man jetzt nur träumen. Man haben die schlechtesten Zahlen und Umsätze, etwa vergleichbar mit den Jahren 2011 und 2012.
Damit in der Hinteren Sächsischen Schweiz wieder Gäste ankommen, brauche es kurzfristige Lösungen. Und da hat der umtriebige Wirt auch eine Idee. Auf den Parkplätzen entlang des Kirnitzschtales sollten Tafeln mit Ausflugsempfehlungen für den nächstgelegen Parkplatz aufgebaut werden. "Ist einer voll, werden die Gäste automatisch auf den nächsten gelenkt. Das geht schnell und wäre eine kurzfristige Lösung", sagt er. Für die Sächsische Schweiz ist zwar ein Besucherleitsystem in Arbeit. Bis dies fertig ist, wird noch einige Zeit vergehen. "Zeit, die wir Gastwirte hier aber nicht haben."