Hoffnung für Wanderwege in der Sächsischen Schweiz

Der Greifer der Maschine packt die Fichte unten am Stamm. Ein kurzes Sägen, dann kippt der Baum lautlos den Hang hinunter und schlägt krachend auf. Ratzfatz hat der Harvester die ausgewachsene Fichte umgelegt. Tot war sie freilich schon vorher. Das haben drei Jahre Dürre und der Borkenkäfer besorgt.
Das gefällte Holz bleibt hier im Nationalpark Sächsische Schweiz im Wald liegen. Alle paar Meter wird ein Stamm in zwei, drei Metern über dem Boden abgesägt, sodass ein Hochstubben stehen bleibt. Das ist in etwa die Höhe, auf der die Käferfichten auch bei natürlichem Verfall wegbrechen, erklärt Revierförster Matthias Protze. Das Totholz und die Hochstubben sind Lebensraum und Nahrung für Insekten und Pflanzen, aus ihnen soll die nächste Generation Wald erwachsen. Wenn hin und wieder ein Stück Stamm stehen bleibt, sieht es außerdem nicht ganz so schlimm nach Kahlschlag aus.
Nationalpark-Revierleiter Protze führt an diesem Nachmittag Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne), Forstkollegen und Journalisten durch seinen Wald bei Hinterhermsdorf. Seit Mitte August ist die gesetzlich geschützte Brut- und Aufzuchtzeit der Vögel im Nationalpark vorbei, nun dürfen wieder größere Eingriffe stattfinden. Der Minister ist zum Auftakt vor Ort. Nachdem der Nationalpark, der dem Umweltministerium untersteht, in den vergangenen Monaten viel Kritik wegen versperrter Wanderwege einstecken musste, lautet die Botschaft: Wir tun etwas.

Zunächst geht es an den Rettungswegen weiter, den breiten Forststraßen durch das Nationalparkgebiet. Aktuell sind Harvester auf der Hollstraße bei Hinterhermsdorf und entlang der Kirnitzsch im Einsatz. Die toten Fichten werden hier auf etwa 30 Metern links und rechts der Wege umgelegt, damit sie diese nicht blockieren. Bergwacht, Feuerwehr und Rettungswagen sollen bei Einsätzen freie Bahn haben.
Diese Wanderwege werden freigesägt
Umweltminister Günther hat aber auch handfeste Neuigkeiten zu verkünden: In den kommenden Monaten darf an acht kleineren Wanderwegen gesägt werden. Das hat die naturschutzrechtliche Prüfung durch die Landesdirektion Sachsen ergeben. Damit ist eine der Forderungen des Sächsischen Bergsteigerbundes (SBB) weitgehend erfüllt. Der SBB hatte in einem Stufenplan zehn Wege für ein vorsorgliches Freischneiden vorgeschlagen.
Konkret handelt es sich um folgende Wege: Alte Kuhstallstraße, Hohlfelds Graben, Quenenweg, Roßsteig, Heringsgrund, Lehne, Schießgrund und Schrammsteinweg.
Entlang dieser Wanderpfade werden die bruchgefährdeten Fichten in einer Tiefe von zehn bis 15 Metern vorsorglich gefällt. Insgesamt geht es um eine Strecke von rund vier Kilometern. Die Eingriffe sollen Nadelöhre und Sackgassen an den Wanderwegen verhindern, erklärt Nationalparkleiter Ulf Zimmermann. Bis März 2022 sollen die Arbeiten erledigt sein.
Schreitbagger kommt wieder
Eine weitere Neuigkeit: Der Testlauf mit einem Schreitbagger im Nationalpark wird als Erfolg gewertet. "Die Maschine hilft und kann sehr naturschonend eingesetzt werden", sagt Nationalparkchef Ulf Zimmermann. Das Spezialgerät mache es möglich, zugebrochene Wege aufzuschließen, die mit herkömmlicher Technik nicht erreichbar sind und auf denen es für Waldarbeiter zu gefährlich ist.

Ein Schreitbagger ist kleiner und wendiger als ein Harvester, vor allem aber kann er an extrem steilen Hängen arbeiten und auch größere Hindernisse überwinden. Für die felsigen Pfade im Elbsandsteingebirge ist das ideal. Auch im ebenfalls borkenkäfergeplagten Harz kam eine solche Maschine schon zum Einsatz.
Die Nationalparkverwaltung hatte unlängst ein Forstunternehmen aus Nordrhein-Westfalen für einen zweiwöchigen Testlauf engagiert. Mit seinem Schreitbagger konnte es unter anderem einen blockierten Abschnitt des Malerwegs freischneiden. Daraus soll nun eine längerfristige Zusammenarbeit werden. In Zukunft soll der Schreitbagger in regelmäßigen Abständen in der Sächsischen Schweiz im Einsatz sein, kündigte Nationalparkchef Zimmermann an.
Günther: Im Nationalpark hat die Natur Vorrang
Generell stellte Umweltminister Günther die Bedeutung des Nationalparks als höchste Form des Naturschutzgebiets heraus. "Hier hat die Natur mit ihren Prozessen das Primat." Gleichzeitig wisse er um die Bedeutung dieser einzigartigen Landschaft für das Naturerleben und den Tourismus. Jedoch seien die Besucherströme in den letzten Jahren erheblich größer geworden - und damit auch die Belastung.
Angesprochen auf die jüngste Forderung des Umweltverbands BUND nach einer Reduzierung des Wegenetzes im Nationalpark sagte Günther: "Das Wegekonzept gilt." Es sei jedoch wichtig, dass auch solche Fragen aufgeworfen werden und die Forderung nach mehr Ruhezonen für Tiere und Pflanzen in die Diskussion einfließt.
Nationalpark will Besucher lenken
Die Nationalparkverwaltung arbeitet derzeit an einem neuen Konzept zur Besucherlenkung, erklärte Leiter Ulf Zimmermann. Das soll bis zur kommenden Saison stehen. Das Ziel ist der Schutz seltener Arten wie Schwarzstorch, Uhu oder Wanderfalke.
Dies könnte bedeuten, dass bestimmte Bereiche in der Kernzone vorübergehend nicht zugänglich sind - ähnlich wie es bereits bei den temporär gesperrten Kletterfelsen gehandhabt wird. Andere, weniger sensible Bereiche hingegen könnten für Besucher attraktiver gestaltet werden. Entschieden werden soll darüber gemeinsam in der AG Wege, in der Nationalparkverwaltung, Bergsteigerbund, Tourismusverband und Bürgermeister zusammensitzen.
Nationalparkchef Zimmermann beschrieb den Nationalpark als eine Art Versuchslabor. Aktuell wisse noch niemand, welche Baumarten mit dem veränderten Klima in Mitteleuropa am besten zurechtkommen. Im Nationalpark könne man beobachten, wie die Natur sich ohne menschliches Zutun selbst hilft und welche Arten sich unter den neuen Bedingungen am besten entwickeln.