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Kommt jetzt der Turbo-Frühling?

Das große Bibbern ist vorerst vorbei, es wird milder. Drohen nun eine rasche Schneeschmelze und Hochwasser im Kreis SOE?

Von Thomas Möckel
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Nadine und Ulf aus Pirna nahmen am Valentinstag ein Sonnenbad im Schnee am Schlosshang. Nun aber wird es wärmer, die weiße Pracht geht dahin.
Nadine und Ulf aus Pirna nahmen am Valentinstag ein Sonnenbad im Schnee am Schlosshang. Nun aber wird es wärmer, die weiße Pracht geht dahin. © Daniel Förster

Diese Wetterlage war eine ganz spezielle. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hatte es im Januar und Februar heftig geschneit, dazu war es knackig kalt. Auch andere Regionen waren reichlich mit Schnee bedeckt. In den Kammlagen des Erzgebirges, des Böhmischen Mittelgebirges und des Riesengebirges türmte sich die weiße Pracht bis zu 1,50 Meter hoch. Dann wurde es im März schlagartig warm, die Temperaturen stiegen sprunghaft vom Minusbereich auf plus 15 Grad. Hinzu kamen starke Regenfälle. Es ist das Jahr 2006.

Die Folge damals: Der Schnee schmolz rasch, Schmelz- und Regenwasser flossen enorm schnell in die Flüsse, was deren Pegel gewaltig anschwellen ließ - bis zu einem ausgereiften Frühjahrshochwasser. Am 3. April erreichte die Elbe in Schöna mit 8,88 Meter ihren höchsten Stand, in Pirna lag der höchste Pegel bei 8,03 Meter.

Diese Ereignisse brachen im März und April 2006 über die Region herein, fast 15 Jahre ist das jetzt her, einen sanften Übergang vom Winter zum Frühling gab es damals nicht.

Nun liegt auch derzeit reichlich Schnee, in den nächsten Tage wird es stetig wärmer, weshalb sich die Frage stellt: Kommt jetzt erneut ein solcher Turbo-Frühling mit Überschwemmungen?

Temperaturen pegeln sich über dem Gefrierpunkt ein

Fest steht zumindest: Das große Bibbern ist vorerst vorbei, wobei der Schneefall und die Kälte in den zurückliegenden Wochen aus Sicht der Fachleute keine besondere Wetterlage darstellten. "Frost und schneereiche Tage, so gehört sich das nun einmal für den Winter", sagt Jens Oehmichen, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Leipzig. Temperaturen bis minus 15 Grad seien dabei nicht ungewöhnlich. Viele empfänden das nur als besonders, weil es solche Winter in den vergangenen Jahren nicht gab.

Nun wird es allmählich wärmer, aber die Wetterlage ist nicht vergleichbar mit jener von 2006. Der Montag und die darauffolgende Nacht, sagt Oehmichen, sei vorerst die letzte Periode mit Dauerfrost gewesen. Bereits am Dienstag setzte Tauwetter ein, die Temperaturen kletterten leicht in den Plusbereich. So geht es auch in den kommenden Tagen weiter.

Laut des Wetter-Experten liegen die Temperaturen in den Kammlagen des Landkreises tagsüber leicht über null Grad, in tieferen Lagen - beispielsweise im Elbtal - deutlich über dem Gefrierpunkt, sie pegeln sich bei fünf bis sieben Grad ein.

Am Wochenende zweistellige Plusgrade möglich

Nachts kann es hingegen durchaus noch einmal Frost geben, mit der Folge, dass örtlich ablaufendes Tauwasser gefriert und stellenweise für Glätte sorgt. "Diese Gefahr besteht noch die ganze Woche", sagt Oehmichen.

Gleichwohl steigen die Temperaturen weiter, wenn auch moderat, hinzu kommt ab und an leichter Regen. Allerdings schafft es die Quecksilbersäule in der Woche nicht über zehn Grad, erst am Wochenende sind zweistellige Plusgrade möglich.

"Es entwickelt sich alles gerade sehr verhalten, und es sieht derzeit nicht nach einem Turbo-Frühling aus", sagt der Meteorologe. Demzufolge würde auch kein dramatisches Tauwetter einsetzen, der Schnee schmelze eher langsam.

Akute Hochwassergefahr besteht derzeit nicht

Nach Aussage des sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zeichne sich ab, dass der begonnene Tauprozess in zwei Stufen ablaufen werde. Zunächst setzt er nur im Tiefland unterhalb von 300 Metern ein. "Wir rechnen mit einem sehr moderaten Tauprozess, da sich die Temperaturen bis Donnerstag im einstelligen Bereich bewegen und keine größeren Niederschlagsmengen erwartet werden", sagt Landesamt-Sprecherin Karin Bernhardt.

Zwar können man in den Flüssen beobachten, dass die Wasserstände auf das Schmelzwasser reagieren. Aus Sicht des Landeshochwasserzentrums bestehe aber derzeit keine akute Hochwassergefahr.

Diese Situation würde sich nur verschärfen, wenn sich das Temperaturniveau rasant erhöht und es zusätzlich in die Schneedecke regnen würde. Beides ist momentan nicht in Sicht. Eine langfristige Prognose, wie sich die Wasserstände entwickeln werden, könne das Landesamt aber derzeit nicht treffen.

Im mittleren und oberen Bergland setze der Tauprozess laut des Landesamtes aktuell noch gar nicht ein, weil die Temperaturen teilweise noch im Frostbereich liegen. Sie steigen erst in der zweiten Wochenhälfte und am Wochenende spürbar an, weshalb es dann aber auch in den oberen Lagen stark tauen kann.

Wasservorrat im Schnee ist geringer als 2006

Um generell für das Tauwetter gerüstet zu sein, hat Tschechien an den Elbe-Zuflüssen Moldau und Eger regelmäßig die Talsperren entlastet, um ausreichend Stauraum zu schaffen. Diese spezielle Wasserabgabe in Tschechien zeige sich laut Karin Bernhardt derzeit auch an der Elbe. Der Pegel in Schöna lag am Dienstag bei 2,82 Meter, normal wäre in dieser Jahreszeit ein etwas niedrigerer Wasserstand.

Auch die Schnee-Ausgangslage im Einzugsgebiet der Elbe in Tschechien ist diesmal eine andere als 2006. Zwar hat es auch dort ordentlich geschneit, aber der Wasservorrat in der Schneedecke sei nach Aussage des Landesamtes aktuell deutlich geringer als beispielsweise im März 2006.

Derzeit beträgt das sogenannte mittlere Wasseräquivalent - bei dem der Wasservorrat in der Schneedecke errechnet wird - im tschechischen Einzugsgebiet der Elbe bei etwa 25 Liter pro Quadratmeter - 2006 hingegen waren es bis zu 90 Liter je Quadratmeter.

Schmelzwasser versickert auch im Boden

Die Fachleute gehen auch davon aus, dass nicht das gesamte Schmelzwasser oberflächlich und damit in die Flüsse abläuft, sondern auch im Boden versickert. "Die Böden können Wasser aufnehmen, da sie vor dem Schneefall nicht gefroren waren", sagt Karin Bernhardt. Taue der Schnee jetzt langsam, erhöhe sich die Aufnahmefähigkeit des Bodens weiter.

Dieser Feuchtigkeits-Nachschub ist auch dringend nötig, das Niederschlagsdefizit ist inzwischen enorm, der Grundwasserspiegel sank in den letzten Jahren extrem ab, die Fachleute sprechen von einer Grundwasser-Dürre. Das Schmelzwasser könne nach Aussage des Landesamtes dieses Defizit nicht ausgleichen, aber das Problem zumindest etwas abmildern. Um es gänzlich zu beheben, sind weitaus größere Wassermengen erforderlich. Betrachte man laut des Landesamtes die vergangenen drei - viel zu trockenen - Jahre in einer Gesamtheit, fehle inzwischen beinahe ein ganzer Jahresniederschlag.

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