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Die KZ-Außenlager in der Sächsischen Schweiz

Noch kurz vor Kriegsende wollten die Nazis unterirdische Industrieanlagen im Elbsandstein errichten. KZ-Häftlinge mussten dafür schuften.

Von Dirk Schulze
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Betonfundamente für Kompressoren im Polenztal in der Sächsischen Schweiz, errichtet von KZ-Häftlingen.
Betonfundamente für Kompressoren im Polenztal in der Sächsischen Schweiz, errichtet von KZ-Häftlingen. © Steffen Unger

Ein Häftling schildert seine Erlebnisse folgendermaßen: "Die ersten zwanzig Tage mussten wir in einem Steinbruch schuften, dort, wo die Sonne nie scheint. Von den Felsen rann Wasser, das sich in der Mitte zu einem Bach sammelte. Wir lebten gedrängt in Feuchtigkeit. Wir zertrümmerten die Felsen und schufen einen großen Platz für wer weiß welchen Zweck."

Das Geschilderte spielte sich zwischen Februar und März 1945 im KZ-Außenlager Porschdorf ab. Porschdorf war eines von drei KZ-Außenlagern in der Sächsischen Schweiz, die das NS-Regime noch im letzten Kriegshalbjahr errichten ließ. Die beiden anderen befanden sich in Königstein und in Mockethal-Zatzschke. Das Ziel der Nationalsozialisten war es, die Produktion von Flugzeugbenzin in unterirdische Fertigungsanlagen im Elbsandsteingebirge zu verlagern.

Alliierte Luftangriffe hatten die deutsche Rüstungsproduktion erheblich geschwächt. Nach gezielten Bombenangriffen im Mai 1944 auf Werke in Leuna und im nordböhmischen Brüx (Most) war mehr als die Hälfte der Kapazitäten ausgefallen. Ersatz sollten neue Produktionsanlagen unter Tage liefern. Die für den Bau benötigten Arbeitskräfte lieferte die SS aus den Konzentrationslagern.

Das Außenlager Porschdorf

Die drei Lager in der Sächsischen Schweiz waren allesamt Außenstellen des KZ Flossenbürg in der Oberpfalz. Am 3. Februar 1945 wurden 250 Häftlinge aus Flossenbürg nach Porschdorf überstellt, die meisten waren Italiener. Das Außenlager Porschdorf (Projekt "Schwalbe III") befand sich im Sebnitztal in einem alten Steinbruch im Rathmannsdorfer Ortsteil Gluto.

Die Häftlinge sollten im benachbarten Polenztal 23 Stollen in den Sandstein schlagen und diese bis in 155 Tiefe vorantreiben. Das Areal befindet sich heute im Nationalpark Sächsische Schweiz. Außerdem betonierten sie Fundamente für Kompressoren. Diese Betonfundamente sich bis heute vom Wanderweg durch das Polenztal aus zu sehen.

Friedhof Porschdorf: Eine am 29. Oktober 2022 eingeweihte Kriegsgräberstätte erinnert an verstorbene italienische KZ-Häftlinge.
Friedhof Porschdorf: Eine am 29. Oktober 2022 eingeweihte Kriegsgräberstätte erinnert an verstorbene italienische KZ-Häftlinge. © Marko Förster

"Nach Aussage eines ehemaligen Häftlings töteten SS-Bewacher Häftlinge sowohl bei der Arbeit als auch im Lager; ein anderer Zeuge spricht hingegen von zahlreichen Todesfällen durch Entkräftung, allerdings seien die Häftlinge zwar misshandelt worden, es habe aber keine Tötungen gegeben", schreibt der Historiker Ulrich Fritz von der Stiftung Bayerische Gedenkstätten.

Das Außenlager Königstein

Das größte der drei Außenlager in der Sächsischen Schweiz war das in Königstein. Es wurde im November 1944 als erstes von der SS errichtet. Das zweigeteilte Lager befand sich direkt unterhalb der Festung am Standort des heutigen Parkhauses sowie mit 20 Baracken im nahegelegenen Wald. Mehr als 900 Menschen waren hier inhaftiert, mindestens 70 von ihnen starben bis zum März 1945.

Die Königsteiner Häftlinge mussten im Steinbruch Niedere Kirchleite im Ortsteil Strand tiefe Stollen in den Sandstein treiben. Hier wollten die Nazis unweit der Elbe eine riesige unterirdische Hydrieranlage bauen. Unter anderem war ein mehrgleisiger Verschiebebahnhof geplant, einige Häuser in Strand wurden dafür bereits abgerissen.

Die Häftlinge mussten körperliche Schwerstarbeit leisten, zu essen gab es lediglich Rüben mit Wasser und 200 Gramm Brot am Tag. "Die Gefangenen marschierten täglich in die vier bis fünf Kilometer entfernten Steinbrüche, von wo sie nach schweren Erd- und Tunnelarbeiten mit einem bis zwei Steinen in das Lager zurückgehen mussten. Wer keinen Stein trug, wurde geschlagen", schreibt Historiker Ulrich Fritz.

Das Außenlager Mockethal-Zatzschke

Das dritte Außenlager befand sich in Mockethal-Zatzschke nahe Pirna. Hier sollte eine Anlage zur Schmierölherstellung entstehen. In den nahegelegenen Sandsteinbrüchen waren Anlagen zur Destillation von Benzin und Diesel vorgesehen. Am 10. Januar 1945 wurden die ersten 100 Häftlinge hierhin überstellt. Sie mussten zum Teil Zwangsarbeit in den Sandsteinstollen in der Nahe gelegenen Herrenleite leisten.

"Die gigantischen und wahnwitzigen Bauvorhaben des NS-Regimes blieben in der Sächsischen Schweiz wie an den meisten Orten wirkungslos", bilanziert Historiker Fritz. Die geplanten Produktionen liefen nie an. Im März und April 1945 wurden die Außenlager in der Sächsischen Schweiz aufgelöst. Die verbliebenen 209 Gefangenen aus Porschdorf wurden auf einen Todesmarsch geschickt, der nach zwei Tagen aus dem Rittergut Oelsen endete, wo viele noch an Entkräftung starben. Die Lebenden wurden am 9. Mai von der Roten Armee befreit.

Dieser Text basiert auf dem Beitrag von Ulrich Fritz: "Kriegswirtschaft und KZ- Außenlager in der Sächsischen Schweiz" aus dem Band "1945 – Kriegsende in der Sächsischen Schweiz", herausgegeben von René Misterek (Schriften des Stadtmuseums Pirna, Band 16 (2020)). Umfangreiche Informationen zum Thema liefert die interaktive Website Gedenkplaetze.info des Vereins Akubiz Pirna.