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Nach dem Waldbrand: Wo aus Asche Hoffnung wächst

Wie wird sich die Sächsische Schweiz nach dem jüngsten Waldbrand entwickeln? Ranger Peter Hübner macht sich ein Bild und appelliert an die Vernunft des Menschen.

Von Henry Berndt
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„Die Natur wird ihren Weg finden“: Nationalpark-Ranger Peter Hübner begutachtet das Brandgebiet unweit von Schmilka in der Sächsischen Schweiz.
„Die Natur wird ihren Weg finden“: Nationalpark-Ranger Peter Hübner begutachtet das Brandgebiet unweit von Schmilka in der Sächsischen Schweiz. © kairospress

Man braucht schon etwas Fantasie, um in dieser Felsformation den Kopf einer Katze zu erkennen. Dennoch gehört der Katzenstein nahe Schmilka in der Sächsischen Schweiz zu den Höhepunkten einer Wanderung auf dem Malerweg zwischen Zeughaus und Großem Winterberg. Noch bis zum vergangenen Wochenende war der Weg allerdings gesperrt, so wie viele andere Waldgebiete in der Gegend.

Nur wenige Meter vom Katzenstein entfernt, direkt auf der anderen Seite des Weges, ist das zu sehen, was der Waldbrand vor wenigen Tagen übrig ließ: schwarzer Boden, verkohlte Stämme und Zapfen, tote Baumgerippe. Im weiteren Umkreis hängen die Blätter noch vertrocknet an den Zweigen. Es riecht nach Räucherofen, und ein Knistern wie in einem gelöschten Grill ist zu hören, wo die Sonnenstrahlen auf die immer noch feuchte Holzkohle treffen.

Der Katzenstein am Malerweg in der Sächsischen Schweiz ist ein beliebtes Wanderziel. Nur wenige Meter entfernt brannte es zuletzt.
Der Katzenstein am Malerweg in der Sächsischen Schweiz ist ein beliebtes Wanderziel. Nur wenige Meter entfernt brannte es zuletzt. © Henry Berndt

Nationalpark-Ranger Peter Hübner ist an eine der Brandstellen zurückgekehrt, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Vor etwas mehr als einem Monat war er es, der zusammen mit einem Kollegen den Ausbruch des Waldbrandes auf tschechischer Seite bemerkte. „Es war Sonntagmorgen und eine schöne Nebeldecke lag über den Felsen“, erinnert sich Hübner. „Auf einmal sahen wir eine untypische Rauchsäule aufsteigen und meldeten sie einem tschechischen Kollegen.“

Aus der Rauchsäule entwickelte sich innerhalb weniger Tage der mit Abstand größte Waldbrand im Elbsandsteingebirge seit 180 Jahren. Betroffen waren Bestände aller Art, darunter vom Borkenkäfer kaputt gefressene Fichtenwälder genauso wie vitale Buchenwälder. „Dass eine Buche in der Krone brennt, das passiert ganz selten“, sagt Nationalpark-Sprecher Hanspeter Mayr. „Dafür müssen über längere Zeit gewaltige Temperaturen herrschen.“

Immer wieder neue Brände

Drei Wochen lang kämpften bis zu 800 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr sowie private Helfer gegen die Flammen. In schwer zugänglichem Gelände arbeiteten sie bis zur Erschöpfung. Zwölf Löschhubschrauber waren nahezu pausenlos im Einsatz. Insgesamt wurden etwa acht Millionen Liter Wasser die Berge hinaufgepumpt, um Schäden in noch größerem Ausmaß zu vermeiden. Anders als in Böhmen mussten auf deutscher Seite keine Orte evakuiert werden. Gebäude waren nicht in Gefahr. Allerdings wurden 49 Helfer verletzt, die meisten von ihnen Feuerwehrleute.

Vom Boden aus und aus der Luft wurde massenhaft Wasser herangeschafft.
Vom Boden aus und aus der Luft wurde massenhaft Wasser herangeschafft. © Archivfoto: Matthias Rietschel

Zeitweise durften im gesamten Landkreis Sächsische Schweiz keine Wälder betreten werden. Direkt betroffen ist auf deutscher Seite ein Gebiet von rund 150 Hektar. Auch wenn es um jeden gesunden Baum schade ist, entspricht das lediglich 1,6 Prozent der Gesamtfläche des Nationalparks, wie zuletzt immer wieder betont wurde. Zudem seien auch die 150 Hektar längst nicht komplett abgebrannt. Vielmehr seien glühende Blätter und kleinste Rindenteile durch den Wind weitergetragen worden und hätten auf diese Weise immer wieder neue kleinere und größere Brände ausgelöst.

Ranger Hübner ist erst seit einem Jahr im Nationalpark im Dienst. Davor arbeitete er 35 Jahre lang als Zootierpfleger, zuletzt zehn Jahre im Wildgehege Moritzburg, das wie der Nationalpark zum Verantwortungsbereich von Sachsenforst gehört. Als Ranger im Revier Schmilka erlebte er nun seit Ende Juli seine erste große Bewährungsprobe. Zehn Tage am Stück half er dabei, den Einsatzkräften, die zum Teil aus anderen Bundesländern anrückten, die Orientierung vor Ort zu erleichtern und gleichzeitig neue mögliche Brandherde aufzuspüren.

Nationalpark-Sprecher Hanspeter Mayr (l.) und Ranger Peter Hübner zwischen ausgebrannten Baumstämmen.
Nationalpark-Sprecher Hanspeter Mayr (l.) und Ranger Peter Hübner zwischen ausgebrannten Baumstämmen. © kairospress

Zu Fuß war er mit Maske und Helm unweit der Flammen unterwegs. Den größten Schutz im Einsatz habe ihm allerdings seine Erfahrung geboten. Teilweise trug er dabei einen der gelben Löschrucksäcke auf dem Rücken, die bis zu 25 Liter Wasser fassen, um die Feuerwehr zu unterstützen. Buchstäblich ein Tropfen auf den heißen Stein – aber jeder Tropfen zählte in diesen Tagen.

Noch immer hat Hübner einen der Rucksäcke in seinem Dienstwagen, dazu eine der speziellen Hacken, mit denen sich auch durchwurzelter Waldboden aufreißen lässt, um Glutnester aufzuspüren. Bis zu einem halben Meter tief hatte sich das Feuer in den ausgetrockneten Untergrund gefressen. Erst die lange herbeigesehnten Regenfälle vor einer Woche konnten die Gefahr weitgehend bannen.

Selbstentzündung? Unwahrscheinlich!

Zuletzt spürten Drohnen, die nachts über die Baumwipfel gesteuert wurden, nur noch ein einziges Glutnest auf – unweit des Katzensteins am Großen Winterberg. Der Katastrophenalarm ist längst aufgehoben. Seit dem Wochenende gilt das Gebiet als sicher und kann wieder bewandert werden. Bis dahin waren noch Polizeistreifen auf den Wegen unterwegs gewesen.

Seine Emotionen kann Peter Hübner nach all den Einsatztagen nur schwer beschreiben. "Natürlich geht einem das nahe", sagt er. „Man kämpft ja auch um den eigenen Arbeitsplatz.“ Wenn nun darüber debattiert werde, ob es klug sei, all das Totholz im Wald zu lassen und ob die Idee Nationalpark überhaupt richtig sei, dann hat er dafür nur Kopfschütteln übrig. „Es würde die ganze Diskussion doch gar nicht geben, wenn der Mensch keinen Unsinn machen würde“, sagt er.

Dass sich Holz im Wald selbst entzündet, hält er für praktisch ausgeschlossen. Ob ein Lagerfeuer oder eine weggeworfene Zigarette das Unglück ausgelöst haben, darüber möchte er nicht spekulieren. „Letztlich spielt das auch keine Rolle. Es bleibt die Dummheit der Menschen, im Wald Feuer zu machen. Ich habe als Kind in der Schule gelernt, dass das verboten ist.“ Zusätzliche Schilder im Nationalpark sollen das eigentlich Selbstverständliche nun nochmals unterstreichen.

Große Teile der Technik sind vorerst jederzeit einsatzbereit im Wald geblieben.
Große Teile der Technik sind vorerst jederzeit einsatzbereit im Wald geblieben. © Henry Berndt

Nach dem Löschen der letzten Glutnester kehrt für die Nationalparkverwaltung keinesfalls Ruhe ein. Nach der aufwendigen Brandnachsorge durch rund 40 Waldarbeiter aus ganz Sachsen in den vergangenen Tagen beginnt nun die Phase der Brandwache. Mindestens für die nächsten 14 Tage werden Wanderer daher weiterhin auf Feuerwehrschläuche und andere Technik treffen, die bislang nur teilweise zurückgebaut wurde. Auch große, aufgeblasene und bis an den Rand gefüllte Wasserreservoirs gehören dazu. Allein drei der roten Bassins stehen in unmittelbarer Nähe der Brandfläche am Katzenstein. Daneben Gitterboxen voller Benzinkanister und Schaummittel.

Irgendwann wird all das aus dem Wald verschwunden sein. Die verkohlten Baumstämme dagegen werden zurückbleiben, da von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht. „Natürlich sieht das hier jetzt erst einmal erschreckend aus“, sagt Ranger Hübner, „aber die Natur wird ihren Weg finden“. Zwischen den verkohlten Baumstämmen zeigt er auf grüne Grashalme, die bereits wieder durch die Asche schauen. Am Rand des Weges wuselt eine kleine Eidechse umher.

Erste grüne Grashalme schauen schon wieder aus der Asche heraus.
Erste grüne Grashalme schauen schon wieder aus der Asche heraus. © kairospress

Man habe das Glück gehabt, dass zum Zeitpunkt des Brandes die meisten Jungvögel bereits geschlüpft waren, sagt auch Nationalpark-Sprecher Mayr. „Und wir hoffen auch, dass sich die meisten Säugetiere retten konnten.“ Nicht nur auf den aktuellen Brandflächen zeige sich, wie schnell sich die Natur erholen kann.

Die Natur sich selbst zu überlassen ist keine schlechte Idee

In einer anderen Ecke der Sächsischen Schweiz verlässt Mayr ausnahmsweise mal einen Weg in der Kernzone, um etwas zu zeigen, für das sich sogar ein längerer Fußmarsch durch das Unterholz lohne. Auch unterhalb der Basteibrücke brannte es im Juli, wofür vermutlich eine Gruppe Shisha rauchender Waldbesucher verantwortlich war. Betroffen war ein relativ kleines Areal von rund 2.500 Quadratmetern. Einen deutlichen größeren Waldbrand gab es in diesem Gebiet jedoch vor vier Jahren. Damals wurde eine Feuerstelle entdeckt und nicht weit entfernt eine illegale Boofe mit Rucksäcken, Campingkocher und zwei Ukulelen.

Verbrannten Waldboden sucht man heute hier vergebens. Erst kamen die Farne zurück, dann kleine Bäume. Vor allem Birken und Pappeln haben es schon zu stattlichen Größen gebracht. Dazwischen sind auch kleine Kiefern zu sehen. Zum Vergleich stellt sich Mayr neben eine rund 2,50 Meter hohe Birke. „Innerhalb von vier Jahren ist hier ein Samen angeflogen gekommen und hat sich trotz der extrem trockenen Jahre zwischen 2018 und 2020 zu solch einem Baum entwickelt. Das empfinde ich als unglaublich eindrucksvoll.“

Die Natur sich selbst zu überlassen, sei eben keine schlechte Idee. „Das kann uns Mut machen und ein schönes Beispiel sein“, sagt Mayr, wenngleich es keine Garantie gebe, dass sich alle nun abgebrannten Bereiche vergleichbar entwickeln werden.

Mit diesem gelben Löschrucksack auf dem Rücken - gefüllt mit 25 Litern Wasser - war der Ranger tagelang im Nationalpark unterwegs.
Mit diesem gelben Löschrucksack auf dem Rücken - gefüllt mit 25 Litern Wasser - war der Ranger tagelang im Nationalpark unterwegs. © kairospress

Mit Sicherheit eingegriffen wird an anderer Stelle. Der Holzlagerplatzweg in Bad Schandau, über den tagelang die schweren Löschzüge und Wasserwerfer bis hinauf ins Brandgebiet fuhren, ist beschädigt und muss saniert werden.

Das jedoch ist nur eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, was die sächsische Landesregierung plant. Das Waldbrandkonzept soll grundlegend überarbeitet und extern begutachtet werden, möglicherweise durch eine Sonderkommission. Außerdem will der Freistaat in neue Technik investieren. Drei eigene Löschhubschrauber könnten allein fast 80 Millionen Euro kosten. Weiterhin würden neben großen Tankwagen auch kleine und wendige Löschfahrzeuge gebraucht, die bis tief in die zerklüfteten und an vielen Stellen schwer zugänglichen Felsengebiete vordringen können.

Außerdem sollen sieben Löschwasserzisternen errichtet werden, um im Ernstfall schneller an große Mengen Wasser zu kommen. Beim jüngsten Brand mussten kilometerweit Schläuche verlegt werden, über die das Wasser aus der Elbe nach oben gepumpt wurde.

All diese Pläne machen Ranger Hübner und Nationalpark-Sprecher Mayr Hoffnung. Bevor sie ihre gemeinsame Tour beenden, schauen sie noch mal am Kipphorn vorbei, dem beliebten Aussichtspunkt, von dem aus schon der Maler Caspar David Friedrich die Schönheit des Elbtals für die Ewigkeit festhielt.

Auf der linken Seite sind vor allem auf tschechischem Gebiet kleinere braune Bereiche zu sehen, in denen das Feuer wütete. Ringsherum jedoch dominiert noch immer das Grün. „Die Sächsische Schweiz ist nicht verbrannt“, bringt es Mayr noch einmal auf den Punkt. „Man kann als Urlauber hier sehr schöne Ferien verbringen. Für Kurzentschlossene bietet sich jetzt womöglich eine einmalige Gelegenheit.“