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Blockierte Wege: Nationalpark unter Druck

Für die Totholzstrecken in der Sächsischen Schweiz ist keine schnelle Lösung in Sicht. Bei den Bergsteigern und in der Tourismusbranche wächst die Kritik.

Von Dirk Schulze
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Nationalpark Sächsische Schweiz: Entlang der Kirnitzschtalstraße wird gefällt, wie hier bei Saupsdorf, an den Wanderwegen nicht.
Nationalpark Sächsische Schweiz: Entlang der Kirnitzschtalstraße wird gefällt, wie hier bei Saupsdorf, an den Wanderwegen nicht. © Mike Jäger

Die Liste wird länger und länger. Nach dem jüngsten stürmischen Wochenende hat die Nationalparkleitung weitere Wege in der Sächsischen Schweiz für unpassierbar erklärt, weil die toten Fichten dort zusammengebrochen sind. Darunter den Schleusenhornweg am Hermannseck bei Hinterhermsdorf, der zur klassischen Runde nach einer Kahnfahrt auf der Oberen Schleuse gehört sowie einen Waldwegabschnitt der alten Kirnitzschtalstraße, eine der wenigen Radrouten durch den Nationalpark. Aktuell zählt die Liste der blockierten Wege 19 Einträge, zwei Wochen zuvor waren es noch zwölf.

Eine Ende ist nicht in Sicht. In der Hinteren Sächsischen Schweiz hat der Borkenkäfer den Fichtenwald fast vollständig zum Absterben gebracht. Im Schmilkaer Gebiet, an den Affensteinen sowie im Kleinen Zschand und dem Großen Zschand sind zahlreiche weitere Wanderwege und Kletterzustiege von umbrechenden Bäumen bedroht. Der Sächsische Bergsteigerbund (SBB) fürchtet, das Teile des Gebiets für Jahre unbegehbar werden könnten.

Bergsteigerbund: Wege präventiv freischneiden

Der Bergsteigerbund plädiert deshalb für ein präventives Eingreifen. Entlang der noch offenen Wege sollte das stehende Totholz vorsorglich umgesägt werden, solange das noch möglich ist und bevor die ersten Bäume dort umstürzen und den Weg unpassierbar machen. Ein ähnliches Vorgehen also, wie es der Nationalpark zur Verkehrssicherung bereits an Rettungswegen und Straßen praktiziert.

Der Wanderweg "Lehne" in den Affensteinen in der Sächsischen Schweiz: Noch ist der Weg begehbar, aber die ersten Fichten sind schon umgebrochen.
Der Wanderweg "Lehne" in den Affensteinen in der Sächsischen Schweiz: Noch ist der Weg begehbar, aber die ersten Fichten sind schon umgebrochen. © Mike Jäger

Der SBB, der sich als Vertretung von Kletterern wie Wanderern versteht, hat dafür einen Stufenplan erarbeitet. Eine erste Auswahl von zehn Wegen, sollte noch in diesem Jahr freigestellt werden, dies sei mit Motorsäge und ohne schwere Technik möglich. Im zweiten Teil des Stufenplans sind die bereits unpassierbaren Wege nach Prioritäten geordnet. Dort müssten die Forstleute mit Spezialtechnik ran.

Allein: Seitens der Nationalparkverwaltung und dem sächsischen Umweltministerium waren die Reaktionen auf den Plan wohl eher verhalten, wie der SBB berichtet. Der Bergsteigerbund hatte beiden Behörden seine Vorschläge in einer Videokonferenz am 9. März unterbreitet. Nationalpark und Umweltministerium verweisen auf das geltende Recht.

Naturschutzprüfung für Fällungen dauert Monate

Gesetzlich ist die Lage, vereinfacht dargestellt, folgende: In einem Nationalpark darf auch die Nationalparkverwaltung nicht einfach vorsorglich Bäume fällen. Ein solcher Eingriff muss bei der Landesdirektion Sachsen beantragt werden. Diese prüft dann für jeden Standort einzeln, ob der strenge Naturschutz für die Arbeiten aufgehoben werden kann. So lief es auch an der Bastei für die geplante neue Aussichtsplattform.

Ein solches Verfahren dauert jedoch. Selbst im günstigstes Fall könnte das vorsorgliche Sägen erst im Herbst 2021 beginnen - falls es überhaupt genehmigt wird. Für den Bergsteigerbund dauert das zu lange, denn bis dahin sind sehr wahrscheinlich weitere Wege unpassierbar geworden. Der SBB fordert deshalb schnelle Maßnahmen. "Angesichts der akuten Ausnahmesituation müssen die üblichen behördlichen Prüfungs- und Entscheidungszeiträume dringend stark gestrafft werden", erklärt der Verband.

Andernfalls, so die Prognose, könnten zahlreiche touristisch relevante Wege auf lange Zeit blockiert sein. Denn wenn die ersten Bäume einmal umgebrochen sind, dauert es aufgrund der akuten Gefahr von weiteren Brüchen lange, bis Waldarbeiter wieder ins Gebiet können.

Landrat, Bürgermeister und Touristiker machen Druck

Der Druck auf den Nationalpark wächst auch von politischer Seite. Landrat Michael Geisler (CDU) hat kürzlich den Nationalparkbeirat einberufen, ein Gremium, in dem die Bürgermeister der Sächsischen Schweiz, der Tourismusverband und weitere Akteure mit der Nationalparkleitung zusammensitzen.

Die Forderung ist klar: "Wander- und Rettungswege müssen frei bleiben", erklären das Landratsamt in Pirna und die Kommunen. Der Nationalpark wird aufgefordert, von weiteren kurzfristigen Wegesperrungen abzusehen und die Wege dauerhaft für Touristen erreichbar zu halten. Eine weitere Ausdünnung des Wegenetzes sei zu vermeiden.

Das betreffe nicht nur Besucher, sondern auch die Einsatzkräfte von Rettungsdienst, Bergwacht, Feuerwehr und Katastrophenschutz. "Daher ist die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht durch die Nationalparkverwaltung dringend geboten, um Gefahren für die Gesundheit und die Natur abzuwehren", heißt es.

Kommunen fordern Besucherkonzeption

Im Sommer 2020 kam die Region aufgrund des großen - und für die Tourismuswirtschaft überlebenswichtigen - Besucheransturms an ihre Kapazitätsgrenzen. "Wir rechnen auch in diesem Jahr mit erheblichen Belastungen im öffentlichen Verkehrsraum", erklärt Landrat Geisler. "Daher muss eine schnelle und umfassende Lösung gefunden werden." Der Nationalpark müsse dringend eine Besucherkonzeption erarbeiten, erklären der Landrat und die Bürgermeister. Das fordern sie von der Nationalparkverwaltung ein.

Ganz aktuell geht es um die Kommunikation gegenüber Einwohnern und Touristen. "Gesperrte Wege bzw. Wegeabschnitte müssen klar und einheitlich kommuniziert und Umleitungsoptionen ausgewiesen werden", fordern die Politiker und der Tourismusverband. Grundsätzlich gehörten zu einer Besucherkonzeption aber auch einheitliche Routenempfehlungen, geführte Erlebnistouren durch den Nationalpark sowie eine Wegeplanung, die die Standorte von Gastwirtschaften und Toiletten berücksichtigt.

Der Nationalparkbeirat werde sich im Laufe des Jahres wieder zusammenfinden, kündigt das Landratsamt an.

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