Bielatal: Familie will alte "Kurvenkneipe" retten

Er gehört zu den prominentesten Adressen in Rosenthal-Bielatal. Dennoch ist es still geworden um den alten Gasthof Hermsdorf. In dem Haus kurz vor der scharfen U-Kurve, durch die es den griffigen Namen "Kurvenkneipe" bekam, wird seit vielen Jahren nicht mehr getanzt, Skat gespielt oder aufgetischt. Der letzte Besitzer machte die Gaststätte vor knapp zehn Jahren zu. Seitdem liegt alles im Dornröschenschlaf.
Bis jetzt. Denn zwei private Investoren aus Rosenthal-Bielatal wollen den Gasthof wieder mit Leben füllen: Sandra und Marco Löbel. Das Ehepaar hat das Grundstück gekauft, um sich hier den Traum von einer eigenen Pension mit Café und Biergarten zu erfüllen. Die Löbels sind im Bielatal und darüber hinaus keine Unbekannten. Vor allem Marco Löbel, der als Dachdeckermeister den Familienbetrieb seines Vaters und Großvaters fortführt. Sandra Löbel hat sich als Interior Designerin selbstständig gemacht. Den Blick für schöne Dinge hat sie nicht nur von Berufswegen.
"Als ich vor zehn Jahren nach Rosenthal-Bielatal zog, fiel mir der Gasthof sofort auf", erinnert sie sich. Ein Schmuckstück, aber verfallen. Sandra Löbel sah dennoch dessen Potenzial. "Ich hatte sofort fertige Bilder im Kopf", erzählt sie. Bilder von einem idyllischen Biergarten, schönen Ferienapartments, einem gemütlichen Gastraum. Bilder, die sie nicht mehr losließen. Immer wieder sprach sie mit ihrem Mann über einen möglichen Kauf. Die Idee reifte. Marco Löbel sprach schließlich den Eigentümer an. Wenn er den Gasthof Hermsdorf einmal verkaufen wolle, dann könne er gern auf ihn zu kommen. Nur wenige Wochen später klingelte tatsächlich Marco Löbels Telefon. Am Apparat war der Eigentümer, der ihm ein Angebot machte.
Grundstück schon vor vier Jahren gekauft
Das alles ist bereits vier Jahre her. Schon 2018 kauften Sandra und Marco Löbel den Gasthof Hermsdorf. Dass sich seitdem nichts getan hat, hat vor allem private Gründe. Sandra Löbel war damals mit Zwillingen schwanger. Parallel lief noch der eigene Hausbau. Das Großprojekt ist inzwischen abgeschlossen. Auch die drei Söhne sind mit drei und fünf Jahren keine Babys mehr. "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt", sagt Marco Löbel.
In dieser Woche begannen die Bauarbeiten. Besser gesagt die Abrissarbeiten. Denn bauen und sanieren, das können die Investoren noch nicht. Sandra und Marco Löbel bauen dabei auf Fördermittel aus dem Leader-Programm. Im kommenden Jahr beginnt die neue Förderperiode. Die Löbels hoffen, dass sie zum Zug kommen. Vertreter des Förderprogramms seien bereits vor Ort gewesen und hätten sich die Pläne und das Nutzungskonzept angesehen. "Sie waren begeistert", sagt Sandra Löbel.
Gastronomische Lücke schließen
Geplant ist, den Gasthof zu einer Frühstückspension zu machen. Sechs bis sieben Zimmer beziehungsweise Apartments sollen entstehen. Im einstigen Gastraum soll ihnen das Frühstück serviert werden. "Frühstücken können nicht nur unsere Hausgäste", sagt die gelernte Grafikdesignerin. In Rosenthal-Bielatal gäbe es viele Ferienwohnungen. Wer nicht selbst Kaffee kochen, sondern frühstücken gehen will, hat derzeit nur wenig Auswahl. Die Landbäckerei Schmidt am Kreisverkehr in Leupoldishain ist eine der nächsten Adressen. Die Löbels wollen mit dem Frühstücksangebot diese gastronomische Lücke füllen.
Geplant ist zudem ein Café und im Sommer ein Biergarten mit angeschlossenem Kinderspielplatz. Letzterer ist den dreifachen Eltern ein besonderes Anliegen. Denn nur wenn die Kinder Möglichkeiten haben sich zu beschäftigen, könnten auch die Eltern entspannt in Café oder Biergarten sitzen. Dort sollen auch herzhafte Kleinigkeiten serviert werden. "Der Gasthof wird aber kein klassisches Restaurant haben", erklärt Marco Löbel. Ob es sich später dahin entwickelt, lässt er offen. Alles sei möglich. "Wenn ein Sternekoch anklopft, wären wir natürlich interessiert", witzelt der Handwerksmeister.
Auch ohne Sternekoch soll die Qualität in Pension, Café und Biergarten gehoben sein - ohne abgehoben zu wirken. Sandra Löbel hat sich als Interior Designerin auf die Ausstattung von Ferienwohnungen spezialisiert. Ihr Stil basiert auf Nachhaltigkeit, auf Holzmöbeln und Naturmaterialien. Das alles soll sich auch im Gasthof Hermsdorf einmal widerspiegeln. "Wir wollen das Schmuckstück wiederbeleben und in einen Ort zum Wohlfühlen verwandeln", sagt Sandra Löbel.
Saal und DDR-Anbauten werden abgerissen
Die größte Veränderung wird es außen geben. Der um 1837 gebaute Gasthof soll zurück zu seiner einstigen Form. Das heißt, dass der um 1900 angebaute Saal abgerissen wird. Auch der Küchenanbau auf der Rückseite kommt weg. Die Arbeiten dafür haben diese Woche begonnen. Obwohl der Saal unter Denkmalschutz steht, gab die Behörde schließlich ihr Okay. Denn der Zustand sei zu marode gewesen. Abgerissen wurden auch acht Garagen, teils auf dem Nachbargrundstück. Mehr dürfen die Löbels vorerst nicht. Erst, wenn die Leader-Fördermittel bewilligt sind, kann der Gasthof entkernt und saniert werden.

Marco Löbel hofft, Ende 2023 mit der Entkernung und den Arbeiten am Dach beginnen zu können. Insgesamt drei Jahre soll der Komplettumbau dauern. Zum Außenbereich sollen dann auch Ladestationen für Elektroautos und ein paar wenige Caravanstellplätze gehören - inklusive Entsorgungsstation, an der Camper ihr Abwasser entsorgen können. Letztere gäbe es auf der linken Elbseite kaum. "Das ist ein Mehrwert für den Ort und die Region", meint Sandra Löbel. Sie und ihr Mann sind selbst Gelegenheitscamper. Im vergangenen Jahr waren sie mit den drei Kindern auf Reisen. "Jeden Tag war unsere Abwasserkassette voll", erzählt der Familienvater.
Ob all diese Ideen umgesetzt werden, hängt am Ende auch vom Budget ab. Die Investoren rechnen aktuell mit einer Summe von bis zu einer Million Euro. Geht der Plan auf, könnte im Gasthof Hermsdorf 2027 Eröffnung gefeiert werden.
Aus der Historie des Gasthofs Hermsdorf in Rosenthal-Bielatal:
- Zwischen 1835 und 1839 wurde das heutige Gasthaus neu gebaut.
- Im Dezember 1968 erwarb der VEB Textil- und Veredlungskombinat Neugersdorf/Lausitz die Immobilie und nutzte sie bis zur Wende 1990 als Ferienheim für seine Beschäftigten. Nebenher lief der Gaststättenbetrieb ganz normal weiter. Die Wirtsleute Bernd aus Neugersdorf betrieben die damals als „Kurvenkneipe“ betitelte Gaststätte.
- Ende der 1970er-Jahre sanierte das Kombinat das Objekt umfassend.
- Ende Oktober 1981 wurde die Gaststätte wieder eröffnet. Die Küche erhielt elektrische Herde, die Fußböden wurden erneuert, eine Klärgrube angelegt sowie die Pächterwohnung umgebaut und modernisiert. Bis 1988 entstanden noch acht Garagen und drei Bungalows.
- Mit der Wende kam das endgültige Ende für das Ferienheim.
- Mitte der 90er-Jahre wurde der Gasthof an Heike Prause verkauft und als Gasthof Hermsdorf betrieben.