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Elbsandstein: Großer Zschand bleibt dicht

Es besteht kaum eine Chance, dass der Wanderweg in der Sächsischen Schweiz vor dem Sommer geöffnet wird. Der Nationalparkchef erklärt, warum das so ist.

Von Dirk Schulze
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Sperrscheibe an Eingang in den Großen Zschand in der Sächsischen Schweiz: Wanderer müssen wohl längere Zeit eine Umleitung nehmen.
Sperrscheibe an Eingang in den Großen Zschand in der Sächsischen Schweiz: Wanderer müssen wohl längere Zeit eine Umleitung nehmen. © Mike Jäger

Die Sperrscheibe am Wanderparkplatz Neumannmühle im Kirnitzschtal wird wohl noch ein paar Monate stehen bleiben - mindestens. Hier beginnt der Wanderweg in den Großen Zschand, wohl einer der ältesten Verkehrswege in der Sächsischen Schweiz, der neben der Elbe schon in frühen Zeiten Nordböhmen und das Meißner Hochland verband. So ist es auf einem verwitterten Schild zu lesen.

Aktuell können Wanderer noch 100 Meter in die felsige Schlucht hineinlaufen, dann steht am Abzweig in die Spitzsteinschlüchte die endgültige Barriere. Dahinter besteht Lebensgefahr. Es geht nicht um die Bäume am Wegesrand, sondern um die toten Fichten, die hoch oben auf den Felsriffen stehen. Das machte Nationalparkchef Ulf Zimmermann noch einmal klar. Sie können jederzeit herunterstürzen. Das Brechen sei nicht zu hören, nur ein Rauschen im Fallen.

Vor dem Sommer sehe er keine Chance, dass der Große Zschand für Wanderer, Spaziergänger und Radfahrer zentrale Weg in der Hinteren Sächsischen Schweiz wieder geöffnet werden könne, sagte der Nationalparkleiter diese Woche im Sebnitzer Stadtrat, und er erklärte ausführlich, warum das so ist. "Wir haben kein Interesse daran, dass der Große Zschand gesperrt ist, überhaupt nicht", sagte Zimmermann. Die Nationalparkverwaltung sei aber dem Naturschutz verpflichtet und an Recht und Gesetz gebunden.

Seltene Arten aus der Eiszeit in Gefahr

Im betroffenen unteren Abschnitt des Großen Zschands wachsen das Gelbe Veilchen und der Stängelumfassende Knotenfuß - äußerst seltene Pflanzen, die im kühlfeuchten Kellerklima der engen Schlucht seit der Eiszeit überlebt haben. Die toten Fichten könnten nur manuell gefällt werden, für einen Kran sei nicht genügend Platz. Wenn die abgesägten Bäume von der Felswand fallen, reißen sie andere mit. Die Gefahr sei groß, dass dabei die Biotope zerstört werden. Auch der Feuersalamander lebt in dem Canyon.

Unscheinbar, aber extrem selten: der Stängelumfassender Knotenfuß (Bildmitte) wächst in Deutschland sonst fast nur im Alpenraum.
Unscheinbar, aber extrem selten: der Stängelumfassender Knotenfuß (Bildmitte) wächst in Deutschland sonst fast nur im Alpenraum. © Archivfoto: Frank Baldauf

Die Nationalparkverwaltung hat den Eingriff dennoch beantragt. Darüber entscheiden muss die Landesdirektion Sachsen als oberste Aufsichtsbehörde im Freistaat. Der Große Zschand gilt als Flora-Fauna-Habitat - das betrifft EU-Recht. Eine Vorprüfung dazu hat es bereits gegeben. Das bisherige Ergebnis: Es sei nahezu aussichtslos, dass ein Eingriff rechtlich möglich sei, berichtet Zimmermann. Wenn man das ignoriere, würden im Zweifelsfall EU-Konventionalstrafen drohen.

Hinzu kommt: Es gibt eine zumutbare Umleitung. Gesperrt ist nur ein unterer Wegeabschnitt des Großen Zschands. Über den benachbarten Kleinen Zschand sind das Alte Zeughaus und die umliegenden Bereiche für Wanderer, Radfahrer und den Rettungsdienst weiterhin erreichbar.

"Wir arbeiten daran, dass wir den Großen Zschand aufkriegen, das ist unser großes Ziel", sagte Ulf Zimmermann. Er hoffe, dass eine Ausnahmegenehmigung möglich sei.

Frist für Sicherung des Wanderwegs läuft aus

Die Stadt Sebnitz will eine längerfristige Sperrung nicht akzeptieren. Wenngleich der Weg in den Großen Zschand - auch Zeughausstraße genannt - von Autos nicht befahren werden darf, ist er als Straße öffentlich gewidmet. Auf Antrag des Nationalparks hat die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Sebnitz die Sperrung bisher genehmigt - allerdings nur befristet bis zum 31. März.

Nationalparkchef Ulf Zimmermann: Er ist seit Juli 2020 im Amt.
Nationalparkchef Ulf Zimmermann: Er ist seit Juli 2020 im Amt. © Marko Förster

Einer Verlängerung werde die Stadt nur zustimmen, wenn es eine Öffnungsperspektive gebe, kündigte der Sebnitzer Oberbürgermeister Mike Ruckh (CDU) an. Nationalparkchef Ulf Zimmermann hingegen erklärte: Wenn die Stadt Sebnitz die Sperrung aufhebe, dann trage sie die Verantwortung für mögliche Personenschäden. Sollten sich Rathaus und Nationalpark nicht einig werden, wandert die Sache an eine Landesbehörde des Freistaats.

In der Sitzung des Sebnitzer Stadtrats blieb der Ton betont diplomatisch. Er habe die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Sebnitz bislang als sehr positiv erlebt, erklärte der Nationalparkchef auf Nachfrage von Grünen-Stadtrat Paul Löser. OB Ruckh bedankte sich für Zimmermanns Kommen und seine ausführliche Erläuterung der Situation aus Sicht des Nationalparks.

CDU-Stadtrat: "Sperrung für Wanderer inakzeptabel"

CDU-Stadtrat Ekkehard Schneider indes erklärte, als Wanderer halte er es für vollkommen inakzeptabel, dass der Große Zschand länger gesperrt bleiben soll. Zumal im hinteren Teil des Tals in der jüngeren Vergangenheit auch schon Bäume gefällt wurden. Es müssten abweichend von den Regelungen schnelle Lösungen her.

Nationalparkleiter Ulf Zimmermann erwiderte darauf, dass die besonders seltenen und geschützten Pflanzen nun mal ausgerechnet im engen vorderen Abschnitt wachsen. Bei den früheren Fällungen seien bereits Standorte des Stängelumfassenden Knotenfußes verloren gegangen.

Es kann allerdings passieren, dass die seltenen Arten im Großen Zschand ohnehin aussterben. Wenn die Fichten auf den Felsriffen fehlen, könnte sich das kaltfeuchte Mikroklima in der Schlucht ändern, das bisher die Voraussetzung für die Biotope ist. Zudem können sie Schaden erleiden, wenn das Totholz von selbst abstürzt. Noch sind die geschützten Arten aber vorhanden, erklärte der Nationalparkchef - und das sei maßgebend.

Nationalpark verspricht bessere Kommunikation

Ob denn der Nationalpark nicht zuerst für den Menschen da sein sollte, wurde der Leiter des Schutzgebiets gefragt. "Der Mensch muss zurückstehen, aber er soll nicht raus aus dem Nationalpark", sagte Ulf Zimmermann. Die Nationalparks seien dafür da, dass die Menschen in ihnen Naturprozesse kennenlernen können. Für den Tourismus gelte es einen Mittelweg zu finden: Besucher, die die Natur wertschätzen und sich den Regeln unterwerfen sind herzlich willkommen, ganze Busladungen, die nur auf ein schnelles Foto aus sind, eher nicht.

Für die Besucherlenkung und eine bessere Kommunikation mit den Gästen, wie es aktuell Landrat Michael Geisler (CDU), die Bürgermeistern und Touristiker fordern, kündigte der Nationalparkchef erste konkrete Schritte an. Zusammen mit dem Tourismusverband sind Übersichtskarten und Flyer mit Informationen zu versperrten Wegen und den Borkenkäferschäden in Arbeit, außerdem ein Kommunikationsplan zusammen mit dem sächsischen Umweltministerium.

Das generelle Ziel sei es, sensible Bereiche zu beruhigen und andere Gebiete im Gegenzug aufzuwerten, zum Beispiel durch einen Qualitätswanderweg oder besondere Aussichtspunkte. Es gebe durchaus auch Orte in der Sächsischen Schweiz, die mehr Besucher vertragen könnten.

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