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Sächsische Schweiz: Kampf um Wanderwege

Bedrohte Routen im Nationalpark sollten vorsorglich freigesägt werden, so lange es noch geht, fordert der Bergsteigerbund. Die Antwort fällt ernüchternd aus.

Von Dirk Schulze
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Der Malerweg durch die Sächsische Schweiz verläuft auch auf der Oberen Affensteinpromenade. Tote Fichten drohen über den Weg zu brechen.
Der Malerweg durch die Sächsische Schweiz verläuft auch auf der Oberen Affensteinpromenade. Tote Fichten drohen über den Weg zu brechen. © Mike Jäger

Mit Notizblöcken und Kameras sind Wanderer des Sächsischen Bergsteigerbunds (SBB) und der IG Stiegenfreunde in den vergangen Wochen durch die Sächsische Schweiz gepirscht und haben den Zustand der Wege dokumentiert. Das Ergebnis: Schon 50 Kilometer an markierten Wanderwegen sowie Bergpfaden sind inzwischen durch umgebrochene Fichten unpassierbar. Insgesamt verfügt der Nationalpark über rund 400 Kilometer Wanderrouten.

Schon zu Jahresbeginn hat der SBB einen Stufenplan erstellt, nach welcher Priorität die überworfenen Wege freigeschnitten werden sollten und - fast noch wichtiger - entlang welcher Wege Waldarbeiter die Säge schon vorher ansetzen müssten, um die abgestorbenen Borkenkäferfichten vorsorglich zu fällen, bevor sie das Gelände unpassierbar machen.

Erste Beratung der AG Wege seit 2019

Mit großer Spannung wurde deshalb die Sitzung der AG Wege erwartet. In der Arbeitsgruppe sitzen die Nationalparkverwaltung, der SBB, der Tourismusverband Sächsische Schweiz, mehrere Bürgermeister der Region und weitere Behördenvertreter zusammen. Es geht darum, einen Ausgleich zu finden zwischen dem Naturschutz und den Interessen des Tourismus.

Die letzte Zusammenkunft der AG Wege ist mehr als anderthalb Jahre her, sie fand im September 2019 statt. In der Zwischenzeit ist in der Hinteren Sächsischen Schweiz der halbe Wald in sich zusammengefallen, der regionale Tourismus hat pandemiebedingt einen Rekordansturm verzeichnet, und ein neuer Nationalparkchef ist im Amt.

Vorsorgliches Freischneiden kaum möglich

Die aktuelle Beratung der AG Wege verlief dementsprechend "schwierig". So formuliert der Bergsteigerbund in einem Bericht an seine Mitglieder. Sie fand am 15. April per Videokonferenz statt. Das vorsorgliche Freischneiden der noch offenen Wege, das der SBB in seinem Stufenplan empfiehlt, wurde sowohl seitens des Tourismusverbands als auch von den Bürgermeistern Thomas Kunack (WV Tourismus) aus Bad Schandau und Daniel Brade (SPD) aus Hohnstein unterstützt.

Der durch die gesamte Sächsische Schweiz verlaufende Malerweg soll Vorrang erhalten.
Der durch die gesamte Sächsische Schweiz verlaufende Malerweg soll Vorrang erhalten. © Mike Jäger

Eine Chance auf schnelle Umsetzung hat der Plan aber kaum. Der Nationalpark kommt derzeit kaum mit dem Freihalten der Rettungswege hinterher, die Wanderwege haben demgegenüber geringere Priorität.

Um in der Fläche neben noch begehbaren Wege vorsorglich Bäume zu fällen, sind naturschutzfachliche Prüfungen nötig. Es müssen Naturschutzverbände beteiligt werden. Allein ein solches Verfahren dauere mindestens vier Wochen, erklärte laut SBB die Landesdirektion. Hinzu käme die Bearbeitungszeit in den Behörden. Fazit: Vor Mitte August könne nichts stattfinden.

Prognose: Zahlreiche weitere Wege brechen zu

Der Bergsteigerbund prognostiziert, dass bis dahin zahlreiche weitere Wege unpassierbar werden. Gefährdet sind laut SBB dann auch Wege im bislang kaum betroffenen vorderen Teil der Sächsischen Schweiz, darunter das Brandgebiet bei Hohnstein und die Ochelwände. In der Hinteren Sächsischen Schweiz stehen unter anderem Kahntilke, Lehne, Heringsgrund, Rauschengrund und Obere Affensteinpromenade auf der Liste.

Der Tourismusverband, die Kommunen und der SBB verwiesen in der Sitzung der AG Wege eindringlich auf die Bedeutung des Themas. Die Sächsische Schweiz lebt zu großen Teilen vom Wandertourismus.

Im Ergebnis hat Nationalparkleiter Ulf Zimmermann nun eine Vor-Ort-Prüfung der wichtigsten Wege im Stufenplan des SBB angekündigt. Das soll bis zur nächsten Beratung der AG Wege passieren. Diese ist für den 29. April angesetzt.

Noch keine Schilder für Touristen

Streit gibt es weiterhin um die Ausschilderung für Besucher. Der Tourismusverband fordert, dass an den Parkplätzen im Kirnitzschtal Tafeln mit Karten aufgestellt werden, auf denen die Gäste unmittelbar erkennen können, welche Wege gerade unpassierbar sind.

Der Nationalparkverwaltung fehle es dafür an Ressourcen, berichtet der SBB aus der Sitzung. Der Nationalpark lehnte den Antrag zunächst ab, was wiederum die übrigen Mitglieder der AG Wege nicht mitmachten. Das Thema kommt zur nächsten Beratung erneut auf die Tagesordnung.

Zustimmung gab es hingegen für eine vorrangige Beachtung des Malerwegs. Er soll für Wanderer begehbar bleiben. Auch dem Antrag der Bergsportverbände, dass der Freistaat Sachsen ausreichend personelle und finanzielle Ressourcen bereitstellt, wurde zugestimmt.

Was wird aus dem Großen Zschand?

Fraglich ist, wie es im Großen Zschand weitergeht - zumindest auf rechtlicher Ebene. Der untere Bereich des Weges von der Neumannmühle ist seit Ende Januar wegen der akuten Gefahr von Baumstürzen gesperrt. Die Sperrung ist allerdings befristet. Weil es sich um eine öffentlich gewidmete Straße handelt, muss der Nationalpark die Sperrung beantragen, die Stadt Sebnitz als Straßenverkehrsbehörde muss sie genehmigen.

Eingang in den Großen Zschand an der Neumannmühle: weiterhin gesperrt.
Eingang in den Großen Zschand an der Neumannmühle: weiterhin gesperrt. © Mike Jäger

Sebnitz will das nicht länger tun. Die Stadt setzte zunächst eine Frist bis 31. März, verlängerte dann bis 9. April, zuletzt bis 20. April. Bis dahin sollte eine Sicherung erfolgen. Die Nationalparkverwaltung ging dagegen in Widerspruch, jetzt liegt die Sache beim Landratsamt in Pirna als nächsthöherer Behörde.

Praktisch dürften die Sperrschilder auch am 21. April und danach stehen bleiben. Nationalparkleiter Ulf Zimmermann hatte schon Mitte März angekündigt, dass vor dem Sommer im Großen Zschand nicht eingegriffen werden könne. Der anfangs als Umleitung ausgewiesene Pfad durch die Spitzsteinschlüchte ist mittlerweile ebenfalls gesperrt.

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