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Wohin sich der Tourismus in der Sächsischen Schweiz entwickeln soll

Der Tourismusverband hat seine Strategie bis 2030 festgezurrt. Es geht um mehr Nachhaltigkeit und mehr Mitsprache der Einwohner.

Von Dirk Schulze
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Besuchermagnet Bastei im Sommer 2020. Manchem war es zu viel.
Besuchermagnet Bastei im Sommer 2020. Manchem war es zu viel. © Steffen Unger

Spätestens im Sommer 2020 war der Punkt erreicht, an dem es einigen Einwohnern zu viel wurde. In der Ferienzeit nach dem ersten Corona-Lockdown, war der Ansturm auf die Sächsische Schweiz so groß wie nie. Die Folgen bekamen Urlauber wie Einheimische gleichermaßen zu spüren: Staus auf den Straßen, überfüllte Parkplätze, Schlangen vor den Restaurants und kaum noch ein ruhiges Plätzchen in der Natur.

"Wir merken, dass die Bevölkerung die Entwicklung durchaus skeptisch betrachtet", sagt Michael Geisler (CDU) Landrat und Vorsitzender des Tourismusverbands Sächsische Schweiz. Zum anderen ist der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig der Region. Eine Vielzahl der Menschen lebt direkt oder indirekt von den Gästen.

In diesem Spannungsfeld hat der Tourismusverband jetzt seine Strategie für die kommenden Jahre festgezurrt. Der Prozess war so aufwendig wie nie. Es gab eine Onlinebefragung, an der sich über 600 Einwohner beteiligten, mehrere Workshops sowie Expertengespräche mit über 80 Praktikern aus Gastronomie, Kultur und Freizeit, Verwaltung und Verkehr.

Vorreiter bei Nachhaltigkeit

Herausgekommen ist das "Tourismusleitbild Sächsische Schweiz 2030", ein 60-seitiges Strategiepapier, in dem die touristische Vision für die Region niedergeschrieben ist. Es geht um mehr Nachhaltigkeit, hohe Qualität, Einbindung der Einwohner und eine gezielte Weiterentwicklung touristischer Angebote.

Haben am Leitbild mitgewirkt: Juliane Gatomski vom Robert-Sterl-Haus; Nachaltigkeitsmanagerin Luisa Adlkofer, Landrat Michael Geisler; Ulrike Roth vom Landschaf(f)t Zukunft e.V.; Kai Reiße vom Berghotel Bastei (v.l.n.r.).
Haben am Leitbild mitgewirkt: Juliane Gatomski vom Robert-Sterl-Haus; Nachaltigkeitsmanagerin Luisa Adlkofer, Landrat Michael Geisler; Ulrike Roth vom Landschaf(f)t Zukunft e.V.; Kai Reiße vom Berghotel Bastei (v.l.n.r.). © Daniel Schäfer

Beim Thema Nachhaltigkeit sieht sich die Sächsische Schweiz als Vorreiter. Als erste Region in Sachsen wurde die Region im vergangenen Jahr als nachhaltiges Reiseziel zertifiziert. Entscheidende Voraussetzung dafür war die Gästekarte mobil, mit der Urlauber unkompliziert und kostengünstig den gesamten Nahverkehr in der Region nutzen können.

"Wir wollen umweltfreundliche Mobilitätsangebote unterbreiten", sagt Landrat Geisler. Dass sich beim fließenden und insbesondere beim ruhenden Verkehr etwas ändern muss, ist seit Langem offensichtlich. Dazu beitragen soll unter anderem ein dynamisches Verkehrs- und Parkleitsystem, dessen vollständige Umsetzung allerdings noch Jahre dauern wird.

Sensible Naturräume entlasten

Höchste Priorität im Tourismusleitbild hat die Besucherlenkung in der gesamten Nationalparkregion. Sensible Gebiete sollen entlastet werden, die Touristen insgesamt besser verteilt. Das kann einerseits durch Beschilderung vor Ort oder digitale Besucherinformationen in Echtzeit passieren oder auch dadurch, dass man weniger begangenen Ziele stärker in den Fokus rückt.

Generell sollen Tourismus und regionale Entwicklung enger miteinander verzahnt werden. Diese Zielstellung spiegelt sich schon in einer grundlegenden Feststellung wider. Bisher hatten die Touristiker das Alleinstellungsmerkmal der Sächsischen Schweiz so formuliert: "Natur erleben zwischen bizarren Felsen und wilden Schluchten in einer einzigartigen Nationalparkregion".

Dies wurde jetzt ergänzt um den Nebensatz "... in der die Aufenthaltsqualität der Gäste und die Lebensqualität der Einwohner gleichermaßen wichtig sind." Neben dem Werben um Urlauber sind nun also die Belange der Bewohner ebenfalls mit festgeschrieben. Beides steht ohnehin in einer Wechselwirkung, denn von Fördergelder für die Infrastruktur profitieren alle. Oder wie es Ulrike Roth vom Verband Landschaf(f)t Zukunft formuliert: " Wenn es den Besuchern bei uns gut geht, geht es uns selbst auch gut."

Zwei Infozentren für Touristen

Zur Besucherlenkung beitragen sollen zwei große Info- und Erlebniszentren für die Sächsische Schweiz. Sie sollen Besucher an ohnehin hochfrequentierten Anlaufpunkten abfangen und clever weiterverteilen. Neben Infos zu sehenswerten Zielen und Wandertouren könnten die Gäste dort gleichzeitig für angemessenes Verhalten in der Natur sensibilisiert werden.

Als ein Standort für ein solches Infozentrum ist die Bastei gesetzt, erklärte Tino Richter vom Tourismusverband. Konkrete Termine für eine Eröffnung gibt es aber noch nicht. Als zweiter Standort war bisher Leupoldishain angedacht, zusammen mit einem großen Auffangparkplatz noch vor der Festung Königstein. Mit der jüngst vorgestellten Studie, die den Nationalparkbahnhof in Bad Schandau als zentrale Mobilitätsdrehscheibe sieht, dürfte hier das letzte Wort allerdings noch nicht gesprochen sein.

Weiter Schwerpunkte im Tourismusleitbild sind die Stärkung des Wintertourismus sowie die Digitalisierung. Hier will der Tourismusverband vor allem die Vermieter und Gastwirte unterstützen, erklärte Ina Kische vom Verband. Es geht dabei unter anderem um interne Prozesse oder mobile Bezahlsysteme, aber auch um den Umgang mit Bewertungsportalen und Social Media. Besonders den vielen kleinen Ferienwohnungsbetreibern fehlen dafür die Kapazitäten.