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Schwarmbeben in Sachsen beunruhigen Forscher

Regelmäßig bebt die Erde im vogtländischen Grenzgebiet zu Tschechien. Unterirdisches Magma gilt als Ursache. Nun liegen Ergebnisse neuerer Bohrungen vor.

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Die Wissenschaftler vom Geoforschungszentrum aus Potsdam, Chemiker Gerhard Strauch (l) und Geochemiker Horst Kämpf, nehmen Gasproben aus einer Mofette in der Nähe des tschechischen Ortes Hartousov.
Die Wissenschaftler vom Geoforschungszentrum aus Potsdam, Chemiker Gerhard Strauch (l) und Geochemiker Horst Kämpf, nehmen Gasproben aus einer Mofette in der Nähe des tschechischen Ortes Hartousov. © Katrin Mädler/dpa (Archiv)

Tief unter der Erde des Vogtlandes und Westböhmens brodelt es. Die Bewohner dieser Regionen bekommen das immer wieder zu spüren, indem die Erde bebt. Seit Jahren arbeiten Wissenschaftler daran, die Schwarmbeben in der Region besser zu verstehen und haben weitere Messungen mit Spezialgerät vorgenommen. Drei Magmakammern – unterirdische Bereiche gefüllt mit Magma - werden unter dem Gebiet vermutet und als Auslöser der Beben angesehen, wie Horst Kämpf vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) erklärt. "Untersuchungsergebnisse jetzt haben gezeigt, dass zumindest eine davon aktiv ist. Das heißt, sie köchelt nicht einfach vor sich hin."

In dieser Kammer habe das Magma eher die Tendenz, zusammen mit Gasen aus der Tiefe in Richtung Erdoberfläche aufzusteigen. Durch vier Spezialbohrungen - unter anderem in dem Ort Landwüst bis in 402 Metern Tiefe – wurde der deutsch-tschechische Untergrund mit empfindsamer Messtechnik abgehört. Bei den Untersuchungen, die seit fünf Jahren laufen, seien auch aufsteigende Gas-Zusammensetzungen gemessen worden. Kämpf: "Die bisherigen Ergebnisse sind wichtige Indizien dafür, dass wir erhöhten Forschungsbedarf haben."

Denn in Erdbeben-Phasen konnten die Wissenschaftler eine Veränderung bei einzelnen chemischen Elementen messen. Das geschah beispielsweise bei den Heliumisotopen – diese gehören zum Element Helium, unterscheiden sich aber in der Masse. Die Forscher können durch unterschiedliche Heliumisotope erkennen, woher das aufsteigende Gas kommt – aus der oberen Erdkruste oder aus tieferen Schichten.

Experten mahnen eine dauerhafte Überwachung an

"Eine Änderung während der Erdbeben ist nur erklärbar durch Magma, das nach oben steigt", sagt Geologe Kämpf, der seit 1985 in der deutsch-tschechischen Erdbeben-Region forscht. Er plädiert für ein Gasforschungsprogramm, das die unterirdischen Vorgänge mit einer speziellen Heliumisotopenuntersuchung dauerhaft beobachtet. "Erst dann könnten wir einschätzen, ob sich langfristig eine potenzielle vulkanische Gefährdung für das Gebiet ergibt oder ob sich das Magma wieder beruhigt."

Seit 1997 beobachten die Forscher, dass sich die Erdbebenschwärme in dem Gebiet alle zwei bis fünf Jahre wiederholen, ergänzt Sigward Funke als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig. "Die Pausen waren früher größer, aber auch unsere Messgeräte unempfindlicher." Über die vergangenen 200 Jahre sei ein deutliches Auf und Ab der Erdbebenschwärme zu sehen, auch eine gewisse örtliche Wanderung, informiert das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. "Aber ein Trend im Sinn von Zu- oder Abnahme ist momentan nicht eindeutig auszumachen", heißt es weiter.

Bohrungen auch in Bayern geplant

Die jetzigen Bohrungen wurden laut Kämpf von dem Internationalen Kontinentalen Tiefbohrprogramm mit einer Million Dollar finanziert. Zwei weitere Bohrungen seien im bayrischen Grenzgebiet zu Tschechien geplant. Das gesamte Vorhaben gilt als internationales Großprojekt. Sachsens Geologie-Landesamt selbst ist dabei neben dem Potsdamer GFZ ebenso involviert wie die Universitäten Freiberg und Leipzig sowie tschechische Akademien. "Es werden noch viele Forschungsprojekte nötig sein, um die hochkomplexen geodynamischen Vorgänge in der Region vollständig zu verstehen", heißt es aus dem Landesamt.

Die Magmakammern selbst werden in etwa 30 Kilometern Tiefe vermutet. Die wiederkehrenden Erdstöße im Vogtland werden als Schwarmbeben bezeichnet. Aktuell erfährt die Region wieder eine solche Serie, die seit April dieses Jahres andauert. Das stärkste Erdbeben in den letzten 200 Jahren hat sich am 21. Dezember 1985 mit einer Stärke von 4,7 ereignet. Damals hatte es nach Behördenangaben leichte Gebäudeschäden gegeben.

"Untersuchungen an alten Erdschichten haben gezeigt, dass es Beben bis Magnitude 6,5 in der Region gegeben hat. Diese Ereignisse sind aber sehr selten", betonte das Landesamt für Geologie. "Trotzdem ist die ganze Region als Erdbebenrisikozone eingestuft." (dpa)