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Silvester-Krawalle: Kretschmer will Einsatz von Dashcams bei der Feuerwehr prüfen

Zu Silvester wurden Rettungskräfte massiv angegriffen. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer verurteilt die Taten nun aufs Schärfste - und will die Einsatzkräfte in Sachsen besser schützen.

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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat die bundesweiten Angriffe auf Einsatzkräfte zu Silvester verurteilt.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat die bundesweiten Angriffe auf Einsatzkräfte zu Silvester verurteilt. © Sebastian Kahnert/dpa

Die brutalen Angriffe auf Feuerwehrleute und Polizisten in der Silvesternacht haben bundesweit für Fassungslosigkeit und Entsetzen gesorgt. Nun hat auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) darauf reagiert und die Taten aufs Schärfste verurteilt. "Die Gewalttäter gegen Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten in der Silvesternacht müssen mit aller Konsequenz und Härte des Rechtsstaates verfolgt und belangt werden", heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Facebook-Post von Kretschmer.

Die Bevölkerung habe zudem das Recht, dass diese Verbrechen umfassend juristisch aufgearbeitet werden. Die sächsische Landesregierung werde daher nun auch über den Einsatz von Dashcams bei der Feuerwehr beraten, kündigte Kretschmer an.

Nach Silvester-Krawallen: 145 Festgenommene in Berlin wieder frei

Unterdessen sind die meisten der festgenommenen Silvester-Randalierer nach Hause zurückgekehrt - die politische Debatte über die Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte nimmt aber weiter Fahrt auf. Um solche Angriffe in Zukunft zu verhindern, brauche es rasch einen Runden Tisch mit Politikern und Praktikern sowie neue Ansätze in der Integrationspolitik, forderte am Dienstag die Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Wir brauchen diese Debatte sofort, und wir brauchen Ergebnisse, klare Konzepte und einen Plan, wer was umzusetzen hat", sagte der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke. Eine Einsatznacht mit schockierenden Vorfällen wie in der Nacht auf Sonntag dürfe sich zum nächsten Jahreswechsel nicht wiederholen, betonte er, "somit ist der Zeitrahmen gesetzt".

Mindestens 145 der während der Berliner Silvester-Krawalle festgenommenen Verdächtigen seien nach Feststellung der Identität freigelassen worden, teilte die Polizei auf Anfrage mit. Die meisten davon waren Männer, wie ein Polizeisprecher sagte. Er bestätigte damit Medienberichte. Alle Verdächtigen seien nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gekommen.

Es seien insgesamt 18 verschiedene Nationalitäten erfasst worden. 45 der Verdächtigen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit, 27 hätten die afghanische Nationalität und 21 seien Syrer. Ursprünglich war die Zahl der Festgenommenen mit 159 angegeben worden. Es habe Doppelzählungen gegeben, sagte der Polizeisprecher. Die Zahlen seien auch immer noch als vorläufig anzusehen.

In der Nacht zum Neujahrstag waren in mehreren Städten Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen worden, unter anderem mit Böllern und Raketen. Besonders heftig waren die Attacken in einigen Vierteln von Berlin.

41 zum Teil schwer verletzte Polizisten allein in Berlin

Die Berliner Polizei machte auf Nachfrage am Dienstag keine Angaben dazu, um wen es sich bei den mutmaßlichen Tätern handelt oder wo in der Stadt es zu den meisten Zwischenfällen kam. Die Auswertungen seien im Gange, noch habe man keine weiteren Erkenntnisse, sagte ein Sprecher. Am Sonntag hatte die Polizei nur mitgeteilt, dass unter den ersten 103 Festgenommenen 98 Männer und fünf Frauen waren.

Noch nicht bekannt ist auch, wie viele der 41 im Einsatz verletzten Polizisten zeitweise dienstunfähig waren. Der Sprecher sagte nur, ein Polizist, der schwere Brandverletzungen erlitten hatte, sei inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen.

In vielen Fällen hätten "gruppendynamische Prozesse, Alkoholmissbrauch, Sozialisationsdefizite und die Verfügbarkeit pyrotechnischer Gegenstände zu dieser bestürzenden Eskalation" geführt, sagte der GdP-Vorsitzende Kopelke. Gleichzeitig warnte er davor, "Menschen pauschal abzustempeln und als verloren zu erklären". Menschen in den betroffenen Stadtteilen müssten die Übergriffe verurteilen und Wege finden, solche Taten in Zukunft zu verhindern. Die Polizei könne hier beraten, lösen könne sie die Probleme jedoch alleine nicht.

Der GdP-Chef forderte: "Die Bundesregierung muss ihrem Koalitionsvertrag gerecht werden und Integrationspolitik auf Bundesebene neu angehen." An dem von ihm vorgeschlagenen Runden Tisch sollten sich neben Politikern und Polizei auch Rettungskräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Sozialarbeiter und Integrationsbeauftragte beteiligen.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Die Gewalttaten und gezielten Attacken gegen Einsatzkräfte sind abscheulich und müssen schnell und konsequent mit der ganzen Härte unseres Rechtsstaats bestraft werden." Sie fügte hinzu: "Wir müssen die Täter anhand ihrer Taten beurteilen, nicht anhand ihrer vermuteten Herkunft, wie dies nun einige tun."

Die Integrationsbeauftragte des Berliner Bezirks Neukölln, Güner Balci, sagte im Deutschlandfunk, in Großstadtvierteln "mit schwierigen sozialen Problemlagen" sei zu beobachten, "dass wir Kinder und Jugendliche haben, die mit häuslicher Gewalt als Alltag aufwachsen". Diese Jugendlichen seien zwar auch in diesen Vierteln nur eine Minderheit, "allerdings reicht ein Einziger, um ein ganzes Haus zu terrorisieren".

"Die Ausschreitungen in Berlin waren extrem. Die Hauptstadt ist damit jedoch keine Ausnahme", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Stefan Hussy. Kräfte der Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen klagten bereits seit Jahren über zunehmende verbale und körperliche Gewalt bei Einsätzen. Er forderte ein entschlossenes politisches Handeln und sagte: "In der Diskussion um Sicherheitskonzepte darf es keine Denkverbote geben - hierbei ist auch der Umgang mit Böllern zu prüfen."

Der Hamburger FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Sami Musa sagte: "Nach Angaben der Sicherheitskräfte handelt es sich bei vielen Angreifern um junge Männer mit Migrationshintergrund." Dies sei auch ein Schock für die große Mehrheit der gut integrierten Migranten in Hamburg. In Teilen der Stadt gebe es Integrationsprobleme. Diese müsse der Senat anpacken, anstatt über Böller-Verbote nachzudenken.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte am Montag eine bundesweite Debatte über Konsequenzen nach den Angriffen auf Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht gefordert. Giffey wies darauf hin, dass Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Januar den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernehme und schon zugesagt habe, das Thema dort anzusprechen.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, sieht darin ein Ablenkungsmanöver. Er sagte: "Der Rot-Rot-Grüne Senat in Berlin sollte seine Verantwortung nicht an den Bund abschieben." Falls nötig, könnten die für die Gefahrenabwehr grundsätzlich zuständigen Länder gemeinsam mit den Kommunen auch heute schon Maßnahmen treffen, um lokale Feuerwerks-Verbotszonen einzurichten.

Die Ursache für die Eskalation an Silvester in Berlin liege allerdings tiefer. "Wir müssen genau analysieren, wer die Täter sind und woher dieses hohe Maß an Respektlosigkeit gegenüber dem Staat und seinen Polizei- und Rettungskräften kommt", sagte der CDU-Politiker. Das habe auch damit zu tun, dass die Berliner Landesregierung bei kriminalitätsbelasteten Räume viel zu lange weggeschaut habe.

Sachsens Innenminister Schuster gegen komplettes Böllerverbot

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hatte sich bereits am Vortag gegen ein komplettes Verkaufsverbot von Böllern für das Silvesterfeuerwerk ausgesprochen. Zugleich verurteilte er am Montag Angriffe auf Einsatzkräfte und Rettungsfahrzeuge. Dies zeuge von Respektlosigkeit gegenüber Menschen, "die unseren Staat verkörpern", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Deshalb müssen die Tatverdächtigen schnell und wirkungsvoll strafrechtlich verfolgt werden. Auch sollte über den Einsatz von Dashcams bei der Feuerwehr nachgedacht werden. Von einem generellen 'Böllerverbot' halte ich aber nichts." Die meisten Menschen würden verantwortungsvoll mit Feuerwerkskörpern zum Jahreswechsel umgehen.

"Was wir aber besser im Blick haben müssen, ist die Verbreitung von illegalen Sprengmitteln. Sie richten jedes Jahr auch in Sachsen verheerenden Schaden an – von tragischen Unglücksfällen, die leider auch tödlich enden können, ganz zu schweigen", betonte der Minister. In Sachsen war ein Jugendlicher durch Pyrotechnik ums Leben gekommen Nach Angaben des Innenministers wurden zu Silvester keine Beamten verletzt, vereinzelt aber Einsatzfahrzeuge beschädigt. (SZ/mit dpa)