Dresden. Landtag, Regierung, Gesellschaft - drei Wochen nach dem Tod von Kurt Biedenkopf (1930-2021) hat Sachsen am heutigen Freitag offiziell Abschied von seinem ersten Ministerpräsidenten nach der Wiedergründung des Freistaates 1990 genommen. Etliche Politiker erwiesen Biedenkopf die letzte Ehre, unter anderem sein direkter Nachfolger Georg Milbradt. Auch die langjährigen Landesminister Albrecht Buttolo und Klaus Hardraht kamen zum Staatsakt in die Frauenkirche. Biedenkopfs Witwe Ingrid wurde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in die Kirche geführt.
Neben Landtagspräsident Matthias Rößler und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gehörten laut Staatskanzlei auch Alt-Bundespräsident Horst Köhler, Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU), Bundesverfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth und Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) zu den insgesamt rund 300 geladenen Trauergästen. Auch Verlegerin Friede Springer kam in die Frauenkirche.
Steinmeier würdigte Biedenkopf als intelligenten Vordenker
Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz sagte, Biedenkopfs Tod bringe Trauer und Schmerz. Der katholische Bischof Heinrich Timmerevers betonte, Biedenkopf habe es "nicht fern" gelegen, Menschen für etwas zu bestärken.
Steinmeier würdigte Biedenkopf als intelligenten Vordenker und souveränen Regierungschef im Freistaat. "Hier in Sachsen bestand kein Anlass zur Sorge", sagte der Präsident mit Blick auf Biedenkopfs 1990 startende Amtszeiten. Der richtige Mann sei zur rechten Zeit in Sachsen gewesen. Mit Blick auf den im Volksmund gegenwärtigen"Titel" "König Kurt" sagte Steinmeier: "Auch treffende Spitznamen muss man sich verdienen."
Der Bundespräsident sprach von Biedenkopf als einem anregenden und originellen Politiker, der ein reflektierter Denker gewesen sei und "im Praktischen" gewusst habe, worauf es ankommt. Auch Ingrid Biedenkopfs Arbeit für Bürgeranliegen würdigte Steinmeier. Über Kurt Biedenkopf sagte er zum Ende der Rede: "Seine Stimme wird uns fehlen."
Kretschmer: "Wir werden Kurt Biedenkopf in liebevoller Erinnerung behalten"
Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) hob hervor: "Wir werden Kurt Biedenkopf in liebevoller Erinnerung behalten." Dessen Vermächtnis sei das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft. Zudem habe Biedenkopf stets einen respektvollen Umgang mit anderen gepflegt. "Das ist in diesen Tagen ganz besonders wichtig", sagte Kretschmer. Biedenkopf sei ein Demokrat gewesen, "der immer für den Ausgleich eingetreten ist". Er habe Freude am Diskurs und am argumentativen Ringen um die beste Lösung gehabt.
Kretschmer sagte: "Kurt Biedenkopf hat eine Regierung aus wirklich starken Persönlichkeiten gebildet." Die Debatten dort seien "nicht immer leise" verlaufen, letztlich aber "unglaublich erfolgreich" gewesen.
Laschet lobte Biedenkopf als "intellektuellen Antreiber"
"Er war ein Visionär, aber kein Fantast." - Das sagte CDU-Kanzlerkandidat und NRW-Regierungschef Armin Laschet bei der Trauerfeier. "Seine große Chance war der Fall der Mauer." In Sachsen habe Biedenkopf Visionen wie den Aufbau der Frauenkirche gehabt. Das Land sähe anders aus, wenn ein anderer damals regiert hätte, betonte Laschet. Er lobte Biedenkopf als "intellektuellen Antreiber der deutschen Politik". Als CDU-Generalsekretär habe er aus der Honoratioren - eine lebendige Mitgliederpartei gemacht. Biedenkopf sei "klarer Marktwirtschaftler" mit sozialer Verantwortung gewesen.
Zum Abschluss der Feier verneigte sich Ingrid Biedenkopf mit Steinmeier und anderen Gästen vor einem Bild des Verstorbenen. Steinmeier führte die Witwe aus der Kirche.
Unter den Gästen waren Hinterbliebene, Weggefährten und Freunde des Verstorbenen sowie führende Persönlichkeiten aus Politik, Religion, Wirtschaft und Kultur.
Der Rechtsprofessor Kurt Biedenkopf stammte aus Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz). 1973 wurde er Generalsekretär der CDU, avancierte dann aber zum Rivalen des damaligen Vorsitzenden Helmut Kohl.
Mit absoluter Mehrheit regiert
Ende der 1980er Jahre war die politische Laufbahn des Juristen im Grunde zu Ende, mit der Wende in der DDR kam jedoch die Chance für ein Comeback. Der CDU-Politiker Lothar Späth überredete den Juristen, in den Osten zu gehen und sich in Sachsen um das Amt des Ministerpräsidenten zu bewerben.
Unter seiner Führung gewann die CDU drei Landtagswahlen, sie regierte mit "König Kurt", wie er auch in Anlehnung an den legendären sächsischen Barockfürsten August der Starke genannt wird, bis 2002 mit absoluter Mehrheit. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt blieb Biedenkopf seiner Wahlheimat und der Politik verbunden, arbeitete wieder als Rechtsanwalt in Dresden und publizierte. Am 12. August starb er mit 91 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in der sächsischen Landeshauptstadt. Er wurde bereits im engsten Familienkreis beigesetzt.
Die Einträge in den beiden Kondolenzbüchern, die in der Staatskanzlei auslagen, zeugen von der Wertschätzung der Sachsen für den früheren Regierungschef. "Es war mir eine Ehre, für Sie zu arbeiten", "Danke für die Aufbauarbeit, 'König Kurt', "Wir verneigen uns vor der Lebensleistung" oder "Der richtige Mann, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort" - aus den Zeilen sprechen Dankbarkeit, Anerkennung und Trauer. (SZ/ale/abi/gs/dpa)