Nur noch ein öffentlich-rechtlicher Sender, keine Werbung und weniger
Fußball: Die medienpolitischen Forderungen der Unions-Mittelständler
haben es in sich, fließen Teile doch womöglich ein in das
Bundestagswahlprogramm von CDU und CSU. Auch unter sächsischen
Rundfunkpolitikern hat die Debatte um die Positionierung der
Mittelstands- und Wirtschaftsunion der konservativen Schwesterparteien
begonnen. „Der billige Einheitskanal“, twittert die grüne
Landtagsabgeordnete Claudia Maicher, „wird teuer für unsere Demokratie“.
Diese lebe von unabhängigen, solidarisch finanzierten
Öffentlich-Rechtlichen. Der SZ sagt Maicher: „Wir brauchen einen
öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der eine umfassende Berichterstattung
ermöglicht.“
Unter dem Motto „zu groß, zu teuer, zu unausgewogen“ regen die
vom CDU-Bundestagsabgeordneten Carsten Linnemann geführten Unions-Mittelständler einen Umbau an. Aus ARD und ZDF soll wegen
„massiver Einsparpotentiale“ ein Sender werden. Dessen Schwerpunkt
liegt, so die Idee, bei Informationen, Kultur und regionaler
Berichterstattung. Eine Anstalt unterhält Korrespondentenbüros landesweit
sowie im Ausland. Sport und Unterhaltung wie Serien sollen stärker
privaten Sendern und Streamingdiensten wie Netflix überlassen werden.
Maicher, deren Partei mit CDU und SPD in Sachsen eine Koalitionsregierung
trägt, widerspricht: „Auch Unterhaltung und Fiktionales zählen zum
Auftrag, auch Fiktion zeigt die Vielfalt einer Gesellschaft.“
SPD-Fraktionschef Dirk Panter zeigt sich ebenfalls kritisch.
„Vordergründig geht es um Effizienz und Kosten, im Kern greift man aber
oft, wie auch hier, die journalistische und inhaltliche Ausrichtung der
Sender an“, betont er.
Die Unionsmittelständler verweisen auf eine
Studie, wonach es europäische Anstalten etwa in Frankreich und
Großbritannien besser gelingt, „Zuschauer des gesamten politischen
Spektrums zu erreichen“. Zudem bemängeln sie den Vorstoß einzelner
Moderatoren bei ARD und ZDF für eine gendergerechte Sprache.
Diskussionen auch in Sachsen
In der sächsischen Union werden die Ideen ebenfalls debattiert. Der
Landeschef der Mittelstandsvereinigung, Markus Reichel, spricht von
einer nicht abgeschlossenen, lebhaften Diskussion. In den
Grundstrukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sieht er ein
„Modell, das nach dem Krieg geschaffen wurde“. Entstanden sei
mittlerweile ein „Biotop mit teils völlig überhöhten Vergütungen und
Versorgungsansprüchen“. Reichel plädiert für die Vereinfachung der
Strukturen. Zudem regt er Wettbewerb an: „Wieso können nicht zumindest
einzelne Programme öffentlich ausgeschrieben werden und das beste
Angebot ausgewählt werden?“
Der Medienexperte der Landtags-CDU, Andreas Nowak, mahnt ebenfalls
Reformen an, setzt den Akzent aber etwas anders. „Wir wollen sieben
linear verbreitete TV-Programme.“ Diese Forderung enthält ein
Positionspapier der Fraktion vom Juni. Verlangt werden darin ein
Hauptprogramm sowie je ein Kanal für Großereignisse, Kultur, Kinder, ein
regionales Programm pro Landesrundfunkanstalt sowie ein europäisches
Gemeinschaftsprogramm wie Arte oder 3Sat. Auch das wäre mit Blick auf 21
derzeit ausgestrahlte öffentlich-rechtliche TV-Programme eine
Reduktion.
"Oldiebasiertes Dudelradio"
Kürzungsmöglichkeiten sieht Nowak auch bei den 74 Radiosendern.
Eins von mehreren Beispielen macht er im Nachtprogramm aus: „Die
ARD-Hitnacht ist ein oldiebasiertes Dudelradio. Das kann man problemlos
ohne Rundfunkbeiträge produzieren.“ Den Vorschlag der Mittelstandsunion,
die Aufsichtsgremien der Sender durch Rundfunkparlamente zu ersetzen,
unterstützt Nowak nicht. Ergänzend zu den Rundfunk- und
Verwaltungsräten benötige es wie bei der Ermittlung des Finanzbedarfs
eine unabhängige Kommission. „Sie nimmt nicht nur die einzelnen
Anstalten, sondern den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den
Blick und prüft, ob der Auftrag erfüllt, die Qualität sichergestellt und
die Vielfalt gewahrt werden und ob die Angebote die nötige Akzeptanz in
der Bevölkerung erhalten“, sagt der Abgeordnete.
Um ARD, ZDF und Deutschlandradio ist eine umfassende Debatte entstanden.
Im Dezember stoppte Sachsen-Anhalt die Erhöhung des monatlichen
Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro. Kritiker bemängeln, dass das
Angebot mittlerweile zu groß und teuer sei. Etwa acht Milliarden Euro
erhalten die Anstalten pro Jahr an Beitragsmitteln. Die Intendanten
verweisen auf bereits umgesetzte, tiefgreifende Einsparungen und den von
der Politik definierten Auftrag. In Karlsruhe klagen die
Öffentlich-Rechtlichen für die erste Beitragserhöhung seit mehr als
einem Jahrzehnt.
Welche Ideen der Unionsmittelständler umgesetzt werden, ist offen. Die Fusion zu einer Anstalt gilt kurzfristig als unwahrscheinlich. Die Forderung nach weiterer Verschlankung ist parteiübergreifend. Über Rundfunkstaatsverträge entscheiden Länderparlamente. Der CDU-Politiker Linnemann spricht von Reformvorschlägen, die einen Prozess anstoßen sollen.
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