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Sachsen ist Hotspot der Flüchtlingsbewegungen

Von Monat zu Monat kommen immer mehr Flüchtlinge mit Zügen aus Tschechien an. Für die Beamten in Dresden ist die Arbeit kaum zu schaffen. Sie bekommen jetzt Unterstützung.

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Ein Bundespolizist führt einen Flüchtling aus Syrien im Ankunftsbereich für Geflüchtete im Dresdner Hauptbahnhof nach der Registrierung zu einem Schlafplatz.
Ein Bundespolizist führt einen Flüchtling aus Syrien im Ankunftsbereich für Geflüchtete im Dresdner Hauptbahnhof nach der Registrierung zu einem Schlafplatz. ©  dpa/Robert Michael

Dresden. Der Eurocity 178 von Prag nach Berlin ist für viele Menschen ein Zug der Hoffnung. Wenn er planmäßig um 8.26 Uhr am Grenzbahnhof Bad Schandau hält, steigen am Anfang und am Ende des Zuges Bundespolizisten zu. Auf der 20-minütigen Fahrt bis Dresden führen sie stichprobenartig Kontrollen durch.

"Oft melden sich Flüchtlinge von selbst. Die meisten sind froh, wenn sie deutsche Bundespolizisten sehen. Denn dann wissen sie, dass sie am Ziel sind", sagt Holger Uhlitzsch. Der Polizeihauptkommissar arbeitet bei der Bundespolizeiinspektion Dresden, die nicht nur den Hauptbahnhof der sächsischen Landeshauptstadt, sondern auch noch den hiesigen Flughafen im Blick hat.

Seit Sommer ist die Zahl der Migranten auch im Bereich der Dresdner Inspektion sprungartig gestiegen. Waren es im Juli noch gut 500, kamen im August schon 1.200 und im September etwa 2.400 - das waren etwa so viele wie im gesamten Jahr 2021. Vor allem Menschen aus Syrien werden bei der unerlaubten Einreise aufgegriffen, aber auch Iraker und Afghanen. "Etwa 95 Prozent von ihnen treffen ohne Papiere ein, die meisten sind zwischen 15 und 25 Jahre alt", berichtet Inspektionsleiter Rico Reuschel. Die Strecke zwischen Prag und Dresden ist in den vergangenen Jahren immer mehr zur internationalen Transitstrecke geworden.

Ein Zettel mit der Frage nach der Minderjährigkeit klebt in deutscher und arabischer Sprache im Ankunftsbereich für Geflüchtete im Dresdner Hauptbahnhof.
Ein Zettel mit der Frage nach der Minderjährigkeit klebt in deutscher und arabischer Sprache im Ankunftsbereich für Geflüchtete im Dresdner Hauptbahnhof. ©  dpa/Robert Michael

Jetzt wartet Holger Uhlitzsch mit seinem Kollegen Thomas Bergel am Gleis 3 des Hauptbahnhofes, um das Eintreffen von Migranten zu verfolgen. An diesem Vormittag steigen ein Dutzend Menschen aus, junge Männer und ein Kind. Man sieht ihnen an, dass sie eine lange Reise hinter sich haben. Manche sind nur leicht bekleidet. Gepäck haben sie nicht. Einer der Syrer kann mit verbundenen Füßen nur ohne Schuhe laufen. Als es zu einer Treppe geht, muss er gestützt werden. Beamte bringen die Migranten zu einem Areal, dass die Bundespolizei auf dem Bahnhof angemietet hat. Hier gibt es eine Erstversorgung, es werden Personalien erfasst und erste Untersuchungen vorgenommen. Den Betroffenen steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.

Ohne eine Abordnung von Kollegen der Bundespolizei aus Ratzeburg (Schleswig-Holstein) würden die Dresdner Kollegen den Ansturm derzeit gar nicht schaffen. Einer der Beamten aus dem Norden spricht Arabisch und kann viele Fragen schon im Bahnhof klären. Zur Erfassung der biometrischen Daten werden die Geflüchteten später in Kleingruppen zur Dienststelle der Bundespolizei gebracht. Dort stehen auch Dolmetscher bereit. Die Abläufe sind eingeübt. Anders als noch zur Flüchtlingskrise 2015 soll kein Migrant ohne vorherige Registrierung in das Asylverfahren kommen. Auch für Deutschland spielt Sicherheit eine wichtige Rolle. Wer von der Bundespolizei in einer Datenbank erfasst wird, kann später auch von anderen Behörden erkannt werden.

Uhlitzsch verweist auf die psychische Belastung der Beamten. "Der Zustand vieler Flüchtlinge nimmt die Leute mit." Er selbst kann sich an einen Fall erinnern, wo ein Paar ohne seine drei Kinder ankam. Eines war im Chaos bei der Landung des Schlauchbootes verschwunden, zwei hatten Schlepper als Pfand bis zur vollständigen Bezahlung der Flucht zurückgehalten, gaben die Eltern zu Protokoll. Für die Beamten gibt es die Möglichkeit, solche Erfahrungen etwa mit einem Seelsorger zu besprechen. Dass zuletzt Vorwürfe von Racial Profiling gegen Beamte erhoben wurden, hat die Kollegen aufgebracht. In Gesprächen auch mit Politikern versuchen sie zu klären, was ihre Aufgabe ist und wie sie den gesetzlichen Auftrag umzusetzen haben.

"Der Gesetzgeber hat uns den Auftrag erteilt, unerlaubte Einreisen zu verhindern. Entscheidend für die Maßnahmen ist der aufenthaltsrechtliche Status, nicht die Ethnie oder Herkunft der Person", stellt Reuschel klar. Noch in diesem Jahr wolle man eine Art "Bearbeitungsstraße" einrichten, um noch effektiver sein zu können und die Betroffenen noch schneller dem Asylverfahren zuzuführen. Gegenwärtig sprenge die Dimension an Neuankömmlingen das normale Maß. Auch Uhlitzsch ist davon überzeugt, dass angesichts der weltweiten Entwicklung die Flüchtlingsströme nicht verschwinden werden: "Wir stellen uns auf einen Marathon ein, nicht auf einen Sprint." (dpa)