Sachsens Lehrer arbeiten zu viel

Dresden. Viele Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen überschreiten regelmäßig deutlich ihre Arbeitszeit. Nach einer Studie der Universität Göttingen arbeiten die Lehrkräfte im Jahresdurschnitt etwa drei Stunden mehr pro Woche als vorgeschrieben. Eine Mehrheit der Lehrkräfte leiste regelmäßig Mehrarbeit, sagte Studienleiter Frank Mußmann.
Die Daten würden bisherige Studien aus anderen Bundesländern bestätigen. Sachsen liege dabei aber noch über dem bundesweiten Durchschnitt.
Ein Drittel der Lehrkräfte in Vollzeit arbeite während der Schulzeit sogar mehr als 48 Stunden pro Woche – ein Verstoß gegen geltende Vorschriften des Arbeitsschutzes. Die hohe Belastung gefährde die Gesundheit der Lehrkräfte, etwa durch Burnout, so Mußmann. Nach Einschätzung der Studienautoren leisten Lehrerinnen und Lehrer in Teilzeit oft noch mehr Überstunden, weil Vollzeitbeschäftigte dafür gar nicht mehr so viel "Luft nach oben" hätten.
Die repräsentative Studie wurde im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erstellt. Dafür sind im Juni und Juli mehr als 1.470 Lehrekräfte an 300 sächsischen Grund- und Oberschulen sowie Gymnasien online befragt worden.
Nur ein Drittel der Arbeitszeit ist Unterricht
Die Studie bestätigt einen bundesweiten Trend: Der Unterricht bestimmt nur noch zu einem Drittel den Arbeitsalltag von Lehrkräften. Durch Themen wie Inklusion, Digitalisierung, Integration und Corona aber auch schulorganisatorische und administrative Aufgaben müssen Lehrer immer mehr zusätzliche Tätigkeiten erledigen.
„Das Problem ist, dass die neuen Aufgaben immer noch obendrauf kommen und aufgrund des Lehrkräftemangels immer mehr Arbeit von immer weniger Lehrkräften bewältigt werden muss“, sagte Sachsens GEW-Chefin Uschi Kruse.

Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte gaben an, wegen der Belastung frühzeitig in den Ruhestand gehen zu wollen, jede Sechste will in Zukunft die Zahl der Unterrichtsstunden reduzieren.
Drei Viertel der Lehrkräfte fühlen sich „stark belastet“, weil sie zu wenig Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts haben. Das führt dazu, dass diese Tätigkeiten reduziert werden. Darunter leidet die Qualität des Unterrichts.
Die Vorbereitungszeit für die Unterrichtsstunden zu reduzieren, sei die einzige Möglichkeit, kurzfristig die Überstunden zu regulieren, schreibt eine Lehrkraft am Gymnasium in den Fragebogen der Studie. "Leider auf Kosten der Qualität."
Eine Grundschullehrerin schreibt, sie liebe ihren Job, aber "das System, in dem wir arbeiten, schickt unzählige fantastische Pädagoginnen und Pädagogen ins Burnout".
GEW: Sachsen müsse Fürsorgepflicht nachkommen
Die Göttinger Forscher schlagen unter anderem eine Reform des Deputatsmodells und der Arbeitszeitverordnung vor. Außerdem brauche es eine Aufgabenkritik, es müsse geregelt sein, wie Aufgaben im Sinne der Bildungsqualität priorisiert werden können. Lehrkräfte und Schulleitungen müssten entlastet werden und Aufgaben abgeben, etwa an Sekretariate, Schulassistenten und Sozialarbeiter. „Vorstellungen, Altersermäßigungen streichen zu wollen, sind absolut kontraproduktiv“, so Mußmann.
Die Gewerkschaft forderte, die Landesregierung müsse ihrer Fürsorgepflicht nachkommen. „Die Belastung von Lehrkräften und Schulleitungen muss endlich auf ein ertragbares Maß sinken“, so Kruse.
SPD-Bildungspolitikerin Sabine Friedel verwies darauf, dass dem Lehrerberuf in Sachsen viel finanzielle Anerkennung verschafft wurde. Lehrer in Sachsen werden mittlerweile überwiegend ab der Entgeltgruppe 13 bezahlt, das entspricht einem Bruttoeinkommen von mindestens 4.000 Euro.
"Doch Geld ist nicht alles", sagte Friedel. "Lehrkräfte brauchen Zeit." Mit Schulassistenz, Schulsozialarbeit und starken Unterstützungssystemen würden Lehrerinnen und Lehrer bereits entlastet, das werde auch fortgesetzt. Sachsen brauche aber "endlich mehr Mut, die Schule inhaltlich neu zu denken": mit schlanken Lehrplänen, weniger Stofffülle und mehr praktischem Lernen.
Die Studie bestätige, dass Lehrerinnen und Lehrer einen unverzichtbaren Job machen und dabei am Limit arbeiten, sagte Christin Melcher (Grüne). "Die Rahmenbedingungen müssen besser werden." Es brauche deutlich mehr Lehr- und Assistenzkräfte.
Außerdem wenden sich die Grünen gegen eine generelle Kürzung von Anrechnungs-, Ermäßigungs- und Abminderungsstunden. "Wer hier pauschal Einsparpotenzial wittert, verkennt sowohl die Altersstruktur der sächsischen Lehrkräfte als auch die Vielzahl an Funktionen und Aufgaben, die in Schulen anfallen", so Melcher.
Die Linke fordert, Lehrpläne und Zusatzaufgaben zu entschlacken und schulfremde Angebote stärker zu nutzen. "Weiteres Personal muss die Lehrkräfte unterstützen, damit sie ihrer eigentlichen Aufgabe nachgehen können: dem Unterrichten", sagte die bildungspolitische Sprecherin Luise Neuhaus-Wartenberg. Die beste Werbung für den Lehrkraftberuf seien Arbeitsbedingungen, die Gestaltungsmöglichkeit und Freude anstelle von Überlastung bedeuten.