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Umweltfreundlicher und leichter: Musikwinkel arbeitet an Neuheiten

Ein jahrhundertealtes Handwerk braucht neue Lösungen: Dem Musikwinkel im Vogtland machen Umweltrichtlinien zu schaffen, auch Ansprüche an Instrumente ändern sich.

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Instrumentenmacher Max Hertlein betrachtet seine aus Kupfer gefertigte Trompete "La Rossa" in der Werkstatt des Familienunternehmens Werner Chr. Schmidt. Das Instrument kommt ohne Schwermetalle aus.
Instrumentenmacher Max Hertlein betrachtet seine aus Kupfer gefertigte Trompete "La Rossa" in der Werkstatt des Familienunternehmens Werner Chr. Schmidt. Das Instrument kommt ohne Schwermetalle aus. © Jan Woitas/dpa

Markneukirchen. Die Bogenmacher sind nur ein kleiner Teil der rund 2500 Beschäftigten in 130 Werkstätten im vogtländischen Musikwinkel. Doch ihretwegen hat die gesamte Branche kürzlich die Luft angehalten, wie der Leiter des Studiengangs Musikinstrumentenbau in Markneukirchen, Hannes Vereecke, erzählt.

"Das brasilianische Tropenholz Fernambuk als wichtigster Werkstoff des Streichbogenbaus wäre fast durch die UN-Artenschutzliste verboten worden." Und den Bogenmachern fehlten dafür bislang Alternativen. "Dann hätten die Bogenbau-Werkstätten im Grunde schließen können", konstatiert der Professor der Außenstelle der Westsächsischen Hochschule Zwickau.

Auch wenn die bedrohte Holzart vorerst weiter verwendet werden darf – das Beispiel zeigt laut Vereecke die Verwundbarkeit des Instrumentenbaus. "Wir fahren die Forschungen im Bereich Bogenbau hoch. Das Wissen, was einen guten Streichbogen ausmacht, haben nur noch wenige Handwerker." Und die seien meist schon über 60 Jahre alt. Mit Eile müssten die Kenntnisse auf eine wissenschaftliche Ebene gehoben werden, um dann eines Tages das Tropenholz der Bögen, die etwa für Geigen oder Cellos gebraucht werden, ersetzen zu können.

Innovationen geraten durch die Energiekrise ins Stocken

"Wir forschen intensiv zum Schwingungsverhalten, zum Gewicht oder zur Geometrie eines Streichbogens. Wir haben durch die geballte Kraft vieler Fakultäten eine Mess-Einrichtung entwickelt, mit der wir Laser-Analysen durchführen können", erläutert Vereecke. Das Wissen aus den Forschungen soll ab 2025 in einen neuen Studiengang für Bogenbau in Markneukirchen münden.

Die Kenntnisse im Instrumentenbau hätten sich über Jahrhunderte entwickelt und stießen nun auf Richtlinien, die sich fast jährlich änderten, beklagt Steffen Meinel als Obermeister der Innung des Vogtländischen Musikinstrumentenhandwerks Markneukirchen. Verbote bei Lacken, Lösungsmitteln, Blei und Nickel machten den Betrieben zu schaffen. "Wir arbeiten intensiv an Auswegen, passen Arbeitsschritte oder Materialien an. Dann kommt die nächste Verordnung, die alternative Materialien ebenfalls verbietet und somit Probleme bereitet."

Trotzdem ist laut Meinel der vogtländische Instrumentenbau besser durch die jüngsten Krisen gekommen als zunächst befürchtet. "Die Auftragsbücher sind ganz gut gefüllt. Große Unsicherheit herrscht allerdings bei den Energiekosten." Die könnten sich langfristig auf die Instrumentenpreise auswirken, schätzt der Obermeister. "Wir merken eine Zurückhaltung der Kunden. Durch die Preise fürchten wir, international unattraktiver zu werden."

Auch einige Innovationen würden durch die Energiekrise ins Stocken geraten. "Einheimisches Holz etwa kann durch Hitze derart behandelt werden, dass es in seiner Festigkeit und Farbe dem bedrohten Ebenholz gleicht. Damit ist es für uns Instrumentenbauer von Interesse." Dabei müsse das Holz allerdings mit hohem Druck bearbeitet werden und die benötigte Energie erscheine gerade jetzt exorbitant hoch.

Mit der innovativen, fast ausschließlich aus Kupfer gefertigten Trompete "La Rossa" machte kürzlich der Instrumentenmacher Max Hertlein auf sich aufmerksam: Sie kommt ohne Schwermetalle aus – wofür es im vergangenen Jahr den Umweltpreis der Handwerkskammer Chemnitz gab. Normalerweise entstünden Metallblasinstrumente aus sogenanntem Neusilber, einer Metallmischung, in der Nickel und auch kleinere Mengen Blei enthalten sind. "Das macht sie zwar sehr haltbar, leichter in der Herstellung", sagt Hertlein vom Familienunternehmen Werner Chr. Schmidt in Markneukirchen.

Hochschule und Manufaktur arbeiten an leichteren Akkordeon

Doch die EU-Chemikalienverordnung REACH bereitet den Instrumentenbauern Sorgen. Denn Nickel und Blei standen schon mehrfach vor einem Verbot. "Dann könnten wir die herkömmlichen Instrumente nicht mehr produzieren", erläutert Hertlein. Aktuell sei das EU-Verbot ausgesetzt. "Wir tüfteln trotzdem schon an den Alternativen", ergänzt Hertlein. "La Rossa" sei ein guter Anfang und überzeugend im Klang. "Der Verkauf läuft gut an, die Herstellung allerdings ist aufwendig, der Preis höher als bei einer normalen Trompete", sagt der Instrumentenmachermeister.

An einem leichteren Akkordeon forscht die Weltmeister Akkordeon Manufaktur in Klingenthal. "Das Gewicht der Instrumente ist nicht zu unterschätzen. Es ist schwierig, damit längere Zeit auf der Bühne zu stehen", sagt Geschäftsführer Frank Meltke. Bis zu 14 Kilogramm wiegt ein Akkordeon normalerweise. Die Manufaktur will das Gewicht um bis zu 40 Prozent verringern. Dazu werden in einem Projekt mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig die rund 3.500 Einzelteile eines herkömmlichen Klingenthaler Akkordeons vermessen und Zeichnungen angefertigt.

"Dann wollen wir das verwendete Material genau prüfen und bestenfalls durch leichteres ersetzen", erklärt Meltke. Damit hoffe die Manufaktur auf eine große Innovation aus Klingenthal. "Akkordeons werden seit fast einhundert Jahren gleich gebaut. Wir wollen uns damit auf dem Markt neu etablieren", sagt der Geschäftsführer des Unternehmens, das nach der Insolvenz 2015 auch auf schwierige Jahre zurückblickt. "Seit dem Ende der DDR sind viele Laborbefunde, Messergebnisse und kreative Ideen unseres Hauses verloren gegangen. Das Wissen wollen wir uns neu erarbeiten." (dpa)