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Tourismus in der Sächsischen Schweiz: Die Nerven liegen blank

Der Sommer ist in der Sächsischen Schweiz eigentlich Hochsaison für Touristen. Wegen des Feuers fürchten Hoteliers und Gastronomen nun aber um ihre Existenz. Ein Besuch vor Ort.

Von Andrea Schawe
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Die Aussicht an der Brand-Baude in Hohnstein ist gerade nicht geöffnet - sie liegt im Wald.
Die Aussicht an der Brand-Baude in Hohnstein ist gerade nicht geöffnet - sie liegt im Wald. © Robert Michael

Hohnstein. Das Jahr ist durch. Sven Reumann, der mit seiner Familie die Hocksteinschänke in Hohnstein betreibt, zieht diese bittere Bilanz mit brüchiger Stimme und Tränen in den Augen. „Das Feuer wird noch nachhallen“, sagt er. „Die Saison ist vorbei.“

Wegen des Waldbrandes in der Sächsischen Schweiz ist die Tourismuswirtschaft in der Region fast komplett zusammengebrochen. Viele Gäste sind frühzeitig abgereist oder haben ihre Urlaube in den kommenden Wochen abgesagt. Auch die Buchungen für September und Oktober werden schon reihenweise storniert. Sorgen macht den Betrieben, dass kaum Neubuchungen eingehen – Kurzurlauber suchen sich andere Ziele und sind damit für dieses Jahr verloren. Die für die Region so wichtigen Tagesgäste bleiben ebenfalls aus.

Eigentlich ist gerade Hauptsaison. Bis 2019 besuchten etwa 500.000 Gäste im Jahr die Sächsische Schweiz. Auch in Pandemiezeiten war die Region ein beliebtes Reiseziel: Mit mehr als 424.000 Besuchern 2020 und 314.000 im vergangenen Jahr fielen die Einbußen trotz der monatelangen Schließungen geringer aus als in anderen Regionen. Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig der Region.

Betretungsverbot der Wälder ist ein Problem

Man habe sich eigentlich für den Winter etwas Speck anfüttern wollen, doch nun könne man das Geschäft für dieses Jahr abhaken. „Das ist eine gruselige Situation für alle.“ Viele Betriebe verdienen im Sommer und im Herbst das Geld, das sie brauchen, um über den Winter zu kommen. Zwar versuchen viele Unternehmer in der Region auch in den Wintermonaten ein Geschäft aufzubauen und attraktive Angebote zu machen – gefruchtet hat das allerdings noch nicht richtig. Ohne eine gute Sommersaison geht es schnell an die gesamte Existenz. Zumal die Corona-Pandemie das Eigenkapital schmerzlich reduziert hat und viele nach den Lockdowns keine Reserven mehr haben.

Die Stornierungen seien nur das aktuelle Problem, es gehe nach den zwei schlimmen Pandemiejahren auch um Inflation, explodierende Energiepreise, Fachkräftemangel und wachsende Personalkosten. „Wir kommen aus einer ausweglosen Situation und steuern in eine ausweglose Situation“, sagt Margaux Steiger, die mehrere Hotels in der Region führt. Früher habe man manches durch unternehmerisches Geschick noch verhindern können. Jetzt scheine all das Erlernte nutzlos. „Meine wirkliche Sorge ist, dass wir wie in einem ICE sitzen, auf eine Klippe zurasen und die Bremse nicht mehr reinkriegen.“

Wie überall im Landkreis sind auch am Besuchermagneten Bastei bei Lohmen alle Waldwege gesperrt.
Wie überall im Landkreis sind auch am Besuchermagneten Bastei bei Lohmen alle Waldwege gesperrt. © kairospress

Bei Sven Reumann liegen die Nerven blank. Sein Restaurant ist seit 1907 in Familienbesitz, man habe eine Verantwortung gegenüber dem Erbe und auch gegenüber den Mitarbeitern. „Wir müssen uns immer wieder selber motivieren und können es bald nicht mehr.“ Auch frühere Generationen hätten mit Problemen zu kämpfen gehabt, sagt er. „Aber die Probleme werden immer mehr, die Zyklen immer kürzer.“

Eine Hoffnung haben die Touristiker, um die Saison vielleicht doch noch zu retten: Dass das Betretungsverbot für alle Wälder im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge schnell aufgehoben oder zumindest gelockert wird. Selbst in den Gebieten, die nicht vom Brand betroffen sind, ist das Betreten der Wälder derzeit nicht gestattet. Dabei sind 90 Prozent des Nationalparks Sächsische Schweiz gar nicht betroffen.

Tino Richter vom Tourismusverband Sächsische Schweiz kann die Entscheidung des Landratsamtes zwar nachvollziehen, um die Kapazitäten der Feuerwehr auf das Brandgeschehen im hinteren Teil des Elbsandsteingebirges zu konzentrieren. Dort brennen seit mehr als einer Woche etwa 150 Hektar Wald, es treten immer wieder Glutnester auf, täglich sind mehr als 550 Kameradinnen und Kameraden im Einsatz. „Wir können uns keinen weiteren Brandherd mehr leisten.“ Erst vor zwei Wochen hatte der Wald unterhalb der Bastei gebrannt – vermutlich Brandstiftung.

Die Feuerwehr ist seit mehr als einer Woche in der Nähe des Großen Winterberges im Einsatz.
Die Feuerwehr ist seit mehr als einer Woche in der Nähe des Großen Winterberges im Einsatz. © Matthias Rietschel

An diesem Punkt müsse man ansetzen, sagt Hotelchefin Steiger. Es brauche ein Konzept mit „Maß und Mitte“ für den Nationalpark, Übernachtungen sollten verboten werden, nötig sei ein generelles Rauchverbot, mehr Ranger und auch mehr Aufklärung darüber, wie man sich verhält. „Manche Leute gehen hier mit einem Gaskocher in den Wald.“ Außerdem müsse das Thema Brandschutz für den Nationalpark komplett neu bewertet werden, forderte Tino Richter vom Tourismusverband. „Es muss eine Perspektive geben, damit so eine Katastrophe nicht noch einmal passiert.“

Finanzielle Hilfe ist "überlebenswichtig"

Kurzfristig sei schnelle, finanzielle Hilfe überlebenswichtig, sagt Richter. Und zwar bis ins nächste Frühjahr. Tourismusministerin Barbara Klepsch (CDU) hat Unterstützung zugesichert. „Wir müssen innerhalb der Regierung zusätzliche schnelle Hilfe besprechen. Man braucht keine Kredite, man braucht schnelle Liquidität“, sagte Klepsch. Es gehe auch um Werbung für Urlaub in der Sächsischen Schweiz, sobald dies wieder uneingeschränkt möglich ist.

Bis dahin versuchen die Hoteliers und Gastronomen, ihre Gäste darauf hinzuweisen, was alles geht: Dampfer- und Bootsfahrten auf der Elbe, Fahrradtouren auf dem Elberadweg oder ein Besuch der Festungen, Burgen und Schlösser.