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Was können wir tun gegen den Hass?

Kritische Debatten zwischen Lesern und Redaktion sind dringender denn je, aber das Klima ist oft vergiftet. Wie können Diskussionen sachlicher geführt werden?

Von Olaf Kittel
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Olaf Kittel ist Ombudsmann bei der Sächsischen Zeitung.
Olaf Kittel ist Ombudsmann bei der Sächsischen Zeitung. © picture alliance/Nicolas Armer/dpa

Kennen Sie das? Sie schreiben eine Mail oder posten etwas in den sozialen Netzwerken und denken an nichts Böses. Und plötzlich kommt eine Hassbotschaft zurück, die einen umwirft. Je mehr jemand in der Öffentlichkeit steht, umso besser kennt er das. Bürgermeister, Abgeordnete, Künstler, Polizisten, Ärzte, Wissenschaftler erleben das Phänomen seit Jahren. Auch Journalisten.

Als Ombudsmann kümmere ich mich vor allem um Probleme der Leser. Wenn sie mal keine Antwort auf ihre Sorgen aus Redaktion oder Verlag bekommen oder wenn ein Streit zu schlichten ist. Manchmal wendet sich auch ein Journalist an mich. So wie die Kollegin, die auf einen Kommentar hin böse und in einigen Fällen hasserfüllte Kommentare bekam, die sie schwer erschütterten. Sie stellte die richtige Frage: Wie kann denn nur ein Klima entstehen, in dem kritische Debatten sachlich geführt werden?

Damit wir uns nicht missverstehen: Die große Masse der Zuschriften an die SZ ist kritisch, aber sachlich. Die Redaktion ist dankbar dafür, weil sie viele Anregungen enthalten und oft überraschende Argumente in die Diskussion einbringen.

Es muss Grenzen geben

Aber es gibt auch anderes. Da ist ein Leser, der über Facebook schlimme Beschimpfungen und Beleidigungen loslässt und, als er von der Redaktion den Regeln entsprechend gesperrt wird, mit einem neuen Account sein übles Wirken fortsetzt. Da ist ein Leser, der glaubt, seine Begeisterung der Redaktion mitteilen zu müssen, dass es in der Eishockey-Nationalmannschaft keine „Halbneger und Nigger“ gibt. Da schreit eine ältere Demonstrantin einer jungen Reporterin, die sie gar nicht kennt, voller Hass „Lügenpresse“ ins Gesicht. Und leider haben wir auch Gewalt gegen Reporter und Fotografen erlebt.

Die meisten Journalisten sind durchaus nicht überempfindlich. Sie können es aushalten, wenn in einer Debatte die Wortwahl verrutscht oder die Kritik an einem Artikel mal emotionaler ausfällt. Aber es muss Grenzen geben. Grenzen des Anstands und Grenzen der Vernunft. Wer andere anschreit und verletzt, darf nicht damit rechnen, gehört zu werden. Nur halbwegs sachlich vorgetragene Meinungen werden in einer kritischen Debatte zum Dialog führen, der wirklich etwas bewirken kann.

Ist Polemik hilfreich?

Aber wie bekommen wir das hin? Welche Regeln müssen für eine kritische Debatte gelten, die auch konstruktiv sein will? Eigentlich sollte ein Leitartikel die Antworten liefern. Aber dieser hier will nur Denkansätze liefern – weil die SZ-Redaktion solche Regeln gern mit ihren Lesern gemeinsam entwickeln will.

Ich will bei der eigenen Zunft beginnen. Journalisten sollten stets klar argumentieren und die eigene Meinung deutlich herausstellen. Sie sollten aber auch die Wirkung ihrer Argumente bedenken. Sind sie für die Zielgruppe wirklich verständlich und nachvollziehbar? Oder: Wer gern und gut argumentiert, neigt manchmal zur Polemik. Aber ist Polemik bei polarisierenden Themen hilfreich – oder erreicht sie gerade jetzt nicht eher das Gegenteil? Oder: Reagieren Redakteure auf kritische Leserkommentare immer sachlich oder tragen sie manchmal auch selbst zur Zuspitzung bei? Mein Rat an Kollegen und Leser gleichermaßen: Besser eine Nacht über der Antwort schlafen und erst dann in die Tasten greifen.

Wie soll die Redaktion mit Hassmails, Beschimpfungen der üblen Art, Rassismus und verfassungsfeindlichen Kommentaren umgehen? Beantworten? Ignorieren? Anzeigen bei strafrechtlich relevanten Inhalten? Solche Mails automatisch aussortieren? Überall in den Redaktionen in Ost und West wird das Thema diskutiert, fertige Antworten gibt es bisher kaum.

Wir wollen ernst genommen werden

Wichtiger als der Umgang mit Hassmails ist die Frage, wie Leser und Redaktion miteinander kommunizieren. Als Ombudsmann kann ich da auf einige Erfahrungen verweisen. Leser wollen vor allem ernst genommen und in gesellschaftliche Debatten einbezogen werden, nicht nur pro forma. Redaktionen sollten mehr Möglichkeiten dafür anbieten. Sie sollten mehr Leserideen nutzen, gezielt Fachleute aus der Leserschaft einbeziehen, Erfahrungen älterer Leser nicht abtun. Insgesamt also mehr Raum für konstruktive Debatte schaffen.

Und Journalisten? Auch sie wollen von ihren Lesern ernst genommen werden. Tatsächlich. Sie wünschen sich Reaktionen auf ihre Artikel, selbstverständlich auch kritische, aber in einem vernünftigen und sachlichen Ton. Der macht bekanntlich die Musik – und Leser, die dies beherzigen, werden überrascht sein, wie konstruktiv Redakteurinnen und Redakteure auf Kritik reagieren können.

Schreiben Sie uns Ihre Meinung, wie Leser und Redaktion noch besser in einen konstruktiven Dialog kommen können. Welche Regeln sollen gelten? Am nächsten Sonnabend werden Ihre Anregungen und Meinungen veröffentlicht. [email protected] oder an Sächsische Zeitung, Leserbriefe, 01055 Dresden