Dass ein Finanzminister in Pandemiezeiten viele Probleme hat, ist normal. Dass eines davon damit zusammenhängt, dass die Kassen noch nicht gänzlich leer sind, ist wiederum das spezielle Problem von Sachsens oberstem Kassenwart Hartmut Vorjohann (CDU).
Den ersten Versuch, die eigene Corona-Finanzreserve mit anderen teilen zu müssen, konnte der Minister diese Woche noch abwehren. Massive Forderungen des Bundes, wonach sich die Bundesländer künftig stärker an den Kosten für Corona-Hilfsmaßnahmen beteiligen sollen, konterte er mit dem Hinweis, dass der Freistaat längst fleißig zahle: „Hier wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, die Länder hätten sich bisher nicht beteiligt. Das Gegenteil ist der Fall. Sachsen hat bereits vor Ostern einen Coronabewältigungsfonds aufgelegt. Mit den darin enthalten finanziellen Mitteln und Kreditermächtigungen hat der Freistaat 6,7 Milliarden Euro zur Bewältigung der Krise zur Verfügung gestellt.“
Genau dieses Vorsorgepaket erhöht jetzt aber nicht nur den Druck aus Berlin, sondern auch Begehrlichkeiten im eigenen Land. Denn allein sechs Milliarden Euro dieses Hilfsetats stehen in Form von Kreditermächtigungen zur Verfügung – also Geld, das sich die Landesregierung in Abstimmung mit dem Landtag von den Banken leihen kann, um so Maßnahmen zur Linderung der Pandemiefolgen zu finanzieren.
Kretschmer warnt vor neuen Kosten
Der Haken: Obwohl Sachsen seit dem Frühjahr bereits etwa 2,5 Milliarden Euro für eben diesen Zweck ausgegeben hat, blieb der Corona-Kreditfonds vergleichsweise wenig angetastet. Da für Hilfsmaßnahmen zunächst neben angesparten Landesmitteln auch Bundeshilfen eingesetzt wurden, musste man laut dem Finanzministerium in Dresden bisher nur etwa 1,5 Milliarden Euro aus dem eigenen Corona-Kreditfonds in Anspruch nehmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass immer noch Kreditaufnahmen von bis zu 4,5 Milliarden Euro möglich sind.
Bislang flossen in Sachsen die meisten Unterstützungsgelder an heimische Unternehmen. Von bereitgestellten Darlehen im Gesamtumfang von 800 Millionen Euro sind 760 Millionen ausgezahlt. Von 500 Millionen Euro, die für die Kommunen eingeplant sind, flossen bisher 395 Millionen Euro. Und der 350-Millionen-Etat für den Schutz der Bevölkerung und der Stärkung des Gesundheitswesens ist mit ungefähr 150 Millionen Euro ausgeschöpft, der 70-Millionen-Hilfstopf für Kultur und Tourismus mit knapp 20 Millionen.
"Diese Kraft hat Sachsen nicht"
Diese Zahlen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weiterhin viele Betroffenengruppen gibt, die nur wenig oder überhaupt keine Corona-Hilfen erhalten haben, obwohl sie dringend darauf angewiesen sind. Sie drängen nun Woche für Woche stärker auf zusätzliches Geld. Vereinzelte Aktionen der Landesregierung wie die angekündigte kostenlose Verteilung von fünf Millionen FFP2-Schutzmasken an Besucher von Alten- und Pflegeheimen, die vor Ort keine eigene Maske zur Hand haben, verstärken bei ihnen nur den Einruck, dass die finanzielle Situation des Freistaates trotz des zweiten Lockdowns doch gar nicht so schlecht sein kann.
Der Dauerhinweis des Finanzministers, dass man jeden geliehenen Euro wieder zurückzahlen muss und der Kreditfonds zudem für Corona-Hilfsprogramme im kommenden sowie im Jahr 2022 reichen muss, verhallt da schnell ungehört. Mittlerweile hat sich deshalb Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in die anschwellende Debatte eingebracht.
So verweist er darauf, dass Sachsen schnell knapp bei Kasse sein könnte, wenn das Land ab Januar selber Überbrückungshilfen für geschlossene Wirtschaftsbetriebe zahlen müsste, was bisher der Bund übernimmt. Auch das erneute Schließen von Läden und Geschäften – sollte der aktuelle Lockdown keine Besserung bringen –, könnte noch sehr teuer werden. Er warnt daher eindringlich: „Diese Kraft hat der Freistaat Sachsen nicht.“