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Wie Rechtsextreme sich in Sachsen einkaufen

Wer selbst ein Grundstück besitzt, muss sich nicht mit den Vorgaben anderer plagen. Rechte oder auch rechtsextreme Gruppierungen kaufen deshalb im Osten Immobilien als Rückzugsorte - auch in Sachsen.

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Diese Aufnahme von 2016 zeigt Peter Fitzek vor dem ehemaligen Krankenhaus in Wittenberg.
Diese Aufnahme von 2016 zeigt Peter Fitzek vor dem ehemaligen Krankenhaus in Wittenberg. © Foto: Robert Michael/Agentur/Archiv

Im "Königreich" von Peter Fitzek packt der Monarch höchstpersönlich mit an. Auf einem Werbevideo des "Gemeinwohlstaates Königreich Deutschland" sieht man ihn mit einem Baumstamm auf der Schulter durch einen verwilderten Garten laufen. "Meine Vision ist, dass wir ein eigenversorgtes Dorf hinbekommen, wo wir eigentlich alles das machen können, was man da draußen nur schwerlich tun kann", sagt er in die Kamera.

Mit "draußen" meint er die Bundesrepublik. "Drinnen" ist demnach sein eigenes Reich. Seit wann gerade ein Königreich für Gemeinwohl steht, bleibt Fitzeks Geheimnis. Der Verfassungsschutz Sachsen rechnet ihn den "Reichsbürgern" zu. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat ihm mehrfach unerlaubte Geschäfte seiner "Gemeinwohlkasse" untersagt.

In Sachsen sind derzeit im ostsächsischen Bärwalde und in Eibenstock (Erzgebirge) "Gemeinwohldörfer" im Entstehen. Dazu hat Fitzek, der aus Halle an der Saale stammt und sich selbst auch als Menschensohn bezeichnet, mit dem Geld seiner "Untertanen" zwei heruntergekommene Schlösser gekauft. Nach seinen Vorstellungen sollen sich die Dörfer "unabhängig von alten Systemstrukturen versorgen" und ein selbstbestimmtes Leben "ohne Impfpass, Maske und Zentralbankkonto" ermöglichen. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist alarmiert.

"Rechte Landnahme" in Ostdeutschland nimmt zu

"Das 'Königreich Deutschland' leugnet die geltende Rechts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Es will pseudo- legitimierte Parallelstrukturen zu real existierenden staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen wie beispielsweise dem Steuer- und Finanzwesen sowie dem sozialen Sicherungssystem aufbauen", schrieb LfV-Präsident Dirk-Martin Christian im März in einer Art Warn- Schreiben an Kommunalpolitiker. Fitzek sei für seine Ziele auf die Ersparnisse beziehungsweise Finanzeinlagen seiner "Bewohner" zwingend angewiesen. Es bestehe die Gefahr, dass sich weitere extremistische, sektenähnliche Siedlungsgemeinschaften herausbildeten.

In Sachsen sind derzeit im ostsächsischen Bärwalde und in Eibenstock (Erzgebirge) "Gemeinwohldörfer" im Entstehen. Dazu Peter mit dem Geld seiner "Untertanen" zwei heruntergekommene Schlösser gekauft.
In Sachsen sind derzeit im ostsächsischen Bärwalde und in Eibenstock (Erzgebirge) "Gemeinwohldörfer" im Entstehen. Dazu Peter mit dem Geld seiner "Untertanen" zwei heruntergekommene Schlösser gekauft. © Hendrik Schmidt/dpa

Tatsache ist, dass die "rechte Landnahme" - so wird das Phänomen inzwischen genannt - vor allen in Ostdeutschland zunimmt. Während in Fitzeks "Königreich" die Grenzen zu Verschwörungstheorien und Esoterik fließend scheinen, gilt anderswo rechte Ideologie als Markenkern. Nach Angaben des Verfassungsschutzes wirbt seit Februar 2020 etwa die "Initiative Zusammenrücken" für die Ansiedlungen von Rechtsextremisten in "Mitteldeutschland", vor allem im Raum Leisnig. In der Stadt, aber auch in umliegenden Gehöften, hätten sich in den vergangenen Jahren Rechtsextremisten mit ihren Familien angesiedelt.

Die Akteure kämen auch aus dem Westen, heißt es. "Sie zählen zur Neonazi-Szene, manche von ihnen gehören dem parteigebundenen rechtsextremen Spektrum an. Auch ehemalige Mitglieder der im Jahr 2009 verbotenen neonazistischen 'Heimattreuen Deutschen Jugend' zählen dazu", heißt es im Jahresbericht des Verfassungsschutzes. "Ziel ist es, einen an rassistischen und völkischen Ideen orientierten Lebensentwurf zu verwirklichen, der ein Zeichen gegen die von der Szene empfundene 'Überfremdung' durch die Zuwanderer setzen soll."

"Hier wird man noch als richtiger Deutscher akzeptiert"

Dafür scheint der ländliche Raum in Ostdeutschland bester Nährboden. Einer der Protagonisten der "Initiative Zusammenrücken" hält Sachsen für ein ideales Gebiet, da "man hier noch als richtiger Deutscher akzeptiert" werde und "als Volk in Ruhe wieder wachsen könne", zitiert ihn der Verfassungsschutz im Lagebericht. Geworben wird etwa mit günstigen Bedingungen wie preiswertem Wohnraum, niedrigen Immobilienpreisen, ländlicher Abgeschiedenheit und geringen Zahlen an Migranten. Experten sehen in den Siedlungsprojekten zugleich ein Indiz für Bestrebungen, die rechtsextreme Szene weiter zu vernetzen.

Auch in Thüringen beobachtet der Verfassungsschutz Umtriebe Rechter beim Immobilienerwerb, so etwa in Schmölln. Sie verbänden damit vor allem die Erwartung, "durch Schaffung ständig verfügbarer Anlaufstellen örtliche Strukturen zu festigen, sich ungehindert zu internen Treffen versammeln und damit auch überregionale Anziehungskraft ausüben zu können". Das Thüringer Landesamt hat einen Handlungsleitfaden für Kommunalpolitiker verfasst, doch ist das Gegensteuern schwierig. Nicht selten läuft der Kauf über unbedenklich erscheinende Strohmänner ab.

Auch der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt sieht den Erwerb von Immobilien durch Rechtsextreme als Gefahr für die innere Sicherheit. Die Orte dienten nicht nur für Versammlungen, sondern könnten bei Vermietung auch Einnahmen bringen. Als Beispiel nennt das Amt das "Lokal 18" in Naumburg.

Der Verfassungsschutzbericht Brandenburg listet für 2020 eine ganze Reihe von Immobilien der rechtsextremen Szene auf, darunter "Die Mühle" in Cottbus und einen Kleingarten in Rathenow. "Politische Arbeit und der Kontakt innerhalb der Szene gestalten sich mit einer eigenen Immobilie deutlich leichter", hieß es. "Extremistische Parteien und Gruppierungen sind immer auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten oder Grundstücken, die sich möglichst im Eigentum eines Anhängers oder eines Sympathisanten befinden." (dpa)