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Sachsens Hochzeit des Jahrhunderts

Vor 300 Jahren heiratete der Sohn August des Starken Österreichs Kaisertochter. Mit virtueller Realität lässt sich die Feier jetzt noch einmal erleben - als wäre man dabei gewesen. 

Von Birgit Grimm
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Schloss Hubertusburg in Wermsdorf – wunderschön und für eine neue Schau mal wieder wachgeküsst.
Schloss Hubertusburg in Wermsdorf – wunderschön und für eine neue Schau mal wieder wachgeküsst. © SKD/Jörg Schöner

Der Mittelpunkt Sachsens liegt in Wermsdorf, also gefühlt auf halber Strecke zwischen Dresden und Leipzig. Nie gehört? Nie eine Weihnachtsgans oder einen Karpfen, eine Forelle, einen Saibling, Hecht, Wels oder Stör in der Gegend gekauft? Nie das Schloss Hubertusburg besucht? Dann wird es höchste Zeit! Seit Sonntag wird auf Schloss Hubertusburg der 300. Hochzeitstag der spektakulärsten und bedeutendsten Vermählung gefeiert, die Sachsen je erlebt hat. 

Zugleich wurde das Schloss, in dessen Sanierung der Freistaat seit 1999 mehr als 80 Millionen Euro investierte, nach sechs Jahren wieder einmal für die kunst- und geschichtsinteressierte Öffentlichkeit wachgeküsst. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) und das Schlösserland Sachsen hauchen der Jagdresidenz aus dem 18. Jahrhundert erstmals gemeinsam Leben ein, indem sie die Hochzeitsfeierlichkeiten von Kurprinz Friedrich August mit der österreichischen Kaisertochter Maria Josepha neu inszenieren und zugleich aus der langen und abenteuerlichen Schlossgeschichte plaudern.

Die Krux: Die Hochzeit von Kurprinz Friedrich August und der österreichischen Kaisertochter Maria Josepha, von der 1719 ganz Europa sprach und 2019 mindestens ganz Sachsen reden soll, fand nicht auf Schloss Hubertusburg statt, sondern natürlich in Dresden. 1721 ließ August der Starke, der stolze Papa, für das junge Prinzenpaar ein Jagdschloss im Wermsdorfer Wald als weitläufige Dreiflügelanlage errichten. Nachdem ihm der Kurprinz 1734 auf den polnischen Königsthron gefolgt war, machte er Hubertusburg zu seiner Herbstresidenz und ließ das Schloss ab 1736 als vierflüglige Anlage nach dem Entwurf des Architekten Johann Christoph Knöffel neu gestalten. 

Heute gilt das Schloss als einer der wichtigsten Rokoko-Bauten Sachsens und als größtes Schloss im Lande. Zudem ist die gewaltige Jagdresidenz eine der größten in Europa. Die besten Dresdner Hofkünstler malten, bildhauerten, komponierten, spielten und sangen für und auf Hubertusburg. Zum Schloss gehört eine wunderbar erhaltene und bis heute genutzte Kapelle. In einem kleinen Opernhaus aus Holz, das leider nicht mehr existiert, wurden zu besonderen Anlässen Operninszenierungen aufgeführt. Christoph Hasse brachte seine „Ipermestra“ zum Beispiel 1751 zuerst in Hubertusburg auf die Bühne. Wenn sich also jetzt Sachsens Regierung darum kümmert, die ländlichen Regionen zu entwickeln, hat sie ein spätbarockes Vorbild: August III. hat wie kein Zweiter Kunst und Kultur aufs platte Land gebracht. Nur dass die Landbewohner damals nicht allzu viel davon mitbekamen und außer vielleicht Arbeit wohl nichts davon hatten.

Louis de Silvestre porträtierte um 1730 den Kurprinzen Friedrich August von Sachsen und kurz nach der Hochzeit 1719 dessen Gemahlin Maria Josepha. 
Louis de Silvestre porträtierte um 1730 den Kurprinzen Friedrich August von Sachsen und kurz nach der Hochzeit 1719 dessen Gemahlin Maria Josepha.  © SKD/Elke Estel/Hans-Peter Klut

Doch zurück zur Hochzeit, die in Dresden den ganzen September des Jahres 1719 gefeiert wurde. Mit dieser Verbindung klopften die Wettiner am Kaiserhaus an. Dieser außenpolitische Triumph, der die Position der Wettiner in Europa festigte, musste ausgiebig gefeiert und der Welt eindrucksvoll vor Augen geführt werden. August der Starke ließ sich die Feierlichkeiten sechs Millionen Taler kosten. Das wird billiger gewesen sein, als Krieg zu führen. Die Vermählung hatte man von langer Hand eingefädelt. Der junge Kurprinz Friedrich August wurde als Vierzehnjähriger von seinem Vater auf Kavalierstour durch Europa geschickt.

August der Starke, der im protestantischen Sachsen zum Katholizismus konvertiert war, um polnischer König werden zu können, wollte seinen Sohn dem lutheranischen Einfluss von Mutter und Großmutter entziehen. Das funktionierte prima. Am Ende seiner Tour hielt der folgsame Sohn in Wien um die Hand von Maria Josepha an. Es war eine arrangierte Ehe, aber die beiden wurden ein inniges Paar, mit gemeinsamem Schlafzimmer und fünfzehn gemeinsamen Kindern. So viele hatte nicht mal August der Starke mit seiner Gattin und mit diversen Mätressen in die Welt gesetzt. Schöner erzählt sich die Legende, er habe 365 Kinder gezeugt.

Auf Hubertusburg fühlten sich das Paar – beide liebten die Jagd – und später die königliche Großfamilie ausgesprochen wohl. Es war nicht so eng wie in Dresden, weder räumlich noch konfessionell.

Langer Gang der Schlossgeschichte

Weil kein anderer Ort so intensiv mit Friedrich August und Maria Josepha verbunden war, ist die Idee, ihren 300. Hochzeitstag auf Hubertusburg zu feiern, legitim und sehr sympathisch. Schon 2013 bewiesen die Staatlichen Kunstsammlungen mit ihrer Schau zum Hubertusburger Frieden von 1763, dass das Schloss als Ausstellungshaus eine gute Figur macht, auch wenn vorerst nur ein kleiner Teil der Räume dafür ertüchtigt wurde.

Dass man darüber hinaus die abenteuerliche Schlossgeschichte publikumswirksam in unsanierten Räumen erzählen kann, beweisen die Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten. Die Besucher werden auf einem langen Gang aus der Gegenwart ins Jahr 1719 geschickt, ohne dass sie ein einziges originales Exponat zu Gesicht bekommen. In jedem Raum, der von diesem langen Gang abzweigt, findet man eine Jahreszahl mit einer Kurzinformation, die akustisch untermalt wird. Sanierung seit 1999 und Bohrung nach dem legendären Bernsteinzimmer sind da noch angenehme Geräusche. Gruslig wird es, als das Schloss psychiatrische Heilanstalt war, in der zwischen 1914 und 1918 etwa 1 500 Patienten verhungerten. Erbärmliche Zustände herrschten auch um 1813, als ein Lazarett für die Verwundeten der Völkerschlacht eingerichtet wurde. Zehntausend Soldaten starben, wo sie genesen sollten.

Blick in einen der Ausstellungsräume mit einer bemalten Sänfte. Die Muster auf den Böden der Räume zeigen Schrittfolgen und Drehungen von höfischen Tänzen. 
Blick in einen der Ausstellungsräume mit einer bemalten Sänfte. Die Muster auf den Böden der Räume zeigen Schrittfolgen und Drehungen von höfischen Tänzen.  © Oliver Killig

Ein bitteres Kapitel war die von Friedrich II. von Preußen befohlene Plünderung im Siebenjährigen Krieg, mit der er die Sachsen in die Knie zwingen wollte. 1761 wurden nicht nur die 300 Gemälde verschleppt und die Möbel verkauft. Dem Turm wurden die großen Glocken und die Uhr abgenommen. Von den Dächern wurde die Kupfereindeckung und aus den Böden das Parkett gerissen. Sogar das Blattgold schabte man von den Klinken. Nur die Schlosskapelle blieb verschont, weil der Hofkaplan vor Friedrich II. von Preußen auf Knien um Gnade gefleht haben soll.

187 Gemälde wurden schon vier Jahre später auf einer Auktion in Amsterdam angeboten und schließlich in der Welt verstreut. Nur vierzehn Bilder kehrten in die Dresdner Gemäldegalerie zurück. Im Gang des Schlosses stehen nun an die Wand gelehnt originalgroße Fotokopien von Gemälden, von denen man weiß, wo sie sich heute befinden.

Das Finale der Schau wird dann wieder sehr viel versöhnlicher und opulenter. Im Vorraum vor dem Hubertussaal, der einst größer war als der Riesensaal im Dresdner Schloss, erweckt eine faszinierende Collage aus bewegten Kunstwerken die rauschenden Feste zum Leben, die der Dresdner Hof zur Hochzeit von Kurprinz Friedrich August und Maria Josepha veranstaltete. August der Starke höchstselbst erklärt die Dramaturgie. Sohn und Schwiegertochter kommen im Hubertussaal zu Wort. Sie lassen keinen Zweifel daran, wie sehr sie alljährlich die Herbstzeit in ihrer Jagdresidenz genossen haben.

Ausstellung und Schlosscafé sind bis zum 6. Oktober, Di – So, 10 – 18 Uhr geöffnet. Eintritt: 7 €/5 €, Gruppen ab 10 Personen: 6 € p. P.