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Samis Weg

Flucht aus Syrien, jetzt Job in Görlitz: Sami Shmayess lernt Deutsch – und bringt ehrenamtlich Senioren in Weinhübel Englisch bei.

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© nikolaischmidt.de

Von Matthias Klaus

Ein bisschen hat ja Dieter Zetsche Schuld. Als der Daimler-Chef im vergangenen Herbst sagte, dass Flüchtlinge eine große Chance für die deutsche Wirtschaft seien, dachte sich Christian Marx: Der Mann hat recht. „Das ist genau der richtige Weg“, sagt der Görlitzer SQS-Leiter. Statt auf dem Marienplatz rumzuhängen, den Leuten eine Beschäftigung bieten – dass ist sein Motto. Er stimmte sich mit der Firmenzentrale in Köln ab, bekam dort grünes Licht. Natürlich, weiß Christian Marx, hat nicht jeder Flüchtling, der nach Görlitz kommt, das Zeug zum Testen von Software großer Firmen, wie es bei SQS gemacht wird. „ Wir müssen ganz einfach differenzieren. Aber wer die Fähigkeiten hat, dem geben wir eine Chance“, sagt Christian Marx.

Sami Shmayess ist so einer. Der Mann aus Syrien ist 33 Jahre alt. Seit 1. Mai arbeitet er bei SQS. Die Stelle hat er über ein Speed-Job-Dating bekommen. Zunächst ist er noch in Ausbildung, sechs Wochen lang, wird jetzt in ein Projekt übernommen. „Wir haben ihn behandelt wie jeden anderen Bewerber“, sagt Christian Marx. Sami Shmayess sitzt noch ein bisschen schüchtern an seiner Tastatur und lächelt. Der Syrer stammt aus Latakia, der einzigen großen Hafenstadt des Landes am Mittelmeer. Rund 400 000 Menschen, so sagen es jüngste offizielle Schätzungen, leben dort. Die Stadt gilt als weltoffen. Das hat Sami Shmayess offensichtlich ein Stück weit geprägt. „Ich bin nicht religiös“, sagt der Syrer. Er glaube zwar an einen Gott, der über allem steht. „Aber das hat nichts mit muslimisch oder christlich zu tun“, schildert Sami Shmayess.

Vor dem Krieg war Latakia eine Urlaubsgegend, auch für Deutsche, für Görlitzer. Sami Shmayess lernte vor acht Jahren Neißestädter in seiner Heimatstadt kennen, hielt seither Kontakt zu ihnen. Der Grund, wegen dem er schließlich in Görlitz landete. Vorhergegangen waren viele Tage der Unsicherheit. „Als der Krieg kam, mussten wir umziehen, von Stadt zu Stadt“, erzählt Sami Shmayess. Er ist verheiratet, seine Frau, Schwestern, die Eltern leben weiterhin in Syrien. „Es wurde immer schwieriger“, sagt Sami Shmayess. Heute sind die Russen in Latakia, die Stadt gilt als einigermaßen sicher. Der Hafen ist ein Knotenpunkt, über den die Versorgung der Bevölkerung läuft. Sami Shmayess’ Frau, die Verwandtschaft sind inzwischen wieder in der Mittelmeerstadt. Es gehe ihnen gut. Er selbst wählte inzwischen einen Weg, den viele Flüchtlinge gegangen sind und gehen. Sami Shmayess möchte nicht weiter darüber reden. Er hätte natürlich gern seine Frau in Görlitz. „Aber sie muss erst zu Gesprächen in die Botschaft. Die haben sich verzögert“, sagt er.

Sami Shmayess ist eigentlich gelernter Englisch-Lehrer, war an einer staatlichen Schule in Syrien beschäftigt. „Gemeinsam mit meinem Vater habe ich dann noch eine kleine Firma aufgebaut. Wir programmierten Webseiten“, erzählt er. Das Programmieren hat sich Sami Shmayess selbst beigebracht. Deshalb kennt er sich auch mit Computern, Software aus. Dennoch, für SQS sind neue Mitarbeiter wie Sami Shmayess eine Herausforderung. „Bis vor einem halben Jahr galt bei uns die Regel: Wer hier arbeitet, muss muttersprachlich Deutsch können“, sagt SQS- Chef Christian Marx. Kein Wunder, die Kunden der Tester kommen fast ausnahmslos aus Deutschland. Dass heute Kollegen etwa aus Mexiko, Kamerun, Tunesien, Polen und eben nun Syrien bei SQS in Görlitz beschäftigt sind, liege schlicht am Fachkräftemangel, sagt Christian Marx. Sami Shmayess lernt seit einem halben Jahr Deutsch an der Volkshochschule. Er kann sich gut mit den Kollegen verständigen. „Er hat ein Sprachtalent“, lobt Christian Marx. Neben den erforderlichen Sprachkenntnissen hat SQS mit einem weiteren Prinzip zugunsten Sami Shmayess gebrochen. Eigentlich stellt die Firma unbefristete Arbeitsverträge aus. Sami Shmayess hat zwar eine offizielle Arbeitsgenehmigung, aber auch einen Status, laut dem er sich drei Jahre in Deutschland aufhalten darf. Der Syrer würde gern auch darüber hinaus bleiben. „Eine schwierige Frage. Wenn möglich für immer. Aber erst einmal abwarten“, sagt er und denkt an die Situation in seinem Heimatland.

„So ein befristeter Arbeitsvertrag ist natürlich auch für das Unternehmen ein Risiko“, sagt Christian Marx. Der Görlitzer SQS-Chef hat inzwischen Pläne, wie er Sami Shmayess’ Englisch-Kenntnisse für die Firma nutzen kann. „Auf der einen Seite kann ich mir vorstellen, eine kleine Deutsch-Klasse aufzumachen für unsere Kollegen aus dem Ausland. Einen Lehrer müssten wir natürlich anstellen“, sagt Christian Marx. Auf der anderen Seite, so seine Überlegungen, könnte Sami Shmayess deutschen SQS-Mitarbeitern die englische Sprache näher bringen. Der ist von der Idee erst einmal ein bisschen überrascht, findet sie aber gut.

Englisch für Görlitzer – kein unbedingt neues Thema für den jungen Syrer. Denn er engagiert sich inzwischen ehrenamtlich, lehrt Senioren im Mehrgenerationenhaus Weinhübel Englisch. „Dort bin ich allerdings gezwungen, deutsch zu reden. Denn wir sind erst beim englischen ABC“, lacht Ami Shmayess. Er unterrichtet zwei Gruppen .

Inzwischen hat der Syrer eine eigene Wohnung in Görlitz bezogen, das erste Gehalt von SQS macht es möglich. Er ist sichtlich stolz darauf.