Von Britta Veltzke und Thomas Riemer
Riesa. Gunter Spies ist einer der ersten Gäste am Stand der Morgenmoderatoren von MDR 1 Radio Sachsen auf dem Mannheimer Platz – und wie immer sticht er in seinem Riesen-Kostüm hervor. Elena Pelzer und Silvio Zschage wollten am Montagnachmittag Geschichten und Erinnerungen hören, die die Riesaer mit ihren Lieblingsliedern verbinden. Aus allen Musikgeschichten, die die Moderatoren in den verschiedensten Städten einsammeln, wird derzeit im Frühprogramm eine ausgewählt. Der Gewinner des Tages bekommt 100 Euro.
Auf das Geld kommt es Spies weniger an, sondern vielmehr darauf, dass es „sein“ Lied aus der Mottenkiste zurück ins Radio schafft – und Riesa wieder ein Stück bekannter wird. Dabei geht er fest davon aus, dass nicht einmal der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) den Song in seinen Archiven hat: die „Mona Lisa aus Riesa“ von Ines Paulke. Daher hat Spies das Lied im wahrsten Sinne des Wortes im Gepäck – auf einem Datenstick. Der Popsong ist zwar nicht unbedingt sein Lieblingslied, aber dafür verbirgt sich eine wahre Geschichte dahinter. „Welche Geschichte haben Sie uns denn mitgebracht?“, fragt Moderatorin Elena Pelzer. Und der Riese beginnt zu erzählen: „Als Ines Paulke gestorben ist, habe ich in der SZ gelesen, dass einer ihrer Songs Mona Lisa aus Riesa hieß. Dann bin ich neugierig geworden und habe angefangen zu stöbern.“ Genau genommen wollte Spies wissen, ob es wirklich eine Mona Lisa in Riesa gab – oder sogar immer noch gibt.
Der Songtext erzählt von einem Mädchen, das sich Mona Lisa nennt und versucht, das Lächeln der Florentinerin auf dem weltberühmten Ölgemälde von Leonardo da Vinci zu imitieren. Wörtlich heißt es: „Du nennst Dich Mona Lisa, glaubst zu lächeln wie sie. Aber jeder der sie sah, weiß ihr Geheimnis ja, das erfährst Du nie. Die Pariser Mona Lisa ist keine Kopie wie Du! Mona Lisa, Kind aus Riesa.“
Der Komponist, Sänger und Produzent Arnold Fritzsch schrieb das Lied Anfang der 80er-Jahre für die inzwischen verstorbene Ines Paulke. 2010 nahm sich die Musikerin das Leben. Die dreimalige DDR-Popsängerin des Jahres trat mit der „Mona Lisa aus Riesa“ bei dem Nachwuchsfestival Goldener Rathausmann in Dresden auf. Danach lief es auch im Radio – hinterließ aber keinen bleibenden Eindruck. Der Text stammt aus der Feder von Jan Witte, der heute unter dem Namen Jan Rymon in Berlin lebt. Er erfüllte damit den staatlichen Auftrag, der aufkommenden Neuen Deutschen Welle aus dem Westen etwas entgegenzusetzen: Popmusik mit peppigen Texten.
Eine „konkrete“ Mona Lisa hat es aber in Riesa wohl nie gegeben. Offenbar war es mehr der Reim auf „Lisa“, der die Stahlstadt ins Spiel gebracht hat. „Da kam es nicht auf den Ort an“, gab Texter Jan Rymon in einem Interview mit der SZ vor vier Jahren zu. Der Song sei „einfach so“ entstanden.
Ob es Spies’ Geschichte – und damit die „Mona Lisa aus Riesa“ – in die Morgenshow von MDR 1 Radio Sachsen schafft, hängt nun vom Zufall ab. „Die Moderatoren sind sechs Wochen lang auf Tour quer durch Sachsen. Die Geschichten kommen alle in einen Topf, jeden morgen wird eine neue gezogen“, erklärt MDR-Pressesprecherin Peggy Ender. Wird der Titel an diesem Tag in ganzer Länge gespielt, bekommt der glückliche Geschichtenerzähler sogar 1 000 Euro. Spies würde einen Teil des Geldes spenden. Für was oder wen, weiß er jedoch noch nicht. „Darüber kann ich mir dann ja immer noch Gedenken machen.“ Etwas Preisgeld wäre aber auch gut an der Tankstelle angelegt – schließlich muss der ehrenamtliche Riese mobil bleiben.