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Scharfe Fotos für viel Geld

Eltern und Kinder aus Herrnhut sorgen sich um die Verkehrssicherheit am Kindergarten. Eine Kontrolle gibt ihnen recht.

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© Jens Trenkler

Von Jens Trenkler

Herrnhut. Schon seit Monaten sorgen sich in Herrnhut Eltern und Erzieher des integrativen Kindergartens um die Sicherheit der Mädchen und Jungen. Immer wieder kommt es vor der Einrichtung an der Zittauer Straße zu gefährlichen Situationen, weil Fahrzeugführer zu schnell unterwegs sind. Aus diesem Grund hatten die Kinder Anfang dieses Monats eine Unterschriftenliste an Bürgermeister Willem Rieke (Herrnhuter Liste) übergeben, um mehr Verkehrssicherheit zu erlangen.

Das Problem an dieser Stelle ist allerdings nicht neu. Stadtverwaltung und Kreisbehörden hatten sich in jüngster Vergangenheit für eine Geschwindigkeitsbegrenzung vor dem Kindergarten ausgesprochen, diese gibt es jetzt auch. Viele Fahrzeugführer halten sich allerdings nicht an die Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde. Doch ist die Situation an dieser Stelle wirklich so akut?

Andree Scharf vom Team der Geschwindigkeitsüberwachung des Landkreises Görlitz und Auszubildende Nadine Kuhnen haben vor einigen Tagen deshalb den Test gemacht. Schon in den Morgenstunden beginnt die Blitzeraktion. Es ist kurz vor halb acht, als Andree Scharf die Technik aufbaut. Die Sonne meint es an diesem Morgen gut mit den Mitarbeitern des Landratsamtes: Das Licht scheint direkt in das Innere der Autos. Dennoch stellt Scharf den rotfarbigen Blitz rund 20 Meter vor der Kamera an einer Hecke in Stellung. Anders als bei anderen Messanlagen wie einem Radargerät, wo die Vorbereitung rund eine halbe Stunde beansprucht, ist diese Anlage in nur fünf Minuten einsatzbereit. Die Kamera selbst wird in diesem Fall auf einem Mauervorsprung eingerichtet.

Andree Scharf ist seit zwölf Jahren Sachbearbeiter für Geschwindigkeitskontrollen beim Kreis. Für ihn, so betont er, ist es ein erfolgreicher Tag, wenn sich die Mehrzahl der Kraftfahrer an die vorgegebene Geschwindigkeit hält. Gelder, die von Geschwindigkeitssündern eingenommen werden, sind für ihn völlig nebensächlich. „Das Ordnungsgeld, das in solch einem Fall fällig wird, soll schließlich einen erzieherischen Charakter haben“, sagt er.

Es dauert an dem Morgen nicht lange, bis die Anlage ein erstes Mal auslöst. Viele weitere Fotos folgen. Meist sind die Autofahrer an diesem Tag rund zehn Stundenkilometer schneller als erlaubt. Ein ähnliches Ergebnis hatte sich bereits bei einer der letzten Messungen in Herrnhut gezeigt. Damals waren 37 Prozent der Fahrzeuge zu schnell. „Gerade vor Kindergärten, Schulen und Einrichtungen für behinderte Menschen ist das Ergebnis deutlich zu hoch“, bilanziert Scharf.

In seiner Laufbahn hat Andree Scharf bereits viele verrückte Dinge erlebt: „Es gibt Menschen, die drehen zusätzlich eine Extrarunde, um mir dann den Stinkefinger zu zeigen oder mir mitzuteilen, wie blöd ich eigentlich bin.“ Andere kommen zurück zur Messstelle, um sich zu erkundigen, wie schnell sie waren und mit welcher Strafe sie rechnen müssen. Mancher wolle auch das Bußgeld gleich bezahlen, damit die Frau oder der Chef von dem Vergehen nichts mitbekommen. Jeder Einzelfall sei eine Geschichte für sich. Auch Gewalt ist Andree Scharf in seinem Amt schon angedroht worden. Einer der geblitzten Fahrzeugführer hatte ihm schlichtweg Schläge angeboten. Dies sei aber zum Glück die absolute Ausnahme.

Unterdessen ist an der Messstelle genau eine Stunde vergangen, und es zeichnet sich ein erster Trend ab. Insgesamt wurden 28 Fahrzeuge mit zu hoher Geschwindigkeit gemessen. Die meisten von ihnen müssen nun mit einem Bescheid über 15 Euro rechnen. In den meisten Fällen bekommen die Betroffenen dann binnen 14 Tagen Post. Dann aber kündigt das Motorengeräusch eines Autos Andree Scharf an, dass es jemand eilig hat: Mit satten 59 Stundenkilometern rauscht gegen 8.45 Uhr ein Fahrzeug durch die Messstelle. Das wird für den Fahrer empfindlich teuer.

Und es wird noch dramatischer an diesem Tag: Ein schwarzer Transporter stellt sich offensichtlich beabsichtigt vor das Objektiv der Kamera und macht jede weitere Messung unmöglich. Zudem winkt ein Fußgänger aufgeregt und warnt den heranrollenden Verkehr vor der Geschwindigkeitsmessung. Ein weiterer Herr stürmt auf die Kollegen des Landratsamtes zu und beschimpft die Bediensteten. Eine Falle sei das, Betrug, empört sich der Bürger. Das Wort Betrüger fällt in den darauffolgenden Minuten gleich mehrfach. Andree Scharf und seine Kollegin nehmen es gelassen. „Das prallt an mir ab“, meint Scharf. „Mit solchen Situationen haben wir es öfter zu tun.“

Die beiden Bediensteten hatten sowieso geplant, die Messung gegen 10 Uhr abzuschließen, denn eine Stunde später muss Andree Scharf im Zittauer Gericht als Zeuge aussagen. Ganze drei Gerichtstermine stehen an diesem Tag noch für ihn an. „Ich erinnere mich an einen Tag, wo ich sage und schreibe elf Termine bei Gericht hatte.“ Auch das gehört zu diesem Posten eben dazu. Den 30er Bereich in Herrnhut will Scharf auch weiterhin im Auge behalten. Die Messungen haben gezeigt, dass hier nach wie vor Handlungsbedarf besteht.

Infos zu den Bußgeldern