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Scheune zum Verlieben

Helga Müller hat sich einen Traum erfüllt. Im Elternhaus in Bernbruch werden Kultur und Kunst gelebt.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Kamenz. Hier ist Helga Müller geboren. Hier will sie bis zum Ende bleiben. Wenn möglich, möchte sie dabei glücklich und gesund sein. Und immer etwas zu werkeln haben. Letzteres wird mit Sicherheit gelingen. Der uralte Dreiseitenhof in Bernbruch atmet das Flair vergangener Zeiten. Und der Menschen, die hier einst lebten. Die Großeltern und Eltern betrieben Landwirtschaft. „Wir hatten immer Kühe, Pferde und sieben Hektar Land zu bewirtschaften“, erinnert sich die heute 71-Jährige. Unterm Dach wurde Tabak getrocknet, in der Scheune waren Tiere und Maschinen untergebracht, lagerte Stroh und Heu.

Lesungen, Lichtbildervorträge, Konzerte – auch in der 1. Etage ist einiges möglich.
Lesungen, Lichtbildervorträge, Konzerte – auch in der 1. Etage ist einiges möglich. © René Plaul
Gemütliches Beisammensitzen geht auf mehreren Ebenen. Auch Feiern werden hier ausgerichtet.
Gemütliches Beisammensitzen geht auf mehreren Ebenen. Auch Feiern werden hier ausgerichtet. © René Plaul
Viel rustikalen Platz für Kunst gibt es auf mehreren Hundert Quadratmetern.
Viel rustikalen Platz für Kunst gibt es auf mehreren Hundert Quadratmetern. © René Plaul

Noch immer weiden im Sommer drei Schafe auf der Wiese hinterm Haus. Ein Krebs wohnte bis vor Kurzem im alten Hausbrunnen. Die Lieblingskatze schnurrt Helga Müller tagaus, tagein um die Beine. Und die Bernbrucherin darf zwischen Schubkarre, altem Bauerngarten, zwischen ehemaliger Tenne, alten Apfelbäumen und mehreren Etagen herumwuseln, wie sie möchte. Es gibt immer etwas zu tun. Jetzt im Frühjahr muss die Scheune wieder auf Vordermann gebracht werden. Der Staub der langen Wintermonate muss raus. Es ist Zeit für Kultur. Für Kunst, Bilder und Skulpturen. Kaffeeklatsch und Künstlergespräche. Es ist Zeit, wieder Besuch zu empfangen. Die gebürtige Bernbrucherin erfüllte sich vor über zehn Jahren nämlich einen langgehegten Traum und baute sich nach ihrer Rückkehr ins Elternhaus ihre eigene Kulturscheune aus. Auch mithilfe von Gerhard Kanig. Dieser war früher einmal ihr Chef, als Helga Müller noch als Küsterin bei der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde tätig war. Und er Pfarrer. Dass der heute 74-Jährige seit ewigen Zeiten malt und sich dem Hobby sowie der Kunst im Allgemeinen im Ruhestand noch ausgiebiger widmet, kam erfreulicherweise hinzu. Aus der ursprünglichen Idee, eventuell eine Ferienpension oder gar Wohnung in die alte Scheune zu bauen, wurde nichts. „Wir entschieden uns für die brotlose Kunst“, schmunzelt Helga Müller. Und das passt!

Hunderte Besucher waren schon da

Seitdem ist hier mächtig was passiert. Baulich, wie auch publikumstechnisch. Von April bis Oktober atmet das alte Gemäuer Leben. Hunderte Besucher waren seit der Eröffnung da, haben sich Lesungen angehört, Lichtbildervorträge von fernen Reisen angesehen und sich an Kunstausstellungen unterschiedlichster Couleur ergötzt. „Es wird auch gefeiert bei uns oder nur mal ein Kaffeekränzchen abgehalten. Wir basteln und treffen uns. Hier laufen irgendwie die Fäden des Dorfes zusammen“, freut sich die 71-Jährige.

Die Scheune ist ein echter Hingucker geworden. Ein Ort zum Verlieben. Auch dank Gerhard Kanig, der nicht nur viele seiner Werke als Dauerleihgabe aufgestellt hat, sondern über die Jahre vor allem gezimmert, gesägt, gebohrt und verändert hat. „Manchmal kam er, hat sein Auto abgestellt. Da wusste ich: Aha, jetzt ist er wieder mal aus Dresden da. Aber dann habe ich ihn den ganzen Tag nicht gesehen, weil er gewerkelt hat“, sagt Helga Müller. Was die beiden geschaffen haben, lässt einen nicht nur beim ersten Besuch staunen. Hier steckt Liebe wirklich im Detail, sind einzelne Bausteine zu einem großen Homogenen zusammengeflossen. Auch mit Spinnweben an den Holzplanken, mit durchfliegenden Schwalben und Staubpartikeln im Lichteinfall des Dachbodenfensters wirkt alles perfekt. Oder vielleicht gerade deshalb? „Es ist ein Ort zum Wohlfühlen, das beschreiben unsere Besucher im Gästebuch. Und so möchte ich es gern“, meint die Hausherrin.

Bilder zwischen Holzsparren und altem Gestühl

Auch die Steinaer Künstlerin Britta Kayser ist fasziniert von dem Areal. Sie hat in den letzten Tagen ihre neue Ausstellung „Ausblicke“ aufgebaut. Etwa 40 Bilder der letzten Jahre – die meisten in Öl – hängen nun zwischen groben Holzsparren und altem Gestühl aus der Kamenzer Klosterkirche, das Helga Müller vor dem Wegwerfen bewahrte. Sie wirken bestechend in ihren warmen Farben. Und passen genau hierher. Gerhard Kanig und Britta Kayser kennen sich aus der Malerszene. „Es ist meine erste Einzelausstellung seit Längerem. 20 Jahre hatte ich mit meiner Werkstattgruppe jährlich Expositionen in Pulsnitz. 2018 wird es nur einzelne Maltage mit der Gruppe geben“, erzählt die 74-jährige Künstlerin. Dafür sind ihre Werke länger in Bernbuch zu sehen. Die studierte Kunsterzieherin ist erst seit 1990 auf diesem Gebiet freischaffend. Die 74-Jährige produziert dabei keine „Schnell-Mache-Kunst“, wie sie sagt. Massenware war nie ihr Ding. Die Entschleunigung der Kulturscheune passt auf jeden Fall in ihr Konzept.