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Schicke Bilder von der Straße

Regelmäßig kontrolliert die Riesaer Polizei entlang der B 169 die Geschwindigkeit – doch die Raser haben Gegenmittel.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Zeithain. Das Versteck ist gut gewählt. Ein schmaler Feldweg, der in Richtung Moritz von der B 169 abzweigt. Den blauen Transporter haben Frank Grödikmeier und Bernd Großer hinter den dichten Büschen geparkt. Nun werden die Stative aus dem Kofferraum geholt. Stolze fünf Stück sind es, die die beiden Polizisten für die heutige Geschwindigkeitsmessung brauchen. Zwei für die Kameras, zwei für den jeweiligen Blitz – und eines für das eigentliche Messgerät.

Alles auf einen Blick: Der Computer im Inneren des Polizeifahrzeugs zeigt nicht nur an, wie oft das Tempo überschritten wurde. Gemessen wird auch, wie viele Fahrzeuge insgesamt auf der Strecke gefahren sind – in beiden Richtungen.
Alles auf einen Blick: Der Computer im Inneren des Polizeifahrzeugs zeigt nicht nur an, wie oft das Tempo überschritten wurde. Gemessen wird auch, wie viele Fahrzeuge insgesamt auf der Strecke gefahren sind – in beiden Richtungen. © Sebastian Schultz

Als die groben Aufbauten der Anlage mit der Bezeichnung „ESO 3.0“ stehen, wird verkabelt. Bernd Großer rollt eine Kabeltrommel aus, vom Heck des Transporters bis vor zur Straße. Danach geht’s an die Feinheiten. Stimmt der Winkel der Kamera? Verläuft die Fotolinie auch korrekt? All das muss eingestellt und protokolliert werden. Die nötige Routine haben die beiden Polizeihauptmeister. Grödikmeier arbeitet seit 26 Jahren bei der Polizei, sein Kollege Großer hat 1982 angefangen.

Nach fünf Minuten wird gewarnt

Nachdem alles aufgebaut ist, stellen die Polizisten an einem Computer die Geschwindigkeit ein, bei der das Gerät auslösen soll. Frank Grödikmeier rechnet vor: Nach Verwaltungsvorschrift ist eine Überschreitung von fünf Stundenkilometern zulässig, dazu kommt noch eine Toleranz von drei Kilometern pro Stunde. Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometer könnte man also ab 79 blitzen. „Wir wollen aber nicht päpstlicher sein als der Papst“, sagt Grödikmeier. Heute wird erst ab 84 Kilometer pro Stunde ausgelöst. Kommunen und Landratsämter nehmen es da deutlich genauer.

Ein Testbild schießt Bernd Großer noch. Schließlich muss sichergestellt werden, dass die Fahrer gut zu erkennen sind. Als der nächste Autofahrer vorbeikommt, löst die Anlage aus. „Der wird sich jetzt wundern, dass er geblitzt wurde“, kichert Großer. Mancher Autofahrer sei nach diesen Tests schon zurückgefahren und habe nachgefragt, was da los sei.

Der Blitzer ist noch keine fünf Minuten aufgebaut, da wird schon vor ihm gewarnt. „Schicke Bilder gibt’s auf der B 169 Riesa Richtung Zeithain 2te Kreuzung“, schreibt jemand in einer Facebook-Gruppe. Wenig später steht auch schon das erste Foto im Internet, das den Aufbau am Feldweg zeigt. Auf Frühwarnsysteme wie diese angesprochen, zuckt Frank Grödikmeier nur mit den Schultern. Er macht sich keine Illusionen. „Die, die wir erwischen wollen, kriegen wir selten.“

Heutzutage machen Blitzer-Apps, Rundfunk und soziale Netzwerke der Verkehrspolizei die Arbeit schwer. Die Leute, die die Bundesstraße zur Rennstrecke umfunktionieren, warnten sich gegenseitig, sagt der Polizeihauptmeister. Den Blitzer ab- und an anderer Stelle wieder aufzubauen, lohne bei diesem Modell nicht. „Wenn von hinten aus dem Auto geblitzt wird, dann sucht man sich einfach eine andere Stelle“, erzählt Grödikmeier.

Aber beim ESO 3.0 dauere allein der Aufbau eine halbe Stunde. Zu viel Zeit würde da verloren gehen. Immerhin, insgesamt zeige die Abschreckung doch Wirkung. „Wenn wir früher hier geblitzt haben, gab es deutlich mehr Überschreitungen.“ Heute werde entlang der Strecke so häufig die Geschwindigkeit kontrolliert, dass die Quote deutlich geringer ausfällt.

Trotzdem fiept der Rechner nach zehn Minuten zum ersten Mal. Ein VW mit Meißener Kennzeichen, 94 Kilometer pro Stunde zeigt der Rechner an. Am Bildschirm ist übrigens auch zu sehen, wie schnell auf der Gegenfahrbahn gefahren wird. „Das wissen viele nicht: Dass wir auch in die andere Richtung blitzen können“, sagt Bernd Großer. Dafür bräuchte es allerdings weitere Kameras – und die wollen auch aufgestellt sein. – Mancher Autofahrer bremst noch im allerletzten Moment herunter. Schon in der ersten halben Stunde quietschen zweimal die Reifen. „Vor etlichen Jahren haben wir hier mal geblitzt, da hat einer eine 50 Meter lange Blockierspur hinterlassen“, sagt Gödikmeier. „Auf dem Foto hat man’s richtig qualmen sehen.“ Genützt hat das Manöver dem Fahrer nichts: Das Foto war trotzdem scharf.

Viele Fahrer diskutieren herum

Zwei Bilder schießen die Kameras der Blitzanlage: eines von vorn und ein weiteres von der Seite. „Für den Fall, dass von vorn das Gesicht des Fahrers verdeckt ist“, erklärt Bernd Großer. Die Bilder werden zusammen mit technischen Daten auf eine DVD gebrannt und an die Bußgeldstelle geschickt. Die übernimmt den Rest. Frank Grödikmeier und Bernd Großer haben danach nur noch in einem Fall mit dem Raser zu tun: wenn er vor Gericht geht. Heutzutage hätten viele Fahrer sowieso eine Rechtsschutzversicherung und ließen es einfach drauf ankommen, sagt Großer.

Überhaupt, dass so viel diskutiert werde. Wenn die beiden mit anderen Messgeräten unterwegs sind und Raser aus dem Verkehr herausziehen, müsse man sich manches Mal etwas anhören. „Am gängigsten ist dabei: Warum blitzt ihr hier – und nicht vor den Schulen?“ Dabei sei die Polizei dort auch unterwegs. Nach gut drei Stunden ist die Geschwindigkeitsmessung beendet. Von 1 327 Autos in Richtung Zeithain waren 26 zu schnell. Deutlich weniger als sonst. Spitzenreiter waren zwei Fahrer, die mit je 107 Stundenkilometer durch die Lichtschranke gerauscht sind. Die Herren erwartet nun ein Bußgeld von 120 Euro und ein Punkt in Flensburg.