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Schlachthof in der Warteschleife

Die große Brache lähmt die Innenstadt West an der Cottbuser Straße in Görlitz. Doch jetzt könnte das Areal der neuen Schule dienen.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Der Club Nostromo hält zumindest die eine Ecke des früheren Schlachthof-Geländes an der Cottbuser Straße am Leben. An diesem Sonnabend findet hier eine Bad-Taste-Party statt. Direkt daneben nutzt Bombardier einige Flächen als Parkplätze. Ansonsten aber ist das Areal mausetot. Verriegelt und verrammelt. Auch von Projektentwickler Hans-Friedrich Bültmann ist nichts mehr zu sehen. Vor drei Jahren wollte der Bielefelder hier aktiv werden, plante zusammen mit jungen Görlitzern ein Areal zum Wohnen und Arbeiten. Gescheitert ist er am Geld: Es gab keinen Investor, der Geld für Bültmanns Ideen in die Hand nehmen wollte. Auch der Eigentümer des Areals, die Landeskrone Fleisch GmbH mit ihrem Geschäftsführer Franz-Josef Gausepohl, war nicht bereit, immer mehr Geld zuzusteuern. So gingen Bültmann und Gausepohl bald getrennte Wege – und Bültmann schloss sein mit viel Engagement gestartetes Büro am Leipziger Platz.

Und seither? Still ruht der See? Jein. In der Stadtpolitik ist das Areal immer wieder mal im Gespräch – zumindest „unterschwellig“, wie CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg es formuliert. Er selbst wäre dafür, dass die Stadt das Gelände kauft und entwickelt. „Eine Nutzung für die neue Oberschule wäre sinnvoll und auch als Feuerwehrstandort ist es viel besser geeignet als die dafür vorgesehene Fläche schräg gegenüber“, sagt Gleisberg. Zudem könnten Kreative hier ihre Gewerbe starten – unter Erhaltung der Bausubstanz. Auch Rolf Weidle, Fraktionschef von Bürgern für Görlitz und Bündnisgrünen, plädiert auf eine baldige Nutzung: „Mit dem Gelände muss man auf jeden Fall etwas machen.“ Thorsten Ahrens, Fraktionschef der Linkspartei, bringt das Areal ebenfalls als Option für den Schulneubau ins Gespräch. Die Stadträte hätten aber keine umfangreichen Infos aus dem Rathaus erhalten. „Meines Wissens prüft und überlegt die Verwaltung, bevor sie das Thema in die politische Debatte gibt“, sagt Ahrens.

Prüfen und Überlegen ist schon allein deshalb wichtig, weil der Schlachthof in der Innenstadt West und im Brautwiesenbogen liegt, jenem problematischen Stadtteil, der in den nächsten Jahren mit EU-Fördermitteln aufgewertet werden soll. Beim neuen Park am Güterbahnhof soll der Bau schon im kommenden Frühling starten. Aber im Schlachthof unternimmt die Stadt nichts? „Doch“, sagt Hartmut Wilke, der Leiter des Amtes für Stadtentwicklung. Die Brache biete „ein sehr hohes Potenzial für die Aufwertung der Innenstadt West.“ Seiner Ansicht nach sollten markante Teile der vorhandenen Gebäude weiter genutzt werden. Das ließe sich mit einer passenden Freiflächengestaltung kombinieren. Er stellt sich eine öffentliche oder zumindest öffentlichkeitswirksame Nutzung vor. Die Stadt kontaktiere den Eigentümer regelmäßig. Einerseits verfolge sie ihr Entwicklungsziel, das im Neuordnungskonzept für das Sanierungsgebiet dargestellt ist. Andererseits habe Gausepohl eigene Verwertungsinteressen. Wilke hofft, beides zu verbinden. Etwas Konkretes herausgekommen ist aber bisher nicht, bedauert Wilke.

Gausepohl sagt, er sei verkaufsbereit: „Am Sinnvollsten wäre es, das Gelände im Ganzen zu veräußern.“ Aber auch über einen Teilverkauf würde er nachdenken, wenn ihm jemand ein Angebot machen würde: „Es kommt dabei auf das Konzept an.“ Es gebe immer wieder Gespräche, auch mit der Stadt, „aktuell aber nichts Konkretes.“ Das Konzept des Brautwiesenbogens zur Aufwertung der Innenstadt West sei ihm bekannt: „Für den Schlachthof gibt es aber auch in diesem Zusammenhang aktuell keine konkreten Gespräche.“ Und von Hans-Friedrich Bültmann habe er auch schon lange nichts mehr gehört.

Letzterer aber erklärt auf SZ-Nachfrage, er sei nach wie vor aktiv: „Ich bin jedes halbe Jahr in Görlitz.“ Im Jahr 2016 sei es ja nur deshalb nicht weitergegangen, weil das Geld fehlte: „Es braucht einen Investor von außen.“ Jetzt ist Bültmann nach eigener Aussage gleich mit zwei Investoren im Gespräch. Beide kennen sich untereinander – und Bültmann hofft, beide ins Boot zu holen. „Wenn sie zusagen, setzen wir wieder an“, sagt er. Mitte Januar werde er der Öffentlichkeit konkretere Informationen geben können. Auf jeden Fall habe sich an seinem Konzept nichts Wesentliches geändert. Ein kleines Stadtviertel zum Wohnen, Arbeiten, für Kunst und Kultur sei geplant, ohne Abriss von vorhandenen Gebäuden. Sein früherer Büroleiter Thomas Müller hingegen sei nicht mehr dabei: „Der ist in die Wirtschaft zurückgekehrt.“

Gausepohl würde das Gespräch mit Bültmann wieder aufnehmen: „Dieses Jahr habe ich aber noch nichts von ihm gehört.“ Auch bei den Stadträten rennt Bültmann offene Türen ein. „Bei den Plänen könnte ich mitgehen. Wenn tatsächlich Investoren dahinter stehen, dann gerne“, sagt Gleisberg. Weidle bietet sogar seine Hilfe an: „Herr Bültmann kann sich gern persönlich an mich wenden. Seine Pläne sind eine gute Sache, die ich unterstützen würde.“ Auch für Ahrens hatten die Ideen Charme: „Das Konzept fand ich gut. Wenn sich zeigt, dass eine Finanzierung dazu gekommen ist, sollte man sich das noch einmal ansehen.“ Die Nostromo-Betreiber planen derweil schon die nächsten Veranstaltungen auf dem Gelände: Am 1., 24. und 25. Dezember. Gerade zu Weihnachten ist ihr Club stets sehr gut besucht.