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Schlachthof wird Hanffabrik

Im Gewerbepark Naunhof bei Großenhain entsteht ein europäisches Hanf-Kompetenz-Center. Wolle Förster verkauft das Objekt an eine kanadische Firma. Die ersten Hanfblüten bekommt der Züchter schon in den nächsten Tagen.

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© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Ebersbach. Ausgerechnet Hanf rettet eines der größten leeren Industriegebäude in Sachsen vorm Verfall und lässt Multi-Unternehmer Wolle Förster (63) breit grinsen. Was sollte aus dem einst modernsten Schlachthof nicht alles werden: Hundefutterproduktion, Algen- und Zanderzucht, Containerlager, Druckerei oder Flaschensortierung.

Von der Großfleischerei zur Cannabis-Zucht

Im ehemaligen Löblein-Schlachthof Naunhof bei Großenhain residiert nun die Firma maricann, ein Hersteller von Cannabis für medizinische Zwecke. Im Gewerbepark soll ein europäisches Hanf-Kompetenz-Center entstehen.
Im ehemaligen Löblein-Schlachthof Naunhof bei Großenhain residiert nun die Firma maricann, ein Hersteller von Cannabis für medizinische Zwecke. Im Gewerbepark soll ein europäisches Hanf-Kompetenz-Center entstehen.
Seit 2005 ist der Dresdner Multi-Unternehmer Wolle Förster Eigentümer der ehemaligen Großfleischerei Löblein. Und das eher zufällig – denn der Kauf erfolgte, um drohende Verluste abzuwenden. 13 Jahre lang entwickelte Förster für immer neue Projekte den Gewerbepark Naunhof weiter – aber keine der vielen Planungen konnte letztendlich umgesetzt werden. Mit dem kanadischen Cannabis-Züchter ist jetzt endlich ist ein Investor gefunden worden.
Seit 2005 ist der Dresdner Multi-Unternehmer Wolle Förster Eigentümer der ehemaligen Großfleischerei Löblein. Und das eher zufällig – denn der Kauf erfolgte, um drohende Verluste abzuwenden. 13 Jahre lang entwickelte Förster für immer neue Projekte den Gewerbepark Naunhof weiter – aber keine der vielen Planungen konnte letztendlich umgesetzt werden. Mit dem kanadischen Cannabis-Züchter ist jetzt endlich ist ein Investor gefunden worden.
Der Gewerbestandort in Naunhof bei Großenhain blickt dabei auf eine bewegte Geschichte zurück. Von 1993 bis 2003 gehörte das Unternehmen zur Firmengruppe des Bayern Hans Löblein. Im November1995 übernahm Löblein den Neubau des Schlacht- und Verarbeitungsbetriebes in Naunhof von der insolventen Dresdner Fleisch & Feinkost.
Der Gewerbestandort in Naunhof bei Großenhain blickt dabei auf eine bewegte Geschichte zurück. Von 1993 bis 2003 gehörte das Unternehmen zur Firmengruppe des Bayern Hans Löblein. Im November1995 übernahm Löblein den Neubau des Schlacht- und Verarbeitungsbetriebes in Naunhof von der insolventen Dresdner Fleisch & Feinkost.
Der Schlachthof zählte Mitte der 1990er Jahre zu den modernsten und größten Anlagen in Europa.
Der Schlachthof zählte Mitte der 1990er Jahre zu den modernsten und größten Anlagen in Europa.
Über 87 Millionen Euro kostete der Neubau der Großfleischerei, davon fast 14 Millionen Euro Fördermittel. Die Ausmaße sind gigantisch: Allein das Grundstück ist 100.000 Quadratmeter groß, hat 20.000 Quadratmeter reine Produktionsfläche, davon 4.000 Quadratmeter Kühlhaus. Bis zu 10.000 Tiere wurden hier täglich geschlachtet.
Über 87 Millionen Euro kostete der Neubau der Großfleischerei, davon fast 14 Millionen Euro Fördermittel. Die Ausmaße sind gigantisch: Allein das Grundstück ist 100.000 Quadratmeter groß, hat 20.000 Quadratmeter reine Produktionsfläche, davon 4.000 Quadratmeter Kühlhaus. Bis zu 10.000 Tiere wurden hier täglich geschlachtet.
Firmenchef Gerd Löwe (re.) zeigt niederländischen Abgeordneten Im Mai 1996 den modernsten Schlachthof Europas. Eingeladen hatte das Ministerium in Bonn.
Firmenchef Gerd Löwe (re.) zeigt niederländischen Abgeordneten Im Mai 1996 den modernsten Schlachthof Europas. Eingeladen hatte das Ministerium in Bonn.
Kurz vorm Millennium dann der Schock. Rund 8.800 Rinder- und Schweinezüchter standen Silvester 1999 Kopf. Landwirtschaftsminister Steffen Flath wurde aus dem Urlaub geholt. Das Landratsamt, das eine eigene Veterinärabteilung für Löblein aufgebaut hatte, bekam lapidar über Nacht ein Fax: Zum 1. Januar 2000 ist mit der Schlachtung Schluss. Es werden nur noch Konserven produziert. Im Mai 2002 legte schließlich auch Hans Löblein seine Arbeit in der Geschäftsführung der Gruppe nieder. Im Oktober folgte der Beschluss zur Auflösung der Firmengruppe. Im Mai 2003 meldete die Löblein-Gruppe letztendlich Insolvenz beim Amtsgericht Dresden an.
Kurz vorm Millennium dann der Schock. Rund 8.800 Rinder- und Schweinezüchter standen Silvester 1999 Kopf. Landwirtschaftsminister Steffen Flath wurde aus dem Urlaub geholt. Das Landratsamt, das eine eigene Veterinärabteilung für Löblein aufgebaut hatte, bekam lapidar über Nacht ein Fax: Zum 1. Januar 2000 ist mit der Schlachtung Schluss. Es werden nur noch Konserven produziert. Im Mai 2002 legte schließlich auch Hans Löblein seine Arbeit in der Geschäftsführung der Gruppe nieder. Im Oktober folgte der Beschluss zur Auflösung der Firmengruppe. Im Mai 2003 meldete die Löblein-Gruppe letztendlich Insolvenz beim Amtsgericht Dresden an.
Seit dem Jahr 2005 gehört Wolle Förster das Objekt. Er ist Hauptaktionär der schweizerischen Gesellschaft, die 2006 den Schlachthof vom Pleite gegangenen Fleisch-Mogul Hans Löblein kaufte.
Seit dem Jahr 2005 gehört Wolle Förster das Objekt. Er ist Hauptaktionär der schweizerischen Gesellschaft, die 2006 den Schlachthof vom Pleite gegangenen Fleisch-Mogul Hans Löblein kaufte.
Der Dresdner Nachtclub-Betreiber wollte seither im alten Schlachthof Naunhof manches Unternehmen ansiedeln - eine Flaschensortierung, eine Solarfabrik, eine Zanderzucht und zuletzt eine Algenzucht. Aus keinem der Projekte wurde jedoch etwas.
Der Dresdner Nachtclub-Betreiber wollte seither im alten Schlachthof Naunhof manches Unternehmen ansiedeln - eine Flaschensortierung, eine Solarfabrik, eine Zanderzucht und zuletzt eine Algenzucht. Aus keinem der Projekte wurde jedoch etwas.
Wolle Förster wollte mit seiner Immobilie auch dem ehemaligen DDR-Museum in Radebeul helfen. Er bot dem damals insolventen Museum hier Räume an. Doch auch daraus wurde nichts.
Wolle Förster wollte mit seiner Immobilie auch dem ehemaligen DDR-Museum in Radebeul helfen. Er bot dem damals insolventen Museum hier Räume an. Doch auch daraus wurde nichts.
Nun ist Förster das Objekt wieder los. Am 1. August wurden Schlüssel und Aktien an den neuen Besitzer übergeben. Reizvoll ist für maricann neben der Größe des Ex-Schlachthofes auch die gute Lage in der Nähe von Dresden und des Flughafens. Neben der lizenzierten Produktion und dem Großhandel stützt sich das langfristige Interesse des börsennotierten Aktienunternehmens noch auf eine dritte Säule: die Forschung. Die Firma ist bei Cannabis nicht nur an dem umstrittenen Wirkstoff THC – wegen der Betäubungswirkung – interessiert. Für Hanf gebe es noch viele weitere Nutzungsmöglichkeiten. Deren Entwicklung soll am neuen Standort vorangetrieben werden.
Nun ist Förster das Objekt wieder los. Am 1. August wurden Schlüssel und Aktien an den neuen Besitzer übergeben. Reizvoll ist für maricann neben der Größe des Ex-Schlachthofes auch die gute Lage in der Nähe von Dresden und des Flughafens. Neben der lizenzierten Produktion und dem Großhandel stützt sich das langfristige Interesse des börsennotierten Aktienunternehmens noch auf eine dritte Säule: die Forschung. Die Firma ist bei Cannabis nicht nur an dem umstrittenen Wirkstoff THC – wegen der Betäubungswirkung – interessiert. Für Hanf gebe es noch viele weitere Nutzungsmöglichkeiten. Deren Entwicklung soll am neuen Standort vorangetrieben werden.
Die Übernahme des ehemaligen Schlachthofes wurde seit Monaten vorangetrieben. Auch Mitarbeiter wurden dafür bereits nach Naunhof geschickt. Dr. Thomas Klumpp und Maria Reichelt sind die Mitarbeiter der Naunhofer maricann-Niederlassung im ehemaligen Löblein-Schlachthof. Sie arbeiten daran, dass aus dem früheren Löblein-Schlachthaus ein Großerzeuger für Cannabis-Pflanzen und ein Großhandel dazu wird. Im Sommer des Vorjahres war die Ansiedlung der kanadischen Firma maricann bekanntgeworden. Die deutsche Niederlassung hat den Anbau für medizinisches Cannabis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt, nachdem die Herstellung in Deutschland vor einem Jahr liberalisiert worden war.
Die Übernahme des ehemaligen Schlachthofes wurde seit Monaten vorangetrieben. Auch Mitarbeiter wurden dafür bereits nach Naunhof geschickt. Dr. Thomas Klumpp und Maria Reichelt sind die Mitarbeiter der Naunhofer maricann-Niederlassung im ehemaligen Löblein-Schlachthof. Sie arbeiten daran, dass aus dem früheren Löblein-Schlachthaus ein Großerzeuger für Cannabis-Pflanzen und ein Großhandel dazu wird. Im Sommer des Vorjahres war die Ansiedlung der kanadischen Firma maricann bekanntgeworden. Die deutsche Niederlassung hat den Anbau für medizinisches Cannabis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt, nachdem die Herstellung in Deutschland vor einem Jahr liberalisiert worden war.
Hundert der besten Mutter-Pflanzen werden hier geklont und die Nachkömmlinge in Pflanzwürfel gesetzt, in denen die Zöglinge Fuß fassen. Als Setzlinge kommen sie in beleuchtete, klimatisierte Kabinen – aller vier Wochen 250 000 Stück.
Hundert der besten Mutter-Pflanzen werden hier geklont und die Nachkömmlinge in Pflanzwürfel gesetzt, in denen die Zöglinge Fuß fassen. Als Setzlinge kommen sie in beleuchtete, klimatisierte Kabinen – aller vier Wochen 250 000 Stück.
Norbert Schmidbauer (links) und Heinz Schönleber beraten Landwirte zum Hanfanbau.
Norbert Schmidbauer (links) und Heinz Schönleber beraten Landwirte zum Hanfanbau.
Maricann-Prokurist Josef Späth, die frühere Ebersbacher Bürgermeisterin Margot Fehrmann und der neue Bürgermeister Falk Hentschel sowie Schlachthof-Verkäufer Wolle Förster freuen sich, dass für die Immobilie endlich eine Nutzung zustande gekommen ist.
Maricann-Prokurist Josef Späth, die frühere Ebersbacher Bürgermeisterin Margot Fehrmann und der neue Bürgermeister Falk Hentschel sowie Schlachthof-Verkäufer Wolle Förster freuen sich, dass für die Immobilie endlich eine Nutzung zustande gekommen ist.
Morten Lars Brandt, Geschäftsführer der Maricann GmbH, ist seit zweieinhalb Monaten im Unternehmen. Er will aus Naunhof das deutsche Cannabiszentrum machen.
Morten Lars Brandt, Geschäftsführer der Maricann GmbH, ist seit zweieinhalb Monaten im Unternehmen. Er will aus Naunhof das deutsche Cannabiszentrum machen.
Maricann kommt aus Kanada. Dort wird schon heute die 50-fache Menge der überhaupt für Deutschland ausgeschriebenen Cannabisproduktion hergestellt.
Maricann kommt aus Kanada. Dort wird schon heute die 50-fache Menge der überhaupt für Deutschland ausgeschriebenen Cannabisproduktion hergestellt.

Jetzt hat Mehrheitsaktionär Wolle Förster mit der kanadischen Firma Maricann endlich jemanden gefunden, dem diese riesige Industrieanlage aus Beton mit 70 Kühlräumen, Schlachträumen, Lagern, Büros, Kellern und ewigen Fluren wie auf den Leib geschneidert ist und das Millionenobjekt verkauft. „Wo kann man den besser klimatisieren als in ehemaligen Kühlräumen“, sagt Josef Späth, Prokurist der Maricann. Der Schlachthof ist gigantisch, wandelbar und von der Anlage her schon ein Sicherheitstrakt. Josef Späth wurde mit dem Auftrag nach Deutschland geschickt, ein passendes Objekt für das dortige Hanf-Konsortium zu finden.

In Naunhof in der Gemeinde Ebersbach, zwischen Radeburg und Meißen gelegen, hat er es entdeckt. Die Kanadier stehen nun nicht nur in den Startlöchern, in Sachsen im großen Stil Indoor-Anbau von Cannabis für den medizinischen Markt zu betreiben. In drei Monaten, so schätzt Josef Späth, dürfte die Entscheidung der Deutschen Cannabis-Agentur gefallen sein, wie viele Lose die Kanadier zugeteilt bekommen. Maricann legt bereits los – und zwar mit Industriehanf, der mit einer THC-Konzentration unter 0,2 Prozent als nicht berauschend gilt. Fünf Hanf-Sorten sind dafür genehmigt. Bereits nächste Woche kommt die erste Ernte von den Feldern in 40 Kilometern Umkreis in die deutsche Maricann-Niederlassung.

Verarbeitet werden momentan nur die Blüten der bis zu 3,50 Meter hohen Pflanze, die Vertragslandwirte bereits auf den ersten 180 Hektar angebaut haben. Dafür liefert Maricann den Landwirten eine eigene Fahrzeugtechnologie mit, die es ermöglicht, zentimetergenau in 3,50 Metern Höhe die wertvollen Büten abzuschneiden. Nächstes Jahr sollen es schon tausend Hektar Hanffelder sein. Alle liegen in der Region, da die Blüten der empfindlichen Pflanze innerhalb von drei, vier Stunden in die Trocknung müssen.

Nach Wein und Hopfen zieht nun der Hanfanbau ins Elbland ein. Das wird eine ganze Landschaft verändern. Für die langen Stiele der Hanfpflanze hat Maricann zwar dieses Jahr noch keine Verwendung. Doch auch das soll sich ändern. Die Hanfseilindustrie ist interessiert an neuen Technologien, wie sie beim BMW-I 3 bei Dämmmaterial zum Einsatz kommen. „Das Ziel ist, in Naunhof das deutsche Zentrum für Cannabis aufzubauen“, so Späth. Schon im ersten Anlauf können die Kanadier 30 000 Kilogramm Hanfblüten pro Tag verarbeiten. Dort, wo einst Schweinehälften zerlegt wurden, wird nun destilliert und extrahiert. Die Reinöle gehen in Gelkapseln von Nahrungsergänzungsmitteln sowie Kosmetika.

Die Produkte werden über die eigene Marke „Mariplant“ vertrieben. Dafür braucht es gewaltig Energie: 150 Liter Heizöl pro Stunde. Aber auch da sollen bald regenerative Energien her – aus Hanf, versteht sich.