Merken

Schlafender Riese zwischen Erfolg und Problem-Fans

Dynamo Dresden gilt als Kultverein. Zum 60. Geburtstag geht es jedoch wieder einmal um das sportliche und damit wirtschaftliche Überleben.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Von Gerald Fritsche

Dresden. Dynamo Dresden wird 60 Jahre alt, doch zum Feiern ist derzeit niemandem zumute. Nicht der aktuellen Fußball-Zweitligamannschaft, nicht dem Präsidium und auch nicht den Strategen von einst, die den sächsischen Club zu einem Kultverein machten. Die prekäre Tabellensituation und die damit verbundene Unsicherheit über die sportliche und auch wirtschaftliche Zukunft hat alle Fußball-Fans an der Elbe in Alarmbereitschaft versetzt. Dass man am Freitag, dem Tag des 60. Gründungsjubiläums, ausgerechnet zu einem Ost-Duell beim 1. FC Union Berlin antreten muss und dort lediglich Außenseiterchancen besitzt, ist für viele sehr bitter. Schließlich beherrschte Dynamo in alten Zeiten Union nach Belieben.

Dynamo Dresden ist und bleibt ein schlafender Riese, der vornehmlich in den 1970er Jahren erwacht war. Am 12. April 1953 als Nachfolgeverein der SG Volkspolizei gegründet, gelang schon drei Monate später der erste von acht DDR-Meistertiteln. Doch ein Jahr danach ging es wieder in Liga zwei, weil die Mannschaft praktisch über Nacht nach Berlin «delegiert» wurde, ihre Nachfolger aber nicht Erstliganiveau nachweisen konnten.

Es folgten bis 1969 Fahrstuhl-Jahre. Erst danach etablierte sich Dynamo als Erstligist. Der legendäre Trainer Walter Fritzsch formte schließlich ein Team, dass über Jahre das Niveau des DDR-Fußballs vorgab und auch in Europa für manche Sternstunde sorgte. Spieler wie der 100-malige Nationalspieler Hans-Jürgen Dörner, Torgarant Hans-Jürgen Kreische oder der Mittelfeldstratege Reinhard Häfner wurden in dieser Zeit zu Idolen, während sich im Nachwuchs Talente wie Matthias Sammer oder Ulf Kirsten entwickelten.

International machte Dynamo immer mehr auf sich aufmerksam. Besonders das heimische Dynamo-Stadion wurde zu einer Festung. In 49 Europapokal-Begegnungen konnten nur drei Gastmannschaften Dresden als Sieger verlassen. In Erinnerung bleiben die legendären ersten deutsch-deutschen Aufeinandertreffen mit Bayern München 1973, das Eliminieren von Juventus Turin und des AC Rom, aber auch das 3:7-Ausscheiden gegen Bayer Uerdingen nach einer 3:1-Halbzeitführung in der Grotenburg.

Gemeinsam mit dem FC Hansa Rostock gelang den Sachsen 1991 der Sprung in die Bundesliga. Vier Spielzeiten hielt sich der Club im Oberhaus, schaffte sogar trotz eines Vier-Punkte-Abzugs wegen Verstößen gegen Lizenzierungsbedingungen dank der akribischen Arbeit von Trainer Siegfried Held den Klassenverbleib. Doch im Hintergrund arbeiteten Männer, deren das eigene Wohl wichtiger als die Zukunft des Vereins war. Unter der Misswirtschaft von Präsidenten wie Rolf-Jürgen Otto ging der Club in die Knie. Mit dem Zwangsabstieg 1995 in die 3. Liga begann eine Leidenszeit, die noch heute andauert.

Und die geprägt ist von einem überaus schlechten Image. Schuld daran sind wiederholte Fan-Ausschreitungen. Die begannen im bislang letzten Europapokalspiel gegen Roter Stern Belgrad, das abgebrochen werden musste. Zwar ist Dynamo bekannt für stimmungsvolle Heimspiele und eine große Zahl von Anhängern, die den Club auswärts unterstützen. Aber immer wieder mischen sich Krawallmacher unter sie, die letztlich Randale provozieren wie in den vergangenen beiden Jahren in Dortmund, Hannover und Kaiserslautern. Die Strafzahlungen an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) nähern sich der Millionengrenze. Doch es gelingt dem Verein trotz intensiver Bemühungen nur bedingt, dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Auch deshalb wird Dynamo Dresden auf nicht absehbare Zeit ein schlafender Riese bleiben, der darauf wartet, endlich geweckt und wieder zu positiven Taten animiert zu werden. (dpa)