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„Schlag zu, schlag zu, schlag ihn tot“

Zwei Cousins sollen 2013 einen Kumpel schwer verletzt haben. Ein erstes Urteil wurde gekippt. Nun wird der Fall neu aufgerollt.

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© Stephan Klingbeil

Von Stephan Klingbeil

Riesa/Zeithain. Die Gewaltorgie im Riesaer Clara-Zetkin-Ring begann mit einem lapidaren „Komm jetzt, Arschficken“. Dann soll Illyas G. sofort abgedrückt haben. Sieben Schüsse aus der Luftdruckpistole trafen am 8. Mai 2013 den Kopf seines damals ebenfalls 18-jährigen Kumpels. Drei den Hals, vier die Arme.

Der junge Mann hatte an jenem Abend bäuchlings auf seinem Bett gelegen. Er sei komplett überrascht worden von dem Angriff – und wehrte sich vehement. Doch die minutenlange Tortur, die seit diesem Donnerstag die Große Strafkammer am Landgericht Dresden beschäftigt, war damit noch nicht zu Ende. Denn dann kam der Cousin des Angreifers, Patrick G., hinzu.

Der 29-jährige Riesaer, der damals noch in Zeithain lebte, half jedoch nicht seinem blutenden Freund. Stattdessen habe er laut Anklage mit einem Metallklotz auf ihn eingedroschen. „Schlag zu, schlag zu“, hätte sein Cousin geschrien. „Schlag ihn tot“. Zweimal soll er den Klotz auf den Kopf des Mannes im Todeskampf gewuchtet haben. Dieser gab aber nicht auf, sondern drückte seinen Peiniger von sich und rannte los.

Auf der Flucht soll ihn Patrick G. noch mit einem Küchenmesser verfolgt und zweimal in den Rücken gestochen haben. Der damals 18-Jährige floh, schleppte sich zum Onkel der beiden Cousins, der in der Nachbarschaft wohnte und die Polizei alarmierte. Der schwer verletzte Freund seiner zwei Neffen wurde operiert und überlebte.

Seinen Peinigern wird nun der Prozess gemacht. Die zwei Deutschen müssen sich wegen des Verdachts auf versuchten Mordes verantworten. Dabei waren sie wegen des Exzesses schon einmal schuldig gesprochen worden. Die Cousins wurden 2015 von der Jugendkammer des Landgerichts wegen versuchten Totschlages verurteilt.

Patrick G. sollte dreieinhalb Jahre in Haft, sein jüngerer Cousin erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe. Das ist zu milde, findet die Staatsanwaltschaft. Sie legte Revision ein – und hatte damit Erfolg.

Der Bundesgerichtshof kippte das Urteil im Februar 2016. Er bemängelte unter anderem, dass bei der Bewertung der Wehrlosigkeit des Opfers „falsche rechtliche Maßstäbe“ angelegt wurden. Auch sei ein Vorsatz nicht auszuschließen, es wurden doch nacheinander „drei unterschiedliche Tatwaffen“ verwendet. Der Bundesgerichtshof verwies den Fall so zurück an das Landgericht. Bereits vor einem Jahr sollte der Prozess dort neu aufgerollt werden, wurde wegen Formalien aber verschoben.

Aufgrund der Überlastung des Gerichts dauerte es bis zum Donnerstag, bis die Cousins erneut angeklagt werden konnten. Die Kammer muss nun herausfinden, ob die zwei arbeitslosen Riesaer ihren Kumpel tatsächlich töten wollten. Falls ja, könnte sie die Attacke als versuchten Mord werten. Dann drohen dem Duo lange Haftstrafen.

Die Verhandlung ist auf vier Tage angesetzt. Hier wird vielleicht auch geklärt, was den zunächst wohl entspannten Computerspiele-Abend des Trios im Clara-Zetkin-Ring hat derart eskalieren lassen. Noch wenige Tage vor der Tat hatten sich die drei Kumpels – für einen kurzen Videofilm – auf dem Bett des späteren Opfers gerauft. Dieser sonderbare Streifen mit dem Titel „Kampf der Titanen“ war zum Prozessauftakt gezeigt worden. Von Hass keine Spur.

Doch warum später dieser brutale Gewaltexzess? Während die bereits wegen Diebstahls und Crystalbesitzes vorbestraften Angeklagten dazu schwiegen, blieb ihr Opfer von damals der Verhandlung fern. Ob Drogen oder Alkohol eine Rolle bei der Tat spielten, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft sieht keinen entscheidenden Einfluss. Eine Gutachterin wird aber noch gehört. Der Prozess wird in Kürze fortgesetzt.