Von Sven Heitkamp
Eigentlich müsste Unister für gute Laune sorgen. Schließlich verdient das kleine Internet-Imperium aus Leipzig sein Geld vor allem mit Urlaubsreisen. Das Unternehmen betreibt bekannte Reiseportale wie Ab-in-den-Urlaub.de und Fluege.de – und steht mit an der Spitze seiner Branche. Doch statt in ungetrübte Ferienstimmung gerät die erfolgreiche Firmengründung von 2002 mit rund 1 500 Mitarbeitern immer wieder in Negativ-Schlagzeilen: mit staatsanwaltlichen Ermittlungen, Hausdurchsuchungen, zeitweiliger Untersuchungshaft, Klagen vor Gericht, Angriffen von Verbraucherschützern, häufigen Personalwechseln. Erst im Frühjahr hatte etwa Peter Zimmermann, Ex-Regierungssprecher von Sachsen, das Haus als Geschäftsführer frühzeitig verlassen.
Kompagnons sehen sich vor Gericht
Mittlerweile geht es vor allem um eine Fehde zwischen dem Gründer und Kopf von Unister, Thomas Wagner, und seinem früheren Kompagnon und Miteigner Daniel Kirchhof. Die verfeindeten Ex-Partner liefern sich eine Schlacht um Firmenanteile, üble Nachreden, Verschwiegenheitspflichten und Hausverbote. Es geht um Geld und verlorene Macht. Das einstige Duo sieht sich am ehesten vor Gericht.
Das seriöse Handelsblatt zitierte vor wenigen Tagen aus einem Brief Kirchhofs, der einer Abrechnung gleichkommt. Darin schreibt Kirchhof laut Handelsblatt von einem „hohen Maß an Realitätsverlust in der Geschäftsführung“. Außerdem würden Mitarbeiter, Gesellschafter und Geschäftspartner mit geheimdienstlichen Methoden illegal überwacht. Auf einer Doppelseite schrieb das Blatt über Unister als einem „Himmelfahrtskommando“ und spekulierte darüber, dass das Unternehmen schon im Herbst in massive Zahlungsschwierigkeiten geraten könne. Mehr noch: Möglicherweise drohe „dem einstigen Vorzeige-Start-up der Ruin“.
Wagner, Geschäftsführer der Unister-Holding, ließ die öffentlichen Anschuldigungen nicht auf sich sitzen und keilte mit einem offenen Brief zurück. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von dem nicht haltbaren Vorwurf des ,drohenden Ruins‘“, schrieb Wagner und fragte rhetorisch, ob das Handelsblatt vor dem journalistischen Ruin stehe. „Das Bild des drohenden Ruins wäre geradezu lachhaft, wenn es nicht eben geschäftsschädigend wäre.“
Vor allem aber greift Wagner seinen alten Weggefährten Kirchhof frontal an. Der stehe zweifelsfrei im Konflikt mit diesem Unternehmen“ – und im Verdacht, „Unternehmensgelder in nicht unerheblicher Größenordnung veruntreut zu haben“, was Kirchhof wiederum bestreitet. Doch der Umstand, so Wagner, lasse erahnen, aus welcher Motivation heraus mögliche Briefe an die Medien lanciert würden. Man bemühe sich daher derzeit um die vollständige Trennung von Herrn Kirchhof von dem Gesellschafterkreis, so Wagner. So hört sich eine Schlammschlacht an.
Noch keine testierte Bilanz für 2014
Auf Nachfrage der SZ betont Unister-Sprecher Dirk Rogl, die Vermutung eines Ruins könne er nur „aufs Schärfste zurückweisen“. Unister habe voriges Jahr rund 500 Millionen Euro Umsatz gemacht und dabei ein positives Betriebsergebnis erzielt. Ein wichtiger Treiber des Wachstums sei die sehr profitable Reisesparte der Holding Unister Travel, die in der Pauschaltouristikbranche ganz vorn mitspiele. Gewinne würden bisher aber nicht ausgeschüttet, sondern in neues Wachstum investiert. Genaue Zahlen liegen jedoch nicht vor, da eine testierte Bilanz für das Geschäftsjahr 2014 noch immer auf sich wartenlässt.
Dass Innovationen in einem Unternehmen wie Unister natürlich auch fremdfinanziert sind, sei selbstverständlich, betont Rogl. Man arbeite dazu vertrauensvoll mit mehreren seriösen Kreditgebern zusammen, alle Kredite würden pünktlich bezahlt, verlängert oder auf anderem Weg beglichen. Zu den Optionen der Holding gehören dabei auch die Suche nach einem strategischen Partner, die seit Längerem läuft, oder auch ein Börsengang, wie in der Branche spekuliert wird. Das Handelsblatt hatte unter Berufung auf einen internen Schriftverkehr über Verbindlichkeiten in Höhe von 85 Millionen Euro berichtet. Rogl lässt diese Zahl im Raum stehen. Dass es Schulden in einer Größenordnung von 85 Millionen Euro geben könne, sei aber bei einem Unternehmen dieser Größe grundsätzlich denkbar.
Im Mittelpunkt der aktuellen Debatte steht ein Deal mit der Hamburger Versicherungsgruppe Hanse Merkur, die Reiseversicherungen anbietet und die Unister laut Handelsblatt angeblich 40 Millionen Euro geliehen haben soll. Doch im Oktober würden die Darlehen fällig. Ob es rechtzeitig eine Verlängerung gibt oder andere Optionen gezogen werden, wird bisher nicht erklärt. Im Raum steht überdies, ob es künftig noch gelingt, die erfolgreiche Reisesparte von Unister zu verkaufen und den finanziellen Knoten zu lösen. Doch solange der Streit zwischen den Gesellschaftern tobt, dürfte dies nicht eben leichter werden.
Den Vorwurf der geheimdienstlichen Mitarbeiterüberwachung weist Rogl ebenfalls zurück. Es gebe natürlich keine illegalen Methoden im Haus, wenn man nicht schon die überall übliche Arbeitszeiterfassung der Mitarbeiter dazu zählen wolle.