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Schlange stehen für Schlachtrosse

5.300 Leser bestaunten am Sonntag edle Ritter, Rassepferde und prunkvolle Waffen im Riesensaal des Dresdner Schlosses.

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© Ronald Bonß

Von Birgit Grimm

Eine Stunde war der neue Riesensaal geöffnet, da erlosch das Licht. Als kurz darauf die Beleuchtung wieder eingeschaltet wurde, erstrahlte der Saal ganz neu und brachte Ross und Reiter zum Glänzen. Jemand klatschte leise Beifall. Vielleicht hatte er verstanden, dass endlich das Arbeitslicht aus- und die Ausstellungsbeleuchtung eingeschaltet worden war. Denn nun erst entfalteten die drei lebendigen Turnierszenen, die edlen Rittern und die prunkvollen Waffen vollständig ihre Wirkung.

Die Ersten, die gestern Einlass in den Riesensaal des Dresdner Schlosses begehrt hatten, waren drei flotte Damen im fortgeschrittenen Alter. Früh raus aus den Federn, rein in die Straßenbahn – nur nicht zu spät kommen! „Wir waren schon kurz nach halb neun hier, aber zum Glück waren die Eingänge zum Schloss und der Kleine Schlosshof bereits geöffnet“, sagt Ulrike Köhler. Pünktlich um neun ging die 72-Jährige gemeinsam mit der Sächsischen Zeitung und ihren Freundinnen auf Entdeckertour – und war beeindruckt: „Was unsere Fürsten an Gewicht mit sich tragen mussten!“ In der Tat: So ein Harnisch, den ein Ritter im Turnier trug, wiegt 30 bis 40 Kilogramm. Damit würde es mancher heute nicht schaffen, aufs Pferd zu steigen geschweige denn, zu reiten und mit einer Lanze seinen Gegner vom Pferd zu stoßen.

Frau Köhler bewunderte die Arbeit der Plattner und der Kunsthandwerker, der Gold- und der Waffenschmiede. Und sie war ein wenig ergriffen von der Tatsache, „dass es damals im Krieg so beherzte Leute gab, die die Kunstschätze auslagerten und retteten und dass es Menschen gab, die nach dem Krieg dafür sorgten, dass das Schloss als Ruine stehen blieb, sodass es nun wiederaufgebaut werden konnte“. Annelore Burmeister bewunderte den fast sechzig Meter langen Raum und das große, tonnenartige Gewölbe mit den Rauten. „Dieser Saal tritt ganz leise an die Vergangenheit heran und bringt die Exponate wunderbar zum Tragen“, lobt sie und hatte doch die Inszenierung der Kunstschätze noch gar nicht im richtigen Licht erlebt.

Viele flanierten staunend durch den Saal und suchten die Riesen. Andere wollten wissen, warum in der Szenerie des Pallienstechens eine Lanze gebrochen ist. Und gemutmaßt wurde, ob der Prunkharnisch für Ross und Reiter pures Gold ist. Antworten gaben drei Gästeführerinnen. Eine der Damen, die vorige Woche ihre Prüfung für den Riesensaal abgelegt haben, ist Steffi Uhlig. Gestern war auch für sie, die im Schloss wie zu Hause ist, Premiere im Riesensaal. „Diese Vielfalt in den Kunstsammlungen gefällt mir sehr“, sagt sie. „Je mehr man weiß, umso besser kann man Querverbindungen herstellen und den Gästen die sächsische Geschichte nahebringen.“

Echte Entdeckertypen sind die Grafs aus Dresden. Tochter Lina studiert in Zwickau Wirtschaftsfranzösisch. Bevor das neue Semester beginnt, haben ihr die Eltern den Besuch des Riesensaals geschenkt. Dabei hatten sie anfangs gar kein Glück. „Die Karten waren viel zu schnell ausverkauft. Wenn man berufstätig ist, hat man kaum eine Chance“, sagt Marion Graf.

Sie arbeitet als Erzieherin, ihr Mann Ralf ist Programmierer. Alle drei sind interessiert an allem Neuen, was in ihrer Heimatstadt entsteht. Den Aufbau des Schlosses haben sie verfolgt. Und die Eltern wissen noch, dass dort, wo sie jetzt Ross und Reiter bewundern, einst eine Lücke klaffte und man in die Ruine des Großen Schlosshofs schauen konnte. Im Historischen Grünen Gewölbe waren sie vor längerer Zeit schon, auch in der Tückischen Cammer. „Wir sind froh, dass wir heute so früh am Morgen schon hier sind. Dann können wir noch die anderen Ausstellungen im Schloss anschauen“, sagt Marion Graf.

Auch Beate und Thomas Augsburg verbinden die morgendliche Erkundung des Riesensaals mit einem Rundgang durchs Schloss. „Die Türckische Cammer interessiert uns vor allem“, sagt Thomas Augsburg. Die Mittvierziger erinnern sich noch gut an die Ausstellung der Rüstkammer am Zwinger: „Einmal wurden wir aufgefordert, die Ausstellung zu verlassen. Unsere Kinder waren einfach zu wild und flitzten durch den Saal“, erzählt Beate Augsburg und muss schmunzeln. Gestern war der Nachwuchs nicht dabei. Die drei Kinder sind nun in einem Alter, in dem man sonntags nur schwer aus dem Bett kommt und Museen nicht ganz so spannend findet. „Aber unserem siebenjährigen Neffen könnten wir einen Besuch der Rüstkammer schenken“, meint Frau Augsburg.

Vielleicht waren ihr im Gedränge im Riesensaal auch die beiden Brüder aufgefallen, die ihrem Opa fasziniert zuhörten und einen sehr ausgeschlafenen Eindruck machten. Der Großvater erklärte ihnen, wie eine Radschlosspistole funktioniert. Moritz, sechs, und Gregor, acht, hatten sich mit Eckhard und Bärbel Geißler aus dem Klingenberger Ortsteil Beerwalde auf den Weg nach Dresden gemacht. Die Jungs interessierten sich vor allem für die geharnischten Kinder. Moritz staunte, dass er den Namen eines sächsischen Kurfürsten trägt. Aber so eine Ritterrüstung möchte er nicht unbedingt tragen, nicht mal als Karnevalskostüm. Na ja, höchstens einen dieser Helme mit Federbusch. Die findet er nun wirklich cool.

Der Riesensaal bleibt heute tagsüber geschlossen, das Schloss ist geöffnet. Am Abend wird er offiziell eröffnet. Morgen öffnen Schloss und Riesensaal 10 bis 18 Uhr für Besucher. Ab übermorgen gelten wieder die regulären Öffnungszeiten mittwochs bis montags von 10 bis 18 Uhr.