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Schlechte Stimmung in der Reisebranche

Laut IHK machen Online-Portale Reisebüros zu schaffen. Ein EU-Gesetz könnte die Lage zusätzlich verschlimmern.

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© dpa

Von Tina Soltysiak

Region Döbeln. Wer einen Urlaubsplatz sucht, geht heute andere Wege als noch vor fünf bis zehn Jahren. Das Buchungsverhalten hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Das bestätigt Heidrun Bernhardt vom gleichnamigen Reisebüro in Hartha. „Die Verlockungen im Internet sind groß. Anbieter winken mit Reisegutscheinen über 100 Euro oder dergleichen. Welches klein- oder mittelständische Reisebüro kann es sich leisten, so etwas auch anzubieten?“, sagt sie. Vor allem Reisen im deutschsprachigen Raum würden die Kunden eigenständig im Internet oder am Telefon buchen. Dasselbe gelte für Klassenfahrten. „Dafür habe ich früher immer mal Angebote erstellt“, erzählt die Inhaberin.

Die Stimmung in der Reisebranche sinkt. Diese Situation sei nicht allein auf die Region Döbeln beschränkt, sondern stelle sich im gesamten Bezirk der Industrie- und Handelskammer (IHK) Chemnitz so dar. Das hat Ilona Roth, Geschäftsführerin Handel/Dienstleistungen, am Mittwoch bei der Vorstellung des aktuellen Tourismusbarometers in Chemnitz gesagt. „Die Geschäftslage im Frühjahr und Winterhalbjahr wird von der Reisebranche schlechter bewertet als im außerordentlich guten Vorjahr sowie im Vergleich mit den entsprechenden Saisonzeiträumen 2014 und 2013“, ergänzt sie.

Das liege vor allem an der weltpolitischen Lage: Unruhen, Terroranschläge, Kriege und Flüchtlingsströme beeinflussen das Reiseverhalten der Einwohner im Kammerbezirk. „Ziele in Nordafrika, also Ägypten, Tunesien und Marokko, aber auch die Türkei, meiden die Leute zurzeit“, sagt Ilona Roth. Das habe trotz allem einen positiven Nebeneffekt: „Dem heimischen Gastrogewerbe kommt das zugute, weil die Deutschen Urlaub im eigenen Land machen“, ergänzt sie. Aktuell buchen die Kunden laut IHK für die Sommersaison folgende Reiseziele am häufigsten: Deutschland, Spanien inklusive Kanaren/Balearen, Italien, Österreich, Fernreisen – zum Beispiel Kuba und die Karibik allgemein – Griechenland, Bulgarien, Polen sowie Kreuzfahrten.

Obwohl Buchungsportale im Internet mehr werden und neue Plattformen entstehen – über Wimdu und Airbnb bieten Privatleute Zimmer oder ihre Wohnung für Urlauber an – sei deutschlandweit die Zahl der Reisebüros in den vergangenen Jahren gestiegen. „Von 9 729 im Jahr 2013 auf aktuell etwa 9 880. Von einer aussterbenden Branche kann also keinesfalls die Rede sein“, meint Ilona Roth. Zumal insgesamt der bundesweite Umsatz der Reisebüros um drei Prozent gestiegen sei.

Beratung im Büro, Buchung online

Ein Risiko stelle jedoch die für 2018 geplante Umsetzung der Pauschalreiserichtlinie der EU dar. „Beim Verkauf individuell zusammengestellter Reiseleistungen könnten Reisebüros in die Veranstalterhaftung geraten“, sagt Ilona Roth. Reisebüros würden mit Reiseveranstaltern gleichgesetzt. Das bedeutet: Läuft bei der Reise etwas schief, kann unter Umständen das Reisebüro zur Verantwortung gezogen werden. Heidrun Bernhardt sagt dazu: „Sobald sie in Kraft tritt, höre ich auf.“ Sie könne sich den dann notwendigen Versicherungsbeitrag in Höhe von 7 000 Euro jährlich nicht leisten. Seit 1992 gibt es ihr Reisebüro.

Laut IHK schätzt insgesamt ein Drittel der beteiligten Reiseagenturen die Geschäftslage mit „gut“ ein. Aber: „35 Prozent der Befragten befürchten eine Verschlechterung ihrer Geschäftstätigkeit.“ Ähnlich sieht es Heidrun Bernhardt: „Die Geschäftslage war wirklich nicht schlecht. Sie wird aber auch nicht besser.“

Es komme immer wieder vor, dass sich Kunden von ihr beraten lassen, die Reise dann aber doch im Internet buchen, berichtet die Harthaerin von ihren Erfahrungen. Davon hat auch Dietmar Richter von der IHK erfahren. Er schätzt jedoch ein: „So ein Verhalten ist im Reisesektor nicht so stark ausgeprägt, wie im Einzelhandel.“ Wer einmal im Reisebüro sitze, buche dann auch gleich vor Ort. Heidrun Bernhardt ergänzt: „Vielen Kunden ist die Sicherheit, die wir als Reisebüro bieten, wichtig.

Laut Ilona Roth haben sich an der Saisonumfrage Tourismus der IHK Chemnitz 43 der einbezogenen 143 Reiseunternehmen beteiligt. Darunter seien 28 Reisebüros, zehn Reiseveranstalter und acht Busunternehmen.