Von Jana Ulbrich
Bautzen. Jessica Hempel hebt das Fernglas an die Augen. „Der dort hinten“, sagt sie, „der weiße Transporter, polnisches Kennzeichen“. Alfred Klaner nickt. Sofort funkt der Bundespolizist die Angaben an die Kollegen unten auf der Autobahn. An der nächsten Abfahrt werden sie den Transporter aus dem Verkehr lotsen und kontrollieren. Mal sehen, ob Jessica Hempel oben auf der Brücke den richtigen Riecher hatte.
Die A 4 ist mittlerweile der Hauptarbeitsplatz der Bundespolizisten in der Oberlausitz. Wer illegal nach Deutschland einreisen will, kommt schon lange nicht mehr zu Fuß über die grüne Grenze. „Der kommt über die Autobahn“, weiß Frank Barby, Sprecher der Bundespolizeiinspektion in Ebersbach, „vorzugsweise in Klein- oder Reisebussen oder eben in geschlossenen Kleintransportern wie dem, den die Polizeiobermeisterin oben auf der Brücke gerade ausgemacht hat.
Frank Barby erinnert das an einen Fall aus der letzten Zeit, bei dem 18 Menschen in so einem Transporter eingepfercht waren – fünf Iraker und 13 Syrer. Wenigstens ein halbes Jahr hat der Fahrer, ein 19-Jähriger Bodybuilder aus Polen, dafür im Gefängnis sitzen müssen. 48 Schleuser haben die ostsächsischen Bundespolizisten in diesem Jahr schon festgenommen. Den Löwenanteil leisten dabei die Kollegen der Inspektion in Ludwigsdorf, die unmittelbar an und nach der Grenze zu Polen agieren. Rund 1 000 illegal eingereiste Personen sind ihnen in diesem Jahr schon in die Fänge gelaufen. Die Beamten der Ebersbacher Inspektion, die weiter im Inland arbeiten, konzentrieren sich auf diejenigen, die den Ludwigsdorfern durchs Netz rutschen. Auch da kommen noch mal einige Dutzend zusammen.
Die A 4 gehört schon seit Jahren zu den gängigen Schleuser-Routen, vor allem für Menschen aus Osteuropa. Überwiegend sind es Ukrainer und Russen, die von den Bundespolizisten aufgegriffen werden. Abgesehen von Einzelfällen, sagt Barby, habe sich bisher aber noch nicht gezeigt, dass die Schließung der Balkanroute zu einem massiven Ausweichen der Schleusungen über Osteuropa und die A 4 geführt hätte.
Mehrbelastungen auf beiden Seiten
Damit widerspricht Barby auch dem Bautzener CDU-Landtagsabgeordneten Marko Schiemann, der genau diese Entwicklung befürchtet und deshalb mehr Personal für die Bundespolizei-Inspektionen Ludwigsdorf und Ebersbach fordert. Dass das Personal in den Inspektionen knapp ist und die Zahl der verfügbaren Beamten in der Realität bei Weitem nicht der auf dem Papier entspricht, das ist kein Geheimnis. Nach wie vor ist ein „nicht unerheblicher“ Teil der Kollegen aus den Inspektionen an noch größere Brennpunkte der Schleuserkriminalität und der illegalen Einreisen abgeordnet, so beispielsweise zu Dienststellen an der deutsch-österreichischen Grenze oder an die großen Flughäfen in München und Frankfurt/Main. Konkrete Personalzahlen werden dazu von der Bundespolizei nicht genannt. Aber Frank Barby gibt zu, dass die gängige Praxis der Abordnungen auf beiden Seiten zu Mehrbelastungen führt – sowohl bei den zeitweilig abgeordneten Kollegen als auch bei den Kollegen der abgebenden Dienststellen. „Dennoch“, sagt der Polizeioberkommissar, „können wir den Auftrag, den wir hier haben, definitiv erfüllen.“
Dazu würde es auch keiner ständigen stationären Grenzkontrollen bedürfen, erklärt er. Auch das hatte der Landtagsabgeordnete Marko Schiemann gefordert. Die EU habe den Ländern dafür sogar zeitweilig grünes Licht gegeben. Dennoch gebe es im Moment keinen Anlass, sagt Frank Barby. Zuletzt hatte es anlassbezogene Grenzkontrollen beim Papstbesuch in Polen und aufgrund der Migrationslage gegeben. Dabei konnten die Beamten bedeutend mehr Feststellungen machen als bei den mobilen Kontrollen, die naturgemäß nur Stichproben-Kontrollen sein können. Dennoch sollen stationäre Grenzkontrollen auch weiterhin die Ausnahme in besonderen Situationen sein, erklärt Barby. „Sonst würde ja das ganze Schengenabkommen infrage gestellt“, sagt er. „Das ist nicht gewollt.“
Zwei gestohlene VW sichergestellt
Stattdessen verweist er auf die gute Zusammenarbeit mit der Landespolizei, vor allem auf die Gemeinsame Fahndungsgruppe GFG, in der Beamte beider Dienststellen zusammenarbeiten. Die Erfolgsquote der GFG, die ausschließlich auf der A 4 unterwegs ist, ist hoch. Erst vorige Woche konnten die Kollegen zwei gestohlene VW T 5 sicherstellen, 261 gestohlene Fahrzeuge sind es seit Gründung der Gruppe 2006.
Jessica Hempel oben auf der Brücke hat jetzt einen dunklen Multivan mit schwarzgetönten Scheiben im Visier. Zgorzelecer Kennzeichen. Alfred Klaner funkt die Daten zu den Kollegen. Auch wenn im Bereich der illegalen Migration zurzeit noch kein Ausweichen der Schleuser in Größenordnungen zu verzeichnen ist, sagen sie, werden sie die Lage aufmerksam verfolgen.