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Schlimmer als in Dresden

Mit Dynamo schaffte es Thomas Rath 1994 bis ins Halbfinale des DFB-Pokals. Ein Jahr später wechselte er nach Freiburg. Mit der SZ spricht der 47-Jährige über die Unterschiede zwischen beiden Vereinen.

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Thomas Rath, Sie gehören zu der Dynamo-Truppe, die 1994 das DFB-Pokal-Halbfinale erreicht hat. Was war das Geheimnis dieser Mannschaft?

Mit Trainer Siegfried Held schaffte es Thomas Rath in der Saison 1993/94 bis ins DFB-Pokal-Halbfinale. Das war aber nur die Krönung nach dem gelungenen Klassenerhalt.
Mit Trainer Siegfried Held schaffte es Thomas Rath in der Saison 1993/94 bis ins DFB-Pokal-Halbfinale. Das war aber nur die Krönung nach dem gelungenen Klassenerhalt. © SZ-Archin/Wolfgang Wittchen

Ich weiß nicht, ob das nun ein Geheimnis war. Wir waren einfach eine gute, eingeschworene Truppe, bei der es vor allem über den Charakter lief. Da spielte sicher mit rein, dass wir mit dem Vier-Punkte-Abzug in der Liga eine eigentlich unlösbare Aufgabe vor der Brust hatten. Im Pokal hatten wir aber auch das Glück, dass wir auf dem zum Teil gefrorenen Platz gegen die spielerisch überlegenen Teams gut gegenhalten konnten. Bayern München und Bayer Leverkusen haben wir so rausgeworfen. Beim 0:2 im Halbfinale gegen Werder Bremen passte dann nicht viel zusammen. Wir hatten von Erima extra ein neues Outfit bekommen, das mit der karierten Hose wie ein Schlafanzug aussah – schrecklich. Die Hose habe ich aber noch, das Trikot hab ich irgendwann mal verschenkt. Weil wir aber auch nicht besonders gut gespielt hatten, waren wir natürlich danach die Schlafmützen. Aber man muss auch sagen, dass Werder damals wirklich nicht schlecht unterwegs war.

Nach dem Zwangsabstieg 1995 wechselten Sie zum SC Freiburg. Was war dort anders als in Dresden?

Damals hat Freiburg schon ein System gespielt, mit dem Dortmund später Erfolge gefeiert hat und mit dem heute eigentlich alle spielen. Das heißt viel Kurzpassspiel. Da kam ich erst mal gar nicht zurecht. In Dresden hatten wir ja mehr mit langen Bällen agiert. Deswegen war es für mich nicht so leicht, in das Spielsystem reinzukommen. Trainer Volker Finke hatte mich als Ersatz für Jens Todt vorgesehen, dessen Wechsel im Sommer 1996 bereits feststand. Somit war klar, dass die Position im defensiven Mittelfeld, wo ich auch bei Dynamo gespielt habe, erst mal besetzt war. Da ich aber der erste Spieler war, für den der SC mehr als eine Million D-Mark Ablöse bezahlt hat, musste ich ja irgendwie spielen.

Wo wurden sie dann eingesetzt?

Im Sturm. Das war ein Problem. Erst das Kurzpassspiel. Dann eine Position, die ich zwar früher mal gespielt hatte, aber in den drei Jahren bei Dynamo überhaupt nicht - da war das erste Jahr aus sportlicher Sicht schon schrecklich. Aber es ist dann besser geworden. Im zweiten Jahr war ich im Mittelfeld Stammspieler und habe später sogar in der Innenverteidigung gespielt. Insgesamt war das aber eine ähnlich homogene Truppe wie bei Dynamo 1993/94, sehr familiär. Das, was sie auch heute noch praktizieren: kontinuierlich arbeiten, keine Riesenschritte machen - das ist es, was den Verein auszeichnet.

Haben Sie noch Kontakt zum SC?

Nein, gar nicht mehr. Aber wir waren letztes Jahr im Urlaub mal ein paar Tage in Freiburg. Meine Frau hat noch Kontakt zu zwei, drei Spielerfrauen von damals. Da haben wir uns auch das Stadion angeguckt, einen Stadtbummel gemacht. Grundsätzlich hat sich da viel verändert. An den Strecken an der Dreisam, die wir bei unseren Trainingseinheiten gelaufen sind, sind wir langspaziert – da sind schon schöne Erinnerungen wieder hochgekommen. Mit Volker Finke bin ich menschlich nicht so richtig zurecht gekommen, aber als Trainer war er einer der besten, die ich je hatte. Er hat sehr auf die richtige Mischung aus schnellen und laufstarken Spielern geachtet. Da hab ich sehr viel gelernt im Vergleich zu anderen Trainern. Eigentlich wollten mich die Freiburger auch nach den zwei Jahren behalten, aber da hatte ich schon beim VfB Leipzig unterschrieben.

Sie haben mit 30 Jahren ihre Karriere beendet. Warum?

Schuld war ein Achillessehnenriss. Den hatte ich schon mit 27. Dann gab es drei Operationen. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass es nicht mehr für den Leistungssport reicht. Ich habe immer wieder gemerkt, dass es noch Probleme damit gibt; dass es wehtut, wenn ich den Fuß längere Zeit belaste. Es ist zwar schade gewesen, aber es gibt ja auch ein Leben nach der Profikarriere. Und ich konnte mich mit der Familie zusammen auf das Karriereende vorbereiten, das ging nicht von heute auf morgen.

Seit wann leben Sie wieder in Dresden?

Wir sind 2000 zurückgekommen, weil es uns hier schon am besten gefallen hat und wir noch Kontakte hatten. Ich habe damals über die Berufsgenossenschaft eine Umschulung zum Industriekaufmann gemacht. 2005 haben wir dann in Niedersedlitz ein Haus ersteigert, ich habe diverse Berufe gemacht, unter anderem Hausmeisterdienste. Das war immer auf Minijob-Basis, denn ich bin aufgrund meiner dauernden Rückenbeschwerden schon Rentner. Jetzt gibt es immer mal kleinere Aufgaben auf Zuruf, nix Großes, weil es gesundheitlich auf Dauer nicht funktioniert.

Was sind das denn für Aufgaben?

Ich gebe seit etwa sechs Jahren zum Beispiel in der Schule, in die meine Tochter früher gegangen ist, eine Fußball-AG. Das macht viel Spaß, weil es gleich Feedback gibt. Die Kinder grüßen dich auch, wenn du sie nach ein paar Jahren auf der Straße wiedertriffst. Da fühlt man sich irgendwie angekommen und zu Hause. Meinem Nachbarn helfe ich beim Bühnenaufbau für den Semperopernball. Seit es den gibt, war ich nur zwei- oder dreimal nicht dabei. Beim Dixieland helfe ich auch gern mit, weil eine Nachbarin da größer involviert ist. Ich sage immer: In alles, was Dresden irgendwann mal groß gemacht hat, bin ich durch Zufall immer mit reingerutscht. Ob das nun Dynamo war, Dixieland oder eben der Semperopernball ist - das ist schon schön.

Wie oft gehen Sie noch ins Stadion?

Ab und zu, nicht regelmäßig. Zuletzt war es gegen Bielefeld. Ich verfolge Dynamo aber regelmäßig. Mit einem Kumpel guck ich die Spiele bei Sky. Wenn ich im Stadion bin, dann geht es aber auf die Ränge. Ich war nie der Typ, der sich gern im Vip-Bereich präsentiert. Aber die Entwicklung des Vereins freut mich sehr. Es ist nur schade, dass das Geld nicht da ist, um die wichtigen Spieler zu halten.

Was erwarten sie in dieser Saison von Dynamo?

Wenn ich mir angucke, wo sie jetzt stehen und die individuellen Fehler abziehe, die Punkte gekostet haben – Dynamo könnte im Moment locker auf Platz drei oder vier stehen. Obwohl sie spielerisch noch nicht vollends überzeugt haben. Das zeigt aber, dass die Liga ziemlich ausgeglichen ist und schwächer als in der Vorsaison.

Wie geht das Spiel gegen Freiburg aus?

Es ist natürlich das schlechteste Los von den dreien gewesen, die noch im Topf waren (neben RB Leipzig und Bayern München/Anm. d. Red). Zu Hause gegen Freiburg wäre es vielleicht einfacher geworden. So denke ich schon, dass Freiburg als Heimmannschaft weiterkommt.

Mal weg vom Fußball: Sie sind Hobby-Angler und ärgerten sich erst vor wenigen Tagen über einen neu aufgetauchten Fisch, der andere Arten verdrängt. Macht ihnen das Angeln trotzdem noch Spaß?

Ja, doch. Ich war erst vorgestern wieder. Das Schöne daran ist, draußen an der frischen Luft zu sein und seine Ruhe zu haben. Meisten bin ich in Pillnitz, wo es auch Publikumsverkehr gibt und man auch mal mit ein paar Leuten quatschen kann, während die Angel in der Elbe hängt. Ich bin gar nicht so heiß drauf, die Fische rauszuholen – weil ich sie eh nicht esse. Es ist einfach ein Hobby, das mich entspannt. Das können sich viele, die mich kennen, gar nicht vorstellen, weil ich eigentlich immer am Wuseln bin und irgendwas machen muss.

Was haben Sie vom Angeln gelernt?

Dass man einen Blick für andere Sachen gewinnt. Das ist auch das Schöne an meiner Situation, dass ich Sachen machen kann, für die früher keine Zeit blieb. Ich setz mich auch einfach mal aufs Fahrrad und guck mir die Gegend an. Dann sieht man die Welt auch anders als im Fußball. Bestes Beispiel: der Ausflug nach Freiburg letztes Jahr. Mir ist das nie so bewusst gewesen, wie schön eigentlich die Innenstadt ist. Als Fußballer konntest du da ja nicht hingehen, da hat dich gleich jeder angesprochen. Das war noch schlimmer als in Dresden.

Tatsächlich?

Ja, hundertprozentig. Erst mal ist Freiburg ja nicht so eine große Stadt, kompakter. Und in meiner Zeit war der SC ja gerade aus dem Nichts auf die große Fußballbühne gekommen (Freiburg war Dritter in der Bundesliga, spielte Europapokal/d. A.). Es drehte sich alles um Fußball und jeder wollte irgendeinen Fußballer kennen. Deswegen konntest du dort auch nichts machen, weil ja sofort Gerüchte gestreut worden wären. Das war schon echt krass. Und wenn du doch mal unterwegs warst, dann haben dich die Leute dort in die Wirtschaft – so nennen sie die Kneipen – eingeladen. Das war mir schon manchmal peinlich.

Das Gespräch führte Cornelius de Haas