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Schlimmster Ausbruch seit 1990

In Sachsen sind nach neuesten Angaben 36 Menschen an Masern erkrankt. Der Leipziger Impfexperte Michael Borte spricht sich für eine Impfpflicht aus.

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© dpa-infografik

Leipzig. Angesichts des jüngsten Ausbruchs von Masern hat sich der Leipziger Mediziner und Impfexperte Michael Borte für eine Impfpflicht ausgesprochen. In Sachsen sind nach den neuesten Angaben 36 Menschen an Masern erkrankt. Ein Kleinkind wird im Krankenhaus behandelt. In Sachsen handle es sich um den ersten großen Ausbruch dieser hochansteckenden und gefährlichen Krankheit seit 1990, sagte Borte, der Chefarzt der Kinderklinik am Leipziger Klinikum St. Georg ist, der Deutschen Presse-Agentur. In Berlin sind es mehr als 500 Fälle, ein kleiner Junge starb dort wahrscheinlich an der Krankheit.

Wegen der Gefährlichkeit der Erkrankung sollte es Pflicht sein, Kinder gegen Masern impfen zu lassen, betonte der Professor, der in der sächsischen Impfkommission mitarbeitet. „Was wir Ärzte vor allem fürchten, sind die schweren Schädigungen am Zentralen Nervensystem infolge der Erkrankung“, sagte Borte. Er halte es deshalb für sinnvoll zu verlangen: „Wenn ein Kind in die Kita aufgenommen werden soll, muss es gegen Masern geimpft sein“. In den USA werde das etwa vor dem Eintritt in der Schule gefordert. Gute Erfahrungen gebe es etwa auch in Großbritannien und Skandinavien.

Sachsen Schlusslicht bei Impfqoute

Bei einer hohen Impfquote spreche man von einer sogenannten Herdenimmunität. „Das schützt auch diejenigen, die aus bestimmten Gründen nicht geimpft werden können“, sagte Borte. Der Durchimpfungsgrad bei Masern liege momentan in Deutschland bei 93 Prozent. In Sachsen seien es 80 Prozent. „Das reicht bei weitem nicht. Sachsen ist damit Schlusslicht in Deutschland“.

Gegen Masern impfen lassen? Pro & Kontra

Hunderte Menschen erkranken, in Berlin gab es sogar einen Todesfall: Ein Kleinkind starb an Masern. Ärzte raten zu einer Impfung - davon ist aber nicht jeder überzeugt. Einige Argumente, die dafür und dagegen sprechen:

Pro

Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit: Komplikationen wie Mittelohr-, Lungen- oder Gehirnentzündungen sind bei der Erkrankung möglich, warnt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Für eine Impfung spricht außerdem: Wer sich gegen Masern impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Wenn 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, können sich die Masern nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nicht mehr ausbreiten. Dann wären auch nicht geimpfte Menschen wie junge Säuglinge durch die sogenannte Herdenimmunität geschützt.

Wer nicht geimpft ist, steckt sich bei Kontakt mit dem Virus mit fast 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit an. Eine zweimalige Impfung bietet auf der anderen Seite einen mehr als 95-prozentigen Schutz.

Kontra

Impfgegner führen zum einen die Nebenwirkungen ins Feld. Sie halten das Risiko für nicht kalkulierbar. Generell sind mögliche Nebenwirkungen auch laut dem Robert Koch-Institut unbestritten. Bei Masern reichen sie der Bundesärztekammer zufolge von Rötungen bis hin zu Fieber, sehr selten seien auch allergische Reaktionen möglich.

Andere Argumente der Impfgegner stehen dagegen in deutlichem Widerspruch zu den Einschätzungen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der Ständigen Impfkommission (Stiko). So sind Masern etwa nach Ansicht von Kritikern wie Hans Tolzin eine harmlose Kinderkrankheit, die in der Regel ohne Komplikationen verlaufe. Er bezweifelt auch die Wirksamkeit einer Impfung.

Andere glauben, dass das Durchmachen von Krankheiten für die Entwicklung des Kindes wichtig sei und einen besseren Schutz bewirke als eine Impfung. (dpa)

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Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) setzt auf verstärkte Aufklärung. Wenn das nicht gelinge, sei eine Impfpflicht kein Tabu, aber sie stehe jetzt nicht an, hatte Gröhe am Montag erklärt.

Viele Eltern seien durch die Informationsflut im Internet verunsichert, sagte Borte. „Eltern informieren sich sehr gut. Im Internet stoßen sie dann aber auch auf die Seiten von Impfgegnern, die Befürchtungen schüren“, betonte er. Manche Eltern seien dafür anfällig. Dazu komme, man müsse sich selber kümmern, dass die Kinder geimpft werden. „Es läuft einem keiner mehr hinterher.“ Umso mehr sehe er die Ärzte in der Pflicht, aufklärend zu wirken und den Impfstatus von Kindern, aber auch von Erwachsenen regelmäßig zu prüfen.

An diesem Samstag kommen Ärzte und Wissenschaftler in Leipzig zum jährlichen Sächsischen Impftag zusammen. (dpa)