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Schloss Jahnishausen wird grün

Die Farbe steht fest: „Kochapfelgrün“. Warum die Wahl auf diesen Ton gefallen ist, erklärt Restaurator Gunter Preuß.

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© Sebastian Schultz/SZ-Grafik

Riesa. Der erste Schritt ist geschafft: Der Dachstuhl des Westflügels von Schloss Jahnishausen ist fertig, das Dach neu gedeckt. In den nächsten Tagen wird das Gerüst abgebaut. Auch wenn noch nicht feststeht, wann die Maler anrücken – die Wahl für die Außenfarbe ist bereits gefallen: ein heller Grünton, wie zu Zeiten von König Johann. Über die Jahrhunderte hatte das Schlösschen verschiedene Anstriche. Warum man sich ausgerechnet auf Grün geeinigt hat, erklärt Restaurator Gunter Preuß.

Eine Montage des Jahnishausener Heimatforschers Peter Griepentrog zeigt, wie das Schloss – wahrscheinlich – nach Umbauten durch König Johann um das Jahr 1860 von der Parkseite aus ausgesehen hat.
Eine Montage des Jahnishausener Heimatforschers Peter Griepentrog zeigt, wie das Schloss – wahrscheinlich – nach Umbauten durch König Johann um das Jahr 1860 von der Parkseite aus ausgesehen hat. © Quelle: Poenicke/Griepentrog
Gunter Preuß ist freiberuflicher Denkmalpfleger. Er hat ein Büro in Berlin und ein Atelier in Klipphausen. Verantwortet hat er bereits Projekte in Österreich, Bayern, Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen. Bis 1992 hat er Restaurierung an der Hochschule
Gunter Preuß ist freiberuflicher Denkmalpfleger. Er hat ein Büro in Berlin und ein Atelier in Klipphausen. Verantwortet hat er bereits Projekte in Österreich, Bayern, Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen. Bis 1992 hat er Restaurierung an der Hochschule

Herr Preuß, Sie haben sich mit Ihrem Vorschlag, die Fassade von Schloss Jahnishausen in einem Grünton zu streichen, durchgesetzt. Erinnert mich an ein 60er-Jahre-Wohnzimmer. Ihre Lieblingsfarbe?

(Lacht) Nein. Um persönliche Vorlieben geht es auch gar nicht. Es ist aber interessant, welche Assoziation Sie bei der Farbe haben. Da wäre ich gar nicht drauf gekommen. Ich verbinde damit einen beliebten Farbton im 19. Jahrhundert. Farbe an Architektur steht immer in Verbindung mit der Region und der Zeit, in der sie verwendet wurde. Natürlich spielt auch eine Rolle, welche Materialen zu der Bauzeit zur Verfügung standen. In Dresden sehen wir viele Sandsteintöne, weil das Gestein aus der Sächsischen Schweiz kam. In Leipzig finden wir häufig Rottöne. Dort wurde für viele Gebäude der Rochlitzer Porphyr, ein vulkanisches Gestein, verwendet. Dazu kommen Moden, die sich in Putzen und Bemalungen widerspiegeln. Im 18. Jahrhundert, im Barock, dominierten gelber Ocker und Weiß. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war auch Rosa „in“. Daher trägt das Fasanenschlösschen in Moritzburg diese Farbe. Zum Ende des 18. Jahrhunderts kamen wie gesagt Grüntöne auf.

Die Bauzeit von Schloss Jahnishausen liegt doch weit vor dem 18. Jahrhundert. Warum votierten Sie für Grün?

Wir Denkmalpfleger gehen nicht zwangsweise zurück zum Ursprung. Das betrifft natürlich auch die Farbwahl. Im Fall von Schloss Jahnishausen sind für uns die letzten stilprägenden Veränderungen maßgeblich. Die hat der Staatsmann, Reformer und Denker König Johann (1854-1873) in die Wege geleitet. Er wollte in Jahnishausen Abstand von der Pracht des sächsischen Hofes gewinnen. Das Gebäude nennt sich zwar Schloss, ist aber eher ein Landhaus. Johann war ein moderner Geist. Das sieht man auch daran, wie er das Haus umgestaltet hat. Er lebte in einer Zeit, in der die Städte wuchsen, die Industrialisierung eingesetzt hat. Jahrhunderte lang hatte man versucht, die Natur auf Distanz zu halten. Plötzlich holte man sie ganz nah an sich heran. Aus dieser Zeit, um 1870, stammen auch die Spaliere für rankende Pflanzen, Balkone und Loggia – und das Grün. Den zu Zeiten Johanns verlängerten Baukörper mit einem barocken Rosa zu kombinieren, würde keinen Sinn ergeben. Man hätte sich auch für eine andere Epoche entscheiden können. Dann aber nur für eine Spätere. Stilistisch und baugeschichtlich lässt sich das Schloss lesen wie ein Bilderbuch. Putze und Bemalungen aus den verschiedensten Epochen wurden in der Regel nur überdeckt und könnten wieder zum Vorschein geholt werden.

Wie kann man sich die Diskussion darum, welche Farbe ein Denkmal bekommen soll, vorstellen?

Es gab in diesem Fall keine kontroverse Diskussion. Ich habe den Ansatz mit der Darstellung des Gebäudes in der Zeitstellung nach 1870 mit den Eigentümern von der Lebenstraumgemeinschaft und der Architektin vorbesprochen. Danach habe ich eine Probefläche an der Schlossfassade eingerichtet. Wenn man eine Farbe nur auf dem Papier sieht, kann man sich schlecht ein ganzes Gebäude in dem Ton vorstellen. Danach kamen bei einem Treffen noch das Landesamt für Denkmalpflege und die untere Denkmalbehörde dazu. Die Farbwahl halten alle für einleuchtend. Solche Entscheidungsfindungen gehen aber nicht immer so unkompliziert vonstatten.

Sie haben das also auch schon anders erlebt?

Ja, zum Beispiel in Meißen. Da ging es um die Farbwahl des Gerichtsgebäudes auf dem Burgberg. Der Turm ist in einem Blaugrau gehalten. Der Anstrich entstand damals aus Holzkohle und Kalk. Der Gerichtspräsident, der in dem Fall den Eigentümer repräsentiert hat, war gegen diese Farbe. Er hat damit den Anstrich einer „Russenkaserne“ assoziiert.

Kann sich die Denkmalbehörde über den Eigentümer hinwegsetzen?

Andersherum: Sie kann dem Eigentümer eigene Gestaltungswünsche versagen. So war das in dem Meißner Fall.

Zurück zum Schloss Jahnishausen: Haben Sie für den Probeanstrich eine spezielle Farbe verwendet, oder sind Sie schnell im Baumarkt vorbeigefahren?

Nein, sie kommt nicht aus dem Baumarkt. Die Silikatfarbe enthält keinerlei Kunstharze, sondern Kiesel als Bindemittel und grüne Erden als Pigmente.

Hat die Farbe einen Namen?

Für Farbtöne gibt es verschiedene Klassifizierungen, nach denen Farben so gemischt werden können, dass sie immer wieder gleich aussehen. Die Hersteller wiederum erfinden sich ja gern eigene Namen. Darüber hinaus gibt es auch eine Farbskala mit Bezeichnungen, die sich der National Trust ausgedacht hat – die Organisation, die sich um die Denkmalpflege in England, Wales und Nordirland bemüht. Danach heißt die Farbe Cooking Apple Green.

Backapfelgrün also. Wann wird Schloss Jahnishausen seine neue, alte Farbe bekommen?

Das weiß noch keiner so genau. Im Augenblick ist die Finanzierung für weitere Bauabschnitte noch nicht sicher. Ich rechne erst damit, ein grünes Schloss zu sehen, wenn zumindest ein Zielzustand für das gesamte Gebäude planbar ist. Es wäre aus meiner Sicht aber befremdlich, sich dem Anstrich des einen Gebäudeflügels zu widmen, während es in den anderen rein regnet. Das Notdach auf dem Ostflügel ist immer noch undicht. Aber Grün steht ja bekanntlich für die Hoffnung.

Das Gespräch führte Britta Veltzke.