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Schmöllner retten wertvolle Bücher

Die Dokumente aus dem Jahr 1841 sollten im Internet versteigert werden. Doch nun gibt es eine andere Lösung.

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© Steffen Unger

Constanze Knappe

Schmölln. Die Rezessbücher sind zurück. Wenn René Schubert darin blättert, leuchten dem Vorsitzenden des Heimatvereins Schmölln die Augen. Mit dem Begriff Rezess wurden in der Vergangenheit zumeist rechtliche Auseinandersetzungen bezeichnet, zum Beispiel zwischen Bauern und Gutsherren über Besitzverhältnisse auf dem Lande. Grenzstreitigkeiten wurden in solchen Büchern ebenfalls verzeichnet. Oder die Umwandlung der Leibeigenschaft in Frondienste, wie es ein Gesetz vom Mai 1832 bestimmte. Leibeigene wurden damit zu freien Bauern, mussten aber weiterhin Frondienste für den Gutsherrn leisten oder andere Lasten als geldwerte Leistungen erbringen.

In einem Rezess vom 23. August 1841 wurde genau das für Schmölln geregelt. Etliche Unterschriften stehen unter dem Vertrag in altdeutscher Handschrift, hier und da auch nur drei Kreuze. Ergänzt ist das Ganze durch Tabellen und ein Siegel, welches die Gültigkeit des Vertrags bestätigt.

Abenteuerlicher Weg nach Schmölln

Heute noch bekannte Namen habe man bereits gefunden, sagt René Schubert. Das Rezessbuch von 1841 sei für die Heimatgeschichte ein wahrer Schatz, ebenso die beiden Gemeindebücher für Schmölln und Neuschmölln aus dem Jahr 1839. Die Rittergutsbesitzer aus Ober-, Mittel- und Niederschmölln sind darin zum Beispiel aufgeführt und auch so mancher Nachbarschaftsstreit.

Wie der Heimatverein Schmölln jetzt zu den Büchern gelangte, erscheint durchaus abenteuerlich. Eine Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung von Schmölln-Putzkau hatte die Bücher zufällig in einer Internetauktion entdeckt. Für 2 000 Euro wären sie zu haben gewesen. Ein Betrag, den weder die Gemeinde Schmölln-Putzkau dafür übrig hatte, noch der Heimatverein aufbringen konnte. Als der Vereinsvorsitzende diesen Sachstand zur Jahreshauptversammlung der Schmöllner Heimatfreunde in die Runde warf, löste er damit beinahe einen Tumult aus. Ziemlich schnell war man sich aber einig, die Bücher unbedingt haben zu wollen. Also nahm René Schubert Kontakt zu Vincenzo Vitello auf. Der Kunstsammler aus dem Saarland hatte die Bücher einst bei einem privaten Auktionator gekauft, der diese in einem Antiquitätenladen der DDR gefunden haben will. Wie dem auch sei, Vincenzo Vitello war nach mehreren intensiven Gesprächen bereit, die Bücher nicht zu versteigern, sondern sie dem Verein zu überlassen – sofern dieser den ursprünglichen Besitz nachweisen könnte.

In Fleißarbeit die Indizien zusammengetragen

Das erwies sich viel schwieriger als gedacht. Nach Kenntnis von Museumsleiterin Antje Swierzcek waren Bücher, Urkunden und andere Dokumente Anfang der 1980er Jahre aus dem Schloss Schmölln ausgelagert und in anderen Gebäuden untergebracht worden. Ob dabei jemand die drei Bücher mitgehen ließ oder ob sie später anderweitig abhanden kamen, darüber lässt sich nur spekulieren, sagt Holger Nettekoven, der stellvertretende Vereinsvorsitzende. Eine Anzeige bei der Polizei über das Verschwinden der historisch wertvollen Bücher habe es jedenfalls nie gegeben.

In Fleißarbeit wurden Indizien dafür zusammengetragen, dass es sich wirklich um die Schmöllner Rezessbücher handeln müsse. Dazu gehört eine Aktennotiz von Antje Swierzceks Großvater aus dem Jahr 1965. Die Rezessbücher sind durchnummeriert, also muss es mehrere gegeben haben. Zudem weisen sie den gleichen Einband wie andere Bücher im Archiv des Schmöllner Heimatvereins auf.

Noch vor Ablauf der Auktionsfrist nahm der Kunstsammler die von den Schmöllnern so begehrten Bücher aus der Versteigerung heraus. Man kam schließlich überein, die historischen Schriftstücke dem Verein für drei Jahre als Dauerleihgabe zu überlassen. Kostenlos. Das wurde auch vertraglich so festgehalten. Mit der Option auf Verlängerung um jeweils ein Jahr, wenn kein Widerspruch eingelegt wird. Der Verein ist nun für die sachgerechte Behandlung der Bücher verantwortlich. „Wir sind sehr froh über diese Lösung“, sagt René Schubert. Er könne gar nicht beschreiben, wie es ihm erging, als er die Bücher das erste Mal in den eigenen Händen hielt. Ein bisschen ist ihm die Aufgewühltheit noch jetzt anzumerken.

Namen, die man kennt

Zwischen den Seiten des Gemeindebuchs von Schmölln fanden sich Fotos von der Schmöllner Kirche. Außerdem handschriftliche Aufzeichnungen von Max Jung, der Lehrer und bis 1968 Leiter des Heimatmuseums war. „Die Handschrift kannten noch einige andere, so konnten wir die Aufzeichnungen zweifelsfrei zuordnen“, erklärt Museumsleiterin Antje Swierzcek.

Die Rezessbücher sind ein Stück Schmöllner Geschichte, darin sind sich René Schubert, Holger Nettekoven und Antje Swierzcek einig. Das Interesse dafür dürfte aber auch bei anderen Schmöllnern ziemlich hoch sein. Schon angesichts der bekannten Namen, die dem Vereinstrio beim Durchblättern aufgefallen sind. Die Bücher werden nun im Heimatmuseum ausgestellt. Bis zum Museumsfest zum Tag des offenen Denkmals im September will der Verein die Inhalte kopieren lassen. Dann könnten auch Besucher des Museums in den Aufzeichnungen nachlesen, um womöglich der eigenen Familiengeschichte auf die Spur zu kommen. Mit den Kopien wolle man außerdem vorsorgen für den Fall, dass die Bücher vielleicht doch eines Tages zurückgegeben werden müssten.

Das Heimatmuseum Schmölln befindet sich im Dorfgemeinschaftszentrum, Tröbigauer Straße 1. Geöffnet jeden ersten und dritten Sonntag im Monat 14 und 16 Uhr.
Andere Termine können unter Telefon 0177 5220835 bzw. 03594 77110 vereinbart werden.