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Schnee-Schniedel erreicht Stadtrat

Einige Radeberger wünschen sich ein Eingreifen des Rathauses. Der OB verweist auf die Freiheit der Kunst.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Schnee von gestern. Von wegen. Die erotischen Schnee-Kunstwerke der anonymen Künstlergruppe, die seit einigen Jahren vor allem im Radeberger Süden mit Schnee-Penissen, nackten Schnee-Frauen und ähnlichem für Aufsehen sorgen, sorgen nun sogar für hitzige Diskussionen im Radeberger Stadtrat.

Nachdem die Unbekannten jüngst in einer Bushaltestelle an der Schillerstraße eine Figur namens „Bushaltestellen-Anfass-Matthias“ gebaut hatten, hatten sich nicht nur SZ-Leser mit Briefen an die Redaktion gewandt und einen behutsameren Umgang mit dem Thema Erotik gefordert, sondern die Radebergerin Margita Walther hatte sich extra auf den Weg in die jüngste Stadtratssitzung gemacht, um vom Oberbürgermeister ein Eingreifen zu fordern. „Hier fahren Kinder mit dem Schulbus ab – und da werden sie auf einem Schild an der Figur aufgefordert, anzufassen“, das sei einfach nicht hinnehmbar, empörte sie sich deshalb. Die Stadt müsse eingreifen.

Anzeige bei der Polizei ist möglich

Aber Oberbürgermeister Gerhard Lemm (SPD) verwies darauf, dass dies schwierig sei. „Es gibt in der Polizeiordnung der Stadt keine spezielle Aussage zu erotischer Schneekunst“, machte er klar. Wer sich gestört fühle, müsse also eine Anzeige bei der Polizei wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses erstatten. Zudem verweist Lemm auf die Freiheit der Kunst. „Da ist es wirklich sehr, sehr schwierig, einzugreifen – wo fängt man da an, wo hört man auf…“, macht er deutlich, dass hier das sprichwörtliche Eis auch bei der Schneekunst ein ziemlich dünnes sei.

Wobei sich seit einiger Zeit durchaus bei vielen Radebergern die Frage stellt, ob das überhaupt Kunst sei. Immer wieder riesige Schnee-Penisse zu bauen, sei zudem auf Dauer langweilig, motzen nicht wenige. Allerdings umfasst das Repertoire der Unbekannten wie erwähnt längst nicht nur dieses eine Körperteil. Auch komplette Figuren waren im Radeberger Süden schon zu finden – am letzten Schnee-Wochenende vor gut zwei Wochen zum Beispiel auch erstmals eine rot gefärbte Teufelinnen-Figur im Goldbachgrund samt erotischer Unterwäsche. „Mit umweltfreundlicher Farbe natürlich“, stellten die Unbekannten auch gleich noch klar.

Es gibt ja sonst nicht viel zu lachen

Die Künstler selbst geben sich zwar nicht zu erkennen, haben aber dennoch eigene Internet- und Facebookseiten. Und bei Facebook zudem bereits über 500 Freunde. Auf der Seite machen sie auch deutlich, dass sie ihre Kunst als augenzwinkernden Umgang mit dem Thema Schneemann-Bau ansehen. „Es gibt ja sonst derzeit nicht so viel zu lachen“, schreiben sie. Und auch ihre Fan-Gemeinde sieht das ähnlich –und hält mit dem ersten Schnee eifrig Ausschau nach neuen Werken der Künstler-Gruppe. Werke, über die dann auch eifrig auf Facebook diskutiert wird. Und auch dort ist nicht jeder immer nur Fan. „Kommt mal ‘was Kreatives, es langweilt langsam“, ärgerte sich jüngst zum Beispiel eine Radebergerin. Mit Kritik, machen die Künstler dann aber gleich deutlich, könnten sie selbst sehr gut umgehen. „Das spornt uns sogar noch an“, schreiben sie. Nun gut, im Moment bremst sie aber erst mal der Schneemangel aus.

Begonnen hatte alles 2012, als im Kreisverkehr an der Pillnitzer Straße über Nacht ein riesiger Schnee-Schniedel gewachsen war. Dem folgten etliche Figuren – auch in erotischen Aktionen. Als das Ganze dann allerdings auch neben einer Bushaltestelle aufgetaucht war, an der morgens Schulkinder auf den Schulbus warten, war die Stimmung im Radeberger Süden bereits damals hörbar gekippt – und offenbar war auch Wettermacher Petrus die Sache „zu heiß“ geworden, und er kappte einfach die weitere Schneezufuhr.

Spekulation über die Künstler

Es folgten einige eher schneelose Winter mit eher nur kurzen Schnee-Kunst-Aktionen. Aber in den ersten Wochen des neuen Jahres 2016 war dann wieder kräftig Schnee-Kunst-Zeit in Radeberg. An einem Sonnabendmorgen hatte eine Figur mit Mega-Schniedel am Netto-Markt Pillnitzer Straße auf neugierige Augen gewartet, am folgenden Montagmorgen saß dann der bereits erwähnte „Bushaltestellen-Anfass-Matthias“ an der Schillerstraße. Ach, übrigens war der „Schniedel-Schneemann“ auf dem Netto-Parkplatz von den Künstlern ebenfalls mit einem Namen ausgestattet worden. Sie hatten ihn mit diebischem Hintersinn „Hans im Glück“ getauft …

Und natürlich wird seit Längerem heftig spekuliert, wer hinter der Aktion stecken könnte. Aber die Gruppe will anonym bleiben und verspricht immer wieder, weitere Kunstwerke folgen zu lassen. Jedenfalls dann, wenn Petrus und Frau Holle mitspielen. Es gibt allerdings in Radeberg seit einiger Zeit das Gerücht, dass die beiden Winterwettermacher offenbar nicht wirklich große Freunde dieser erotischen Kunst seien – denn seit die unbekannten Künstler in der Stadt aktiv sind, lassen die Winter in Sachen Schnee durchaus kräftig zu wünschen übrig.

www.radeberger-schneekuenstler.crazyfun-dd.de