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Schock am Puschkinplatz

In Riesa hat es den nächsten tödlichen Verkehrsunfall gegeben. Das Opfer war kein Unbekannter.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Vierecke, Kreise, Striche – kaum jemand nimmt die Markierungen in Grün und Rot wahr, die auf dem Asphalt am Alexander-Puschkin-Platz leuchten. Neben einem Rest von rostrotem Ölbindemittel und dunklen Flecken auf der Fahrbahn sind sie das Einzige, was an das Unglück vom Montagabend im Riesaer Zentrum erinnert. Die Polizei hat mit ihnen den Punkt gekennzeichnet, an dem ein Auto zum Halten kam – und den Ort, an dem ein 37-Jähriger starb.

Der Riesaer hatte am Montag gegen 20.30 Uhr in Höhe der Hauptstraße über die Fahrbahn laufen wollen. Dabei wurde er von einem Toyota erfasst, der aus Richtung Elbe die Breite Straße hochgefahren war. Das Auto erfasste den Passanten. Dabei wurde der Mann so schwer verletzt, dass er noch am Unfallort starb. Alarmierte Rettungskräfte konnten ihm nicht mehr helfen. Für die Unfallaufnahme war die Straße bis in die Nacht hinein gesperrt. Selbst nach Mitternacht sicherten Ermittler noch Spuren.

Gutachter in Aktion

Nun soll ein Gutachter den Unfallhergang rekonstruieren. „Bis das Ergebnis vorliegt, wird es vermutlich mehrere Wochen dauern“, sagt Polizeisprecherin Jana Ulbricht. Deshalb macht die Polizei bislang noch keine Aussage zu den Ursachen des Unfalls. Fest steht bislang: Der 23-Jährige am Steuer des Toyota Corolla war weder unter dem Einfluss von Alkohol unterwegs, noch hatte er Drogen konsumiert. „Zur Frage des gefahrenen Tempos werden wir uns derzeit nicht äußern“, sagt die Polizeisprecherin. Im Internet wurde gestern bereits spekuliert, der Fahrer könnte gerast sein. Die Markierungen auf der Fahrbahn deuten allerdings nicht darauf hin, dass der Toyota mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist – es sind weder lange Bremsspuren erkennbar, noch ist das Auto weit hinter der Unfallkreuzung zum Stehen gekommen.

Neben dem Überweg

Der Unglücksort befindet sich nur wenige Meter hinter einem Fußgängerüberweg. Den hatte der Toyota-Fahrer überquert, wenige Augenblicke, bevor es zum Zusammenstoß kam. An dieser Stelle hätte er eigentlich so langsam fahren müssen, dass er jederzeit hätte anhalten können, sagt Peter Kosciankowski von der Verkehrswacht Riesa-Großenhain. „So ist es vorgeschrieben. Allerdings halten das die wenigsten Fahrer ein“, sagt der Riesaer.

Genauso liege es allerdings in der Verantwortung der Fußgänger, auf den Verkehr von rechts und links zu achten, wenn sie die Fahrbahn abseits des Zebrastreifens überqueren. Und ohnehin liegt nach Meinung des Verkehrsspezialisten am Puschkinplatz einiges im Argen. „Die Wegeführung am Puschkinplatz führt Fußgänger direkt auf die Unfallstelle zu – und eben nicht auf den Fußgängerüberweg“, sagt der Ruheständler. Das sei schon seit Jahrzehnten so. Tatsächlich würden wesentlich mehr Passanten die Fahrbahn an dieser Stelle überqueren, weil sie den Umweg über den Zebrastreifen vermeiden wollen.

Kreuzung als Unfallstelle bekannt

Das lässt sich auch am Tag nach dem Unfall beobachten: Ob Senioren mit Einkaufstaschen, Frauen mit Hunden oder Gruppen von Asylbewerbern – die große Mehrheit der Fußgänger überquert die Fahrbahn genau dort, wo in der Nacht zuvor die farbigen Markierungen aufgesprüht wurden.

Doch ist das tatsächlich eine gefährliche Kreuzung? Eine Anfrage bei der Polizei bestätigt den Verdacht: „Die Kreuzung Puschkinplatz/Breite Straße/Hauptstraße wird bei uns als Unfallhäufungsstelle geführt“, sagt Polizeisprecherin Jana Ulbricht. In den drei Jahren 2012 bis 2014 habe es auffallend viele Vorfälle gegeben, sodass die Unfallkommission schon vor dem Unglück vom Montagabend eingeschaltet worden sei. „Die sind schon an dem Thema dran, die Stelle sicherer zu machen.“

Gleichzeitig verbreiten sich im Internet bereits Gerüchte: So hieß es gestern früh, dass am Puschkinplatz ein Flüchtling überfahren worden sei. Tatsächlich handelt es sich beim Opfer allerdings um einen Riesaer – den viele Einwohner kennen dürften. Das Team der Sternwarte Riesa teilte gestern mit, dass bei dem Unfall einer der „treuesten Mitglieder und Freunde“ tödlich verunglückt ist. Eltern und Kinder der Kinderuni würden ihn ebenfalls kennen: Der 37-Jährige habe stets die Kinder an der Kasse empfangen und mit der Kamera die Vorlesungen begleitet. „Er engagierte sich außerordentlich für das Gelingen und den Bestand dieser Kinderuni“, teilt Stefan Schwager von der Sternwarte mit. Die Nachricht habe den Verein wie ein Schlag getroffen. Dennoch habe man sich entschlossen, die Kinderuni-Vorlesung heute nicht ausfallen zu lassen. „Wir wollen aber die gesamten Einnahmen des Kinderunitages an die Familie stiften, welche ihren einzigen Sohn mit 37 Jahren so plötzlich verloren hat.“

kinderuni.sternenfreunde-riesa.de