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Schöne Stadt, mieses Image

Eine Dresdner Werbeagentur deckt auf, was beim Marketing in Bautzen falsch läuft – und rät zum schnellen Handeln.

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© Uwe Soeder

Von Marleen Hollenbach

Bautzen. Es ist nicht schwer, Gefallen an der Stadt zu finden. Historische Häuser reihen sich aneinander, die vielen Türme geben Bautzen eine einzigartige Silhouette. Kein Wunder also, dass, wo immer die schönsten Orte Sachsens aufgelistet sind, auch die Stadt an der Spree auftaucht. Nun könnte man meinen, dass sich die Stadt mit ihren vielen Vorzügen quasi von allein verkauft. Doch dem widersprechen Marketingexperten aus Dresden heftig. Das Gegenteil sei der Fall. Bautzen brauche dringend eine professionelle Imagewerbung, sagen sie.

Die Agentur MinneMedia hat nun im Auftrag der Verwaltung das Stadtmarketing analysiert. Sechs Monate lang führten die Mitarbeiter Gespräche mit Verantwortlichen und Akteuren der Stadt und veranstalteten Workshops. Das Ergebnis ihrer Analyse hielten sie in einem Handlungshandbuch fest. Und das hat es in sich.

So beschreiben die Marketingexperten, wie schlecht das Image der Stadt ist. Seit 1990 habe sich daran nichts verändert, obwohl laut Einschätzung der Experten Bautzen ein Musterbeispiel für den Aufbau Ost ist. Nach wie vor würden viele die Stadt lediglich mit dem „Gelben Elend“ in Verbindung bringen. Auch habe Görlitz mit seiner Bekanntheit der Stadt an der Spree längst den Rang abgelaufen und in schwierigen Zeiten, wie etwa bei den Ereignissen am Kornmarkt, sei es Bautzen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gelungen, dem etwas entgegenzusetzen. Schlimmer noch. So heißt es in der Analyse: „Bautzen wird als Nazi-Hochburg angesehen.“

Gefährliche Naivität

Gepflegte Altstadt, schlechtes Image – laut der Dresdner Agentur ist unter anderem das schwache Stadtmarketing für diese Diskrepanz verantwortlich. Mit einer „gefährlichen Naivität“ würde man davon ausgehen, dass sich Bautzen selbst vermarktet und diesem Instrument der Stadtentwicklung zu wenig Beachtung schenken. „Das wird darin deutlich, dass wichtige Akteure nicht kommunizieren, dass Verantwortlichkeiten untergraben werden und Vertreter für das Stadtmarketing ein negatives Bild von der Stadt vermitteln“, heißt es in dem Handlungshandbuch.

Von langweiliger Werbung, die jede Originalität vermissen lässt, von frustrierten Akteuren und wenig Inspiration ist in der Analyse die Rede. Es sei notwendig, die vorhandenen Strukturen aufzubrechen und ein „Stadtmarketing aus einem Guss“ zu schaffen. Das würde aber bedeuten, dass mehr Personal gebraucht wird. Als Alternative könne man das Marketing auslagern und es zum Beispiel in die Hände einer kommunalen Gesellschaft geben.

Verantwortlich für die Stadtwerbung ist in Bautzen André Wucht. Er leitet das Amt für Pressearbeit und Stadtmarketing und betont, dass man bei aller Kritik nicht vergessen dürfe, was er und seine Mitarbeiter schon erreicht haben. Tatsächlich kommt auch die Dresdner Agentur zu dem Schluss, dass es durchaus Stärken beim Marketing gibt. So werbe Bautzen zum Beispiel sehr gut für seine vielfältigen Veranstaltungen. Auch das Leitsystem wird in der Analyse gelobt. Die Schilder sorgen in Bautzen dafür, dass sich Touristen gut zurechtfinden.

Luft nach oben beim Tourismus
Doch André Wucht erklärt auch, dass die Zeit knapp, die Liste der Aufgaben viel zu lang ist. Mit diesem Punkt hat sich die Werbeagentur ebenfalls beschäftigt. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass schon die Grundlagen fehlen. Bautzen hat das Marketing ins Amt der Pressearbeit eingebettet, ohne aber mehr Mitarbeiter einzustellen. Unter dieser Doppelbelastung habe zuletzt nicht nur das Marketing, sondern auch die Pressearbeit der Stadt gelitten.

Ein Zustand, den die Stadt eigentlich im vergangenen Jahr ändern wollte. Im neuen Stellenplan war ursprünglich auch der Posten eines Stadtmarketingleiters aufgeführt. Doch die Mehrheit der Stadträte lehnte diesen Plan ab. Um den Haushalt nicht zu gefährden, legte die Stadt daraufhin eine abgespeckte Variante vor – ohne die Marketingstelle. Und nun? Mit den Ergebnissen der Agentur werden die Stadträte bei der Sitzung am Mittwoch konfrontiert. Dann geht es darum, welche Konsequenzen Bautzen tatsächlich aus der Analyse zieht.

Dietmar Stange, Chef des Tourismusvereins, ist gespannt darauf. Das Handlungshandbuch hat er gelesen. „Die dort aufgezeigten Defizite im Stadtmarketing sind nicht neu für uns“, sagt Stange im Namen der Hoteliers und Pensionsbetreiber. Immer wieder habe er die Verwaltung auf die Probleme hingewiesen. Man habe ihn aber nicht ernst genommen. Dabei kann man die Defizite mittlerweile auch in Zahlen ausdrücken. Zwar kommen seit fünf Jahren in etwa gleich viele Touristen nach Bautzen. Die Anzahl der Übernachtungen ist sogar leicht gestiegen. „Wenn man aber bedenkt, dass Hotels und Pensionen nur zur Hälfte ausgelastet sind, sieht man, dass noch Luft nach oben ist“, meint Stange.

Der Chef des Bautzener Tourismusvereins hofft, dass sich mit der Analyse etwas ändert. Doch er hat auch Zweifel: „Ich befürchte, dass die Handlungsempfehlungen für die Schublade produziert wurden“, sagt er. Lieber wäre es ihm gewesen, die Stadt hätte nicht 29 000 Euro an die Agentur gezahlt, sondern das Geld gleich für die Stadt und den Tourismus verwendet.

Stadtratssitzung in Bautzen: Mittwoch, 16 Uhr im Stadtratssaal, Gewandhaus, Innere Lauenstraße 1