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Schonfrist für den Wolf

Tierschützer haben vor Gericht einen Teilerfolg gegen den Abschuss erzielt, auch vor Ort zeigen sie Präsenz.

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© dpa

Von Sebastian Kositz

Bautzen/Ralbitz. Vor genau einer Woche hatte das sächsische Umweltministerium in Reaktion auf die jüngsten Schafsrisse bei Ralbitz eine Abschussgenehmigung für den Wolf erteilt – doch die Flinte kann vorerst wieder beiseitegelegt werden. Nach einem Eilantrag der Grünen Liga Sachsen beim Dresdner Verwaltungsgericht hat sich das Landratsamt in Bautzen am Freitag bereit erklärt, zunächst keinen Gebrauch von der erteilten Genehmigung zu machen. Stattdessen müssen jetzt die Verwaltungsrichter in Dresden entscheiden, ob der Abschuss eines Wolfs tatsächlich gerechtfertigt ist.

Beatrice Rüger und Patrick Schilde wollen in Zerna bei Rosenthal Schafe schützen – und damit auch den Wolf vor einem möglichen Abschuss.
Beatrice Rüger und Patrick Schilde wollen in Zerna bei Rosenthal Schafe schützen – und damit auch den Wolf vor einem möglichen Abschuss. © Uwe Soeder

Am Donnerstagabend hatte die Grüne Liga über eine Kanzlei in Leipzig beim Verwaltungsgericht in Dresden Widerspruch erhoben. Die Umweltschützer und deren Anwälte sehen in der Abschussgenehmigung einen Präzedenzfall, halten das Vorgehen für unzulässig. „Unserer Auffassung nach ist eine Abschussgenehmigung für einen Wolf unter anderem aufgrund bestehender Alternativen wie Vergrämung und Prävention mit dem europäischen Naturschutzrecht unvereinbar“, erklärt Rechtsanwältin Franziska Heß. Sämtliche Alternativen seien vorab auszuschöpfen.

Das Verwaltungsgericht in Dresden wird die Genehmigung nun genauer unter die Lupe nehmen. Wann eine Entscheidung getroffen wird, ist allerdings offen. Die beteiligten Behörden müssen zunächst eine Reihe von Zuarbeiten liefern. Liegen die Unterlagen rasch vor, könnte es möglicherweise schon in der kommenden Woche dazu eine Entscheidung geben.

Mit dem Eilantrag wollte die Grüne Liga verhindern, dass durch einen Abschuss vorzeitig Fakten geschaffen werden. Die Hintergründe, wie die Genehmigung zustande kam, sind nach wie vor unklar, argumentieren die juristischen Vertreter der Umweltschützer. Rechtsanwalt Andreas Lukas, der die Grüne Liga ebenso mit vertritt, vermutet, dass bei der Entscheidung die falschen rechtlichen Maßstäbe angelegt wurden. Die Prüfung sei mit Blick auf den Artenschutz möglicherweise zu lax.

In der Vergangenheit waren bei Ralbitz immer wieder Schafe von Wölfe gerissen worden. Dutzende Tiere verloren dabei ihr Leben. Nach dem jüngsten Angriff vor zwei Wochen hatte das Landratsamt in Bautzen als zuständige Behörde einen erneuten Anlauf beim Umweltministerium unternommen, das daraufhin den Abschuss unter strengen Auflagen genehmigt hatte – weil sich die Herden anders nicht mehr schützen ließen. Die Erlaubnis gilt nur für einen Wolf, der zudem im Begriff sein muss, eine Herde anzugreifen. Der Abschuss während eines Angriffs soll für den Rest des Rudels eine abschreckende Wirkung haben.

Doch der Streit um den Wolfsabschuss beschäftigt längst nicht nur Juristen. Wolfsbefürworter aus ganz Deutschland haben inzwischen mobil gemacht und wollen den avisierten Abschuss des Tiers direkt vor Ort verhindern. Vertreter verschiedener Bündnisse sind deshalb seit Tagen in Ralbitz vor Ort und legen sich bei den Schafherden auf die Lauer. „Hier wird ein Wolf zum Problemwolf gemacht, der keiner ist“, sagt Stefan Voss, der aus Südbrandenburg angereist ist. Mit Gleichgesinnten aus ganz Deutschland patrouilliert er in der Gegend. „Wir wollen einfach Präsenz zeigen.“

Gegenseitige Vorwürfe

Und nicht nur das. Sollten tatsächlich Wölfe auftauchen, möchten die Aktivisten sie schützen, indem sie Krach schlagen und die Tiere so vertreiben. „In die Hände klatschen, herumschreien“, erklärt Stefan Voss das Vorgehen. Ein Abschuss wild ins Rudel hinein wäre eine Katastrophe, sagt Bettina Jung von der Tierschutzpartei Ethia. Sie war aus Niedersachsen nach Ralbitz gekommen, hatte sich für einige Tage ein Zimmer gesucht. Übers Internet verabreden sich die Wolfsbefürworter, teilen ein, wann wer vor Ort ist. Sogar der englische „Telegraph“ hat darüber schon berichtet.

Für dieses Wochenende hat sich auch Beatrice Rüger aus Chemnitz angekündigt. Sie ist Mitglied im Verein Wolfsschutz Deutschland. Der Verein hält die Entscheidung ebenso wie die Grüne Liga für unnötig und nicht gesetzeskonform – allem voran, weil längst nicht alle Schutzmöglichkeiten ausgeschöpft seien. „Ich kenne die Zäune. Da gibt es eine Menge Schäfer, wo das besser klappt“, erklärt Beatrice Rüger.

Auch Bettina Jung glaubt, dass die getroffenen Schutzmaßnahmen in Ralbitz nicht ausreichen. „Hier werden den Wölfen doch Schäfchen to go geboten“, sagt die Wolfsschützerin in Anspielung auf Kaffee- und Imbissanbieter, wo die Kunden die Ware gleich auf die Hand mitbekommen. Statt nach einer Abschussgenehmigung zu rufen, sollten die Tierhalter in Ralbitz erst einmal ihre Herden richtig schützen. Die Aktivisten verweisen auf „völlig windschiefe Zäune.“ Zudem hätten sie alle Zäune auf Strom überprüft und seien zu dem Ergebnis gelangt, dass keiner ausreichend stromführend sei. „Die Zäune sind in einem miserablen Zustand“, behauptet Stefan Voss, der auf Vergrämung statt auf Abschuss setzt. „Genau das tun wir hier ja“, sagt er.

Viele Muttertiere verloren

Der Ralbitzer Schäfer Martin Just zeigt sich wenig beeindruckt. Die Anschuldigungen weist er zurück. Er und andere Viehalter in der Region hätten getan, was möglich sei. Bei verschiedenen Attacken durch das Rosenthaler Rudel hatte Martin Just mehrere Dutzend Schafe verloren, darunter viele Muttertiere. „Die Leute wissen doch gar nicht, wovon sie sprechen.“

Mehr noch: Der Tierhalter wirft den Aktivisten vor, sich an Zäunen zu schaffen gemacht zu haben: „Ich habe gesehen, wie sie an der Koppel waren und Geräte ausgeschaltet haben.“ Dafür hätten er und andere im Ort auch entsprechende Beweise. Ein Vorwurf, den wiederum die Aktivisten nicht auf sich sitzenlassen wollen. „Wir sabotieren keine Zäune“, wehrt sich Stefan Voss. Seine Mitstreiterin Bettina Jung hat bereits Strafanzeige wegen Verleumdung gestellt. „Das wäre das Allerletzte, was wir tun würden“, versichert die Aktivistin.