Merken

Schwanenritter mit roten Haaren

Die Wagner-Stätten zeigen in Graupa Kostümentwürfe von Erika Simmank-Heinze zu „Lohengrin“. Sie wirken auch nach 32 Jahren noch frisch.

Teilen
Folgen
© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Der Schwanenritter ist ein schmucker schlanker Jüngling mit ehrlichem Gesicht und kurzen roten Haaren. Sein Schwert, schwer und von beachtlicher Größe, steckt in einer weitgehend schmucklosen Scheide, die er fest in beiden Händen hält. Der glatt rasierte junge Mann trägt weder Helm noch Schild, dafür Strumpfhosen, lederne Schuhe, einen bestickten blauen Rock und einen weiten Umhang, der ihm bis zu den Knöcheln reicht. An seinem Gürtel hängt ein Horn, aus dem er vermutlich Wasser und Wein trinkt, das Schießpulver ist ja noch nicht erfunden.

© Thomas Morgenroth

Es handelt sich um Lohengrin, den sagenhaften Gralsritter, so wie ihn sich die Kostümbildnerin Erika Simmank-Heinze vorstellte. Und wie er, gespielt und gesungen von Eberhard Büchner, im Herbst 1983 die Bühne der Deutschen Staatsoper in Berlin Unter den Linden betreten hatte. Und dort einige Spielzeiten blieb, als namensgebende Hauptfigur in Richard Wagners Oper „Lohengrin“, die der Dresdner Kapellmeister im Frühsommer 1846 in Graupa skizzenhaft entworfen hatte.

Theo Adam inszenierte seinerzeit anlässlich des 100. Todestages Wagners dessen Musikdrama in der Hauptstadt der DDR, ein von Medien und Kritikern in Ost und West gleichermaßen mit Argusaugen beobachtetes Prestigeobjekt. Das war es auch für die damals 56-jährige Erika Simmank-Heinze. Es war ihr erster Wagner und zugleich ihr letzter. Mit „Lohengrin“ verabschiedete sie sich nach dreißig Jahren von der Bühne und wechselte als Restauratorin an die im Wiederaufbau begriffene Semperoper und malte dort die Räume aus.

Dass die aus Dresden stammende und seit vielen Jahren in Kreischa lebende Künstlerin mit Pinsel und Farben umzugehen weiß, zeigt die Ausstellung mit ihren Entwürfen zum Berliner „Lohengrin“, die bis Mitte Februar in den Wagner-Stätten im Jagdschloss Graupa zu besichtigen sind. Die 31 gezeichneten, gemalten und collagierten Blätter, versehen mit handschriftlichen Anmerkungen, hatte Erika Simmank-Heinze im Mai 2013, anlässlich des 200. Geburtstages Richard Wagners, dem Museum geschenkt. Nun sind sie erstmals in voller Schönheit zu bewundern, ergänzt um Fotografien und einige Dokumente.

Noch interessanter wird die Ausstellung mit den Anekdoten der heute 87-Jährigen, die sie mit erstaunlicher Frische, leuchtenden Augen und freundlichem Lachen erzählt. Erika Simmank-Heinze, die sich von Wagners Musik und seinen Texten zu ihren Ideen inspirieren ließ, aber auch die Vorgaben des Regisseurs umsetzen musste, weiß noch, wie sie die Farben für die Hauptpersonen des Stücks auswählte.

„Für Elsa kam nur unschuldiges Weiß infrage“, sagt sie. Wie auch Lohengrin freundlich wirken musste, verkörpern beide doch die erstarkenden christlichen Einflüsse auf die Gesellschaft. Die böse und intrigante Ortrud hingegen, die Furie, die Heidin, bekam von Erika Simmank-Heinze dunkle Farben verpasst, Rot und Blau. Rot war auch der König. Telramund hingegen, der Ortrud hörig, kleidete sich in Schwarz und Braun. Und unterschied sich nur dem feineren Schnitt nach von Knechten und Wächtern, die, so wollte es Theo Adam, „erdig und kartofflig“ wirken sollten.

Wie wichtig Farbe auf der Bühne ist, hatte Erika Simmank-Heinze während ihres Studiums an der Hochschule für Bildende Künste Dresden in der Abteilung Bühnenbild und Kostüm bei Karl von Appen gelernt, der mit Bertolt Brecht am Berliner Ensemble gearbeitet hatte und dessen Idee von einem Gesamtkunstwerk auf der Theaterbühne unterstützte. Was Brecht damit meinte, durfte Erika Simmank-Heinze bei Proben erleben: „Da wurde stundenlang über die Kostüme gesprochen“, erinnert sie sich. Heutzutage aus Zeitgründen undenkbar, wie auch ihre von Hand gezeichneten Entwürfe. Die bildnerische Umsetzung übernehmen nun Computer.

Solche Geräte wurden Rechner genannt und waren so groß wie Einfamilienhäuser, als Erika Simmank-Heinze 1953 für die Landesbühnen Sachsen zu arbeiten begann. Maxim Gorkis „Kleinbürger“ war ihr Debüt, gefolgt von Mozarts Oper „Cosi fan tutte“, an dessen prächtige Kostüme sie sich noch gern erinnert. Sie arbeitete auch für die Felsenbühne Rathen, für das Staatstheater Dresden, für das Leipziger Opernhaus, für den Fernsehfunk der DDR oder die Walisische Nationaloper in Cardiff, für die sie 1977 die Kostüme für Tschaikowskis Oper „Pique Dame“ entwerfen durfte.

Seit 1978 war Erika Simmank-Heinze auch als Malerin und Restauratorin an der Rettung wichtiger Bauwerke in Dresden beteiligt, der Gemäldegalerie Alte Meister zum Beispiel, dem Bergpalais Pillnitz, dem Italienischen Dörfchen oder auch dem barocken Teil des Hotels Bellevue.

Und natürlich der Semperoper, in der sie auch den „Lohengrin“ erleben konnte. Anders freilich, als sie ihn mit ihren Kostümen in Berlin in Erinnerung hatte. „Realistisch-klassisch“ nennt sie ihre Auffassung von einer Inszenierung, historisch korrekt müsse es deshalb nicht sein, aber „ich muss einen Stil erkennen können.“ Den allerdings vermisst Erika Simmank-Heinze beim modernen Regietheater allzu oft. Aber das gehe auch wieder vorüber, ist sie sich sicher. Dann erlebt vielleicht ihr blauer Schwanenritter eine Renaissance.

Bis 14.2.2016 im Jagdschloss Graupa, Di–Fr 11–17 Uhr, Sa/So/feiertags 10–17 Uhr; 24.12. 10-14 Uhr; 25.12./26.12./1.1. 13-17 Uhr; 31.12. geschlossen.