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Schwer verletzte Ukrainer in Dresden

Zwei Kliniken der Stadt behandeln die Demonstranten vom Maidan.

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© Michael Heidrich

Von Bettina Klemm

Auf den ersten Blick wirken Ivan und Oleksandr fast unversehrt. Aber sie sind lebensgefährlich verletzt. Die beiden Demonstranten waren auf dem Maidan in Kiew lange Zeit Reizgas ausgesetzt und haben sich so schwere Gasvergiftungen und Schädigungen der Lunge zugezogen. Nun liegen sie in der Dresdner Uniklinik beziehungsweise im Krankenhaus Friedrichstadt. Nach Friedrichstadt wurden auch Jurij und Mykola gebracht, einer mit Schussverletzungen in der rechten Schulter, der andere wurde an beiden Beinen schwer getroffen. Seine Knochen wurden mit speziellen Gestellen fixiert. Zwei weitere Männer mit Schusswunden liegen in den Oberlausitz-Kliniken.

Vor dem Transport wurden die Verletzten gesegnet.
Vor dem Transport wurden die Verletzten gesegnet. © Michael Heidrich
Arnold Vaatz besuchte am Sonnabend die Ukrainer in den Kliniken.
Arnold Vaatz besuchte am Sonnabend die Ukrainer in den Kliniken. © Ssteffen Füssel

Die sechs Männer kamen am Freitagabend in Deutschland an. Sie sind zwischen 20 und 42 Jahre alt, Studenten, Sportlehrer, Automechaniker und Innenarchitekt. Der Landesverband der Johanniter Unfallhilfe hatte einen Rettungs- und einen Krankenwagen sowie einen Behindertentransport bereitgestellt. Fünf ehrenamtliche Johanniter nahmen Urlaub, um die Verletzten nach Sachsen zu holen. Die Dresdner Kliniken schirmten die Patienten am Wochenende ab, sie sollen sich erst einmal von der anstrengenden Fahrt erholen. Am Dienstag werden die Krankenhäuser Auskunft geben.

Den Transport nach Deutschland hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz organisiert und begleitet. Begonnen habe alles mit E-Mails, die Vaatz von dem Deutschen Kurt Simmchen aus der Ukraine erhalten hat. Darin schrieb Simmchen von mehr als 2.000 Verletzten, die zum Teil in Privatwohnungen und Hotels operiert wurden. Es fehle an Medikamenten und Verbandsmaterial. Viele Verletzte hatten Angst, in staatliche Krankenhäuser zu gehen, weil sie befürchteten, dort verhaftet zu werden. Deutschland müsse da doch helfen, bat Simmchen. Für den Bundestagsabgeordneten stand nach den alarmierenden E-Mails fest, zu helfen. „Ich bin noch heute sehr dankbar, dass uns 1989 so etwas erspart geblieben ist. Wenn nur einer durchgedreht wäre, hätte es auch bei uns Tote und Verletzte gegeben“, sagt Vaatz.

In seiner Rede im Bundestag schilderte er am 21. Februar das Schicksal eines Demonstranten, der eine Blendgranate ins Gesicht bekommen hatte, die ihm ein Auge zerfetzte. Das Auge musste ohne Betäubung entfernt werden. Nach seiner Rede erhielt der Bundestagsabgeordnete Hilfe vom Auswärtigen Amt, um die komplizierten Visafragen zu klären. Voraussetzung war jedoch die Bestätigung der Übernahme der Kosten durch die deutschen Krankenhäuser. Die Kliniken in Dresden und Bautzen stimmten zu. Andere Krankenhäuser wie das Joseph-Stift unterstützten sie mit Verbandsmaterialien und Medikamenten. Sachsenmilch spendierte 60 Kartons seiner Produkte, und die Heilsarmee gab den Johannitern 20 Säcke voller Kleidungsstücke mit auf den Weg. Große Unterstützung habe Vaatz von Sebastian Meyer-Stork von der Johanniter Unfallhilfe erhalten. Da es sich um lebensbedrohlich Verletzte handelte, hatte er für den medizinischen Notfall Hilfe über polnische Krankenhäuser organisiert. Glücklicherweise war dies nicht erforderlich.

Die Auswahl der Patienten hatten Ärzte in der Ukraine übernommen. „Aber ich habe vor der Abfahrt jeden von ihnen gefragt, traust du dir die Fahrt zu?“ sagt Vaatz. Seine guten Russischkenntnisse helfen ihm. Er erzählt von bewegenden Szenen zum Abschied, von der Dankbarkeit der Eltern und Geschwister, dass ihr Angehöriger eine Chance auf Hilfe erhält. Weil einige Verletzungen so schwerwiegend sind, wurden die Patienten vor der Fahrt von einem Geistlichen gesegnet. Die Benzinkosten für die Johanniter-Fahrzeuge auf der Hin- und Rückreise trägt Vaatz persönlich. „Offensichtlich gibt es in der Bundesrepublik keine Soforthilfe für akute Notlagen“, bedauert er und hofft, dass sich ein Verein um die Hilfe und um Spenden kümmert. Die Unterstützung für die sechs Ukrainer könne nur ein Anfang sein.