Merken

Schwestern-Tausch auf Dohnaisch

Marlene Kossacks Schwester ging in die USA und machte Platz für einen Gast aus der Karibik. Nun gibt es noch mehr Reisepläne.

Teilen
Folgen
© privat

Von Heike Sabel

Dohna. Sie heißt Claudia, hat einen dunklen Teint und sorgte mit ihrem Ruf nach dem „Papa“ auf dem Pirnaer Weihnachtsmarkt für perplexe Gesichter. Der „Papa“ ist eigentlich der von Marlene Kossack. Papa, Mama und Marlene sind mitteleuropäisch blass. Die Kossacks waren für ein Jahr Claudias Gastfamilie. Deren richtige Familie lebt in der Dominikanischen Republik. Das sonnige Land in der Karibik tauschte die 18-Jährige mit Dohna. Gemeinsam mit Marlene ging sie ins Heidenauer Gymnasium. Marlene weiß, wie das mit den Gastfamilien funktioniert. Sie selbst war zehn Monate in Sankt Petersburg. Als sie zurückkam, ging ihre Schwester zum Studium nach Amerika. Da war ein Bett frei für eine Gastschwester. Das ist schon die wichtigste Voraussetzung, sagt Marlene. Sie kennt sich aus mit den interkulturellen Begegnungen von AFS, dem bundesweiten gemeinnützigen Verein, der die Aufenthalte organisiert. Es gibt in den Bundesländern Komitees, in denen Ehrenamtliche die Aufenthalte organisieren. Da macht Marlene mit und sucht zum Beispiel neue Gastfamilien. Die Aufenthalte dauern drei, sechs oder zehn Monate, die meisten entscheiden sich für die längste Dauer. So war auch Claudia zehn Monate bei den Kossacks.

Der Schwestern-Tausch war eine Bereicherung für die ganze Familie, sagt die. Claudia konnte kein Deutsch, als sie ankam, Marlenes Eltern kein Englisch. Das war für Claudia gut, denn so musste sie Deutsch lernen. Im Heidenauer Gymnasium saß sie manchmal in der fünften, sechsten Klasse. In der Freizeit machten Marlene und Claudia viel zusammen, auch mit den Eltern. Weil die auch locker drauf sind, entstanden Fotos wie das vor dem Schloss Moritzburg. Gastschüler, Gastfamilien – das öffnet die Welt. Wer aus dem Schüleralter raus ist, hat trotzdem eine Chance, als Gastgeber eben.

Bedingungen? „Hauptsache, die Motivation stimmt“, sagt Marlene. Vor Kurzem hat sich eine 72-jährige Freitalerin beworben, als Gastoma quasi. Das Wunschland klappt auf beiden Seiten nicht immer, sich auf etwas Neues einlassen, hat hingegen immer seinen Reiz. Sprachkenntnisse schaden nicht, sind aber keine Voraussetzung. Und: Es gibt meist mehr Plätze als Bewerber. Also stehen die Chancen gut. Für einkommensschwache Schüler gibt es Stipendien. Die Details werden direkt zwischen Gast und Gastgeber ausgehandelt. AFS arbeitet von Hamburg aus bundesweit, es gibt verschiedenen Komitees, in denen Ehrenamtliche aktiv sind. Marlene zum Beispiel gehört zum Dresdner. Die Mitwirkung ist keine Pflicht, aber viele machen es, nachdem sie im Ausland waren oder Gastschüler aufgenommen haben.

Anfang August fliegt Marlene für ein freiwilliges Jahr nach Bolivien. Auch dort wird sie während ihres Aufenthaltes in einer Gastfamilie leben. „Ich freue mich, denn das ist der beste Weg, die Sprache und das Leben kennenzulernen.“ In Chile war Marlene schon mal einen Monat im Sommer. Für das freiwillige Jahr sollte es Südamerika sein. Kontakt zu ihrer Petersburger Familie hat Marlene auch noch. Mit ihren Eltern hat sie sie schon besucht. Ihre Russisch-Kenntnisse halfen auch den Pirnaer Sportlern, mit denen sie voriges Jahr ins weißrussische Bragin fuhr.

Marlene ist auf der ganzen Welt zu Hause. Am Ende bleibe, eine große Familie zu haben, die keine Grenzen kennt.

Kontakt: [email protected]